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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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mußte und Gelegenheit darbot, das burgundische Lager zu erspähen. Die
Verbündeten hatten Recht, den Angriff auf die Burgunder zu unternehmen,
sobald ihre Truppen versammelt waren, fürs erste, weil es galt, das hart¬
bedrängte Murten baldmöglichst zu entsetzen, dann aber auch, um die dem
Landbau nothwendigen Hände sobald als angängig der Arbeit zurückzu¬
geben/

General von Brandt") spricht sich folgendermaßen aus:

.Untersucht man diese Schlacht genauer, so darf man denen, die sie an¬
geordnet, die Bewunderung nicht versagen. -- Wenn auch die Kurzsichtigkeit
Karl's von Burgund den Schweizern ihr Spiel erleichtern mochte, so bleibt
doch der Plan dieser Vertilgungsschlacht schön durch alle Zeiten. Dieser Plan
^ef darauf hinaus, den rechten Flügel des Feindes zu umklammern, dann
aufzurollen und gegen den Murtner See zu drängen. Auch gelang ihnen
dieser Plan in sofern, daß der ganze linke Flügel in den See hineingetrieben
^art. Wollte man die Schlacht selbst nach den Theorien unserer Tage beur¬
teilen, so würde es vielleicht zweckmäßiger erscheinen, den linken feindlichen
Flügel angegriffen zu haben. Durch diese Vorrichtung hätte man den Weg
"ach Wiflisburg, die einzige Rückzugslinie des Feindes, sogleich gewonnen,
und er wäre dann in der Richtung von Freiburg, oder gegen den dem Feinde
'in Rücken fließenden Chandon-Bach gedrückt worden; dadurch jedoch wäre
die Niederlage gewiß nicht so entscheidend geworden. Abgesehen davon, daß
^an dann zuvörderst den Grafen Romont angreifen und schlagen mußte,
"'äre man auch theilweise in ein der feindlichen Cavallerie günstigeres Terrain
gerathen. --"

Auch der Sieg von Murten ist übrigens von den Verbündeten schlecht
^nutzt worden. Wohl hatten die Berner den Willen ihn zu verfolgen,
namentlich durch Eroberung der savoyer Waal; aber wieder scheiterte der
^lan an der Schwerfälligkeit des Bundes. Wären die Eidgenossen bis an
den Genfer See vorgedrungen, so hätten sie Karl von jeder Hilfe aus Italien
^geschnitten und Savoyen in das französische Lager getrieben. So kam es
^er zu nichts weiter als zu einem Streifzuge nach Lausanne, der zur Plünde¬
rung dieser Stadt, zu Kirchenschändung und Raub führte und den bernischen
Namen befleckte ohne irgend einen dauernden Vortheil zu bringen.





') Das Kriegswesen des Mittelalters. Berlin 1830.
Grenzbnten I. 1870.15

mußte und Gelegenheit darbot, das burgundische Lager zu erspähen. Die
Verbündeten hatten Recht, den Angriff auf die Burgunder zu unternehmen,
sobald ihre Truppen versammelt waren, fürs erste, weil es galt, das hart¬
bedrängte Murten baldmöglichst zu entsetzen, dann aber auch, um die dem
Landbau nothwendigen Hände sobald als angängig der Arbeit zurückzu¬
geben/

General von Brandt") spricht sich folgendermaßen aus:

.Untersucht man diese Schlacht genauer, so darf man denen, die sie an¬
geordnet, die Bewunderung nicht versagen. — Wenn auch die Kurzsichtigkeit
Karl's von Burgund den Schweizern ihr Spiel erleichtern mochte, so bleibt
doch der Plan dieser Vertilgungsschlacht schön durch alle Zeiten. Dieser Plan
^ef darauf hinaus, den rechten Flügel des Feindes zu umklammern, dann
aufzurollen und gegen den Murtner See zu drängen. Auch gelang ihnen
dieser Plan in sofern, daß der ganze linke Flügel in den See hineingetrieben
^art. Wollte man die Schlacht selbst nach den Theorien unserer Tage beur¬
teilen, so würde es vielleicht zweckmäßiger erscheinen, den linken feindlichen
Flügel angegriffen zu haben. Durch diese Vorrichtung hätte man den Weg
"ach Wiflisburg, die einzige Rückzugslinie des Feindes, sogleich gewonnen,
und er wäre dann in der Richtung von Freiburg, oder gegen den dem Feinde
'in Rücken fließenden Chandon-Bach gedrückt worden; dadurch jedoch wäre
die Niederlage gewiß nicht so entscheidend geworden. Abgesehen davon, daß
^an dann zuvörderst den Grafen Romont angreifen und schlagen mußte,
"'äre man auch theilweise in ein der feindlichen Cavallerie günstigeres Terrain
gerathen. —"

Auch der Sieg von Murten ist übrigens von den Verbündeten schlecht
^nutzt worden. Wohl hatten die Berner den Willen ihn zu verfolgen,
namentlich durch Eroberung der savoyer Waal; aber wieder scheiterte der
^lan an der Schwerfälligkeit des Bundes. Wären die Eidgenossen bis an
den Genfer See vorgedrungen, so hätten sie Karl von jeder Hilfe aus Italien
^geschnitten und Savoyen in das französische Lager getrieben. So kam es
^er zu nichts weiter als zu einem Streifzuge nach Lausanne, der zur Plünde¬
rung dieser Stadt, zu Kirchenschändung und Raub führte und den bernischen
Namen befleckte ohne irgend einen dauernden Vortheil zu bringen.





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Grenzbnten I. 1870.15
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[0121] mußte und Gelegenheit darbot, das burgundische Lager zu erspähen. Die Verbündeten hatten Recht, den Angriff auf die Burgunder zu unternehmen, sobald ihre Truppen versammelt waren, fürs erste, weil es galt, das hart¬ bedrängte Murten baldmöglichst zu entsetzen, dann aber auch, um die dem Landbau nothwendigen Hände sobald als angängig der Arbeit zurückzu¬ geben/ General von Brandt") spricht sich folgendermaßen aus: .Untersucht man diese Schlacht genauer, so darf man denen, die sie an¬ geordnet, die Bewunderung nicht versagen. — Wenn auch die Kurzsichtigkeit Karl's von Burgund den Schweizern ihr Spiel erleichtern mochte, so bleibt doch der Plan dieser Vertilgungsschlacht schön durch alle Zeiten. Dieser Plan ^ef darauf hinaus, den rechten Flügel des Feindes zu umklammern, dann aufzurollen und gegen den Murtner See zu drängen. Auch gelang ihnen dieser Plan in sofern, daß der ganze linke Flügel in den See hineingetrieben ^art. Wollte man die Schlacht selbst nach den Theorien unserer Tage beur¬ teilen, so würde es vielleicht zweckmäßiger erscheinen, den linken feindlichen Flügel angegriffen zu haben. Durch diese Vorrichtung hätte man den Weg "ach Wiflisburg, die einzige Rückzugslinie des Feindes, sogleich gewonnen, und er wäre dann in der Richtung von Freiburg, oder gegen den dem Feinde 'in Rücken fließenden Chandon-Bach gedrückt worden; dadurch jedoch wäre die Niederlage gewiß nicht so entscheidend geworden. Abgesehen davon, daß ^an dann zuvörderst den Grafen Romont angreifen und schlagen mußte, "'äre man auch theilweise in ein der feindlichen Cavallerie günstigeres Terrain gerathen. —" Auch der Sieg von Murten ist übrigens von den Verbündeten schlecht ^nutzt worden. Wohl hatten die Berner den Willen ihn zu verfolgen, namentlich durch Eroberung der savoyer Waal; aber wieder scheiterte der ^lan an der Schwerfälligkeit des Bundes. Wären die Eidgenossen bis an den Genfer See vorgedrungen, so hätten sie Karl von jeder Hilfe aus Italien ^geschnitten und Savoyen in das französische Lager getrieben. So kam es ^er zu nichts weiter als zu einem Streifzuge nach Lausanne, der zur Plünde¬ rung dieser Stadt, zu Kirchenschändung und Raub führte und den bernischen Namen befleckte ohne irgend einen dauernden Vortheil zu bringen. ') Das Kriegswesen des Mittelalters. Berlin 1830. Grenzbnten I. 1870.15

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/121>, abgerufen am 25.07.2024.