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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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Spießen des schweizerischen Fußvolks brach sich der Ansturm der burgundischen
Lanziere, und das unaufhörliche Geknatter der Büchsen machte ihre Hengste,
die noch nicht gewohnt waren, beim Schuß zu stehn, so wild, daß sie weit
zurückgehn mußten, um sich zu ralliren. Das nun verlassene Fußvolk der
1- Bataille leistete nur geringen Widerstand: Bogner wie Pikeniere, warf
^ sich bald in die Flucht, und bei der Aufstellung des burgundischen Heeres
8 unmittelbar hintereinander befindliche Treffen, die auf einen an und für
steh schmalen Raum angewiesen waren und ihre Schlachtordnung noch nicht
völlig hergestellt hatten, mußte die Flucht des ersten Treffens natürlich ver-
hängnißvoll werden. Es geschah, was schon so oft geschehn: es brach eine
völlige Verwirrung herein. Der Herzog wollte ihr steuern und befahl den
Rückzug auf die Ebene am See zwischen Claveleyre und Pfauen. Er hoffte
Wohl bei Greng mit den Lombarden Fühlung zu gewinnen, den Feind zu
überflügeln und vielleicht in seine rechte Flanke einzubrechen. Aber wenn man
steh erinnert, wie schlecht es Karl bei Granson bekommen war, daß er seine
Wohlgeordnete, vollkommen kampftüchtige Gensdarmerie einem Feinde gegen¬
über zurückgehn ließ, der noch keinerlei Vortheile errungen hatte, so kann
^an sich denken, was hier geschah. Zwar sollte Lord Sommerset mit den
^glischen Schützen und Karl's Bogner-Garde den Rückzug decken, und er
^ars sich auch muthvoll dem Feinde entgegen und hielt ihn einige Zeit auf.
Bald jedoch waren seine Schaaren theils geworfen, theils umgangen; den
^ort selbst traf eine Kugel; die österreichische Reiterei ging wieder vor, und
nun brach das Chaos herein. Eine wilde zügellose Flucht begann hinab in
die Ebene am Murten-See. Vergeblich, daß mitten im Strom derselben des
Herzogs Ober-Stallmeister, Jakob van der Maas, die große Standarte von
Burgund hochhielt, um bei ihr die weichenden Schaaren zu sammeln! Sogar
die Geschwader vom Hofstaate des Fürsten verließen ihn. Einsam, das ihm
anvertraute Hauptbanner des Heeres mit beiden Armen umfassend, nahm
gute Edelknecht den Tod.*) Karl selbst wurde von der Flucht seines
Heeres mit fortgerissen. Es war "als ob Gottes Schrecken von den
bergen steige".

In aufgelöster Ordnung, nur die Banner noch von ihrer Wache um¬
geben, drangen die Verbündeten, d. h. Vorhut und Gewalthaufe, dem Feinde
^uf dem Fuße nach. Sie stürmten durch die langen Gassen des burgundischen
^gers auf Wieflisburg zu; das Fußvolk eilte bis an den Sumpf vor; die
Reiterei folgte über Wieflisburg bis gegen Peterlingen hin.

Was die hündische Nachhut betrifft, so scheint diese, als ihr Führer, der
Herr von Hertenstein. den Feind auf der Flucht sah, in der Richtung auf



) 01. Ah la UaroKe bei v. Note.

Spießen des schweizerischen Fußvolks brach sich der Ansturm der burgundischen
Lanziere, und das unaufhörliche Geknatter der Büchsen machte ihre Hengste,
die noch nicht gewohnt waren, beim Schuß zu stehn, so wild, daß sie weit
zurückgehn mußten, um sich zu ralliren. Das nun verlassene Fußvolk der
1- Bataille leistete nur geringen Widerstand: Bogner wie Pikeniere, warf
^ sich bald in die Flucht, und bei der Aufstellung des burgundischen Heeres
8 unmittelbar hintereinander befindliche Treffen, die auf einen an und für
steh schmalen Raum angewiesen waren und ihre Schlachtordnung noch nicht
völlig hergestellt hatten, mußte die Flucht des ersten Treffens natürlich ver-
hängnißvoll werden. Es geschah, was schon so oft geschehn: es brach eine
völlige Verwirrung herein. Der Herzog wollte ihr steuern und befahl den
Rückzug auf die Ebene am See zwischen Claveleyre und Pfauen. Er hoffte
Wohl bei Greng mit den Lombarden Fühlung zu gewinnen, den Feind zu
überflügeln und vielleicht in seine rechte Flanke einzubrechen. Aber wenn man
steh erinnert, wie schlecht es Karl bei Granson bekommen war, daß er seine
Wohlgeordnete, vollkommen kampftüchtige Gensdarmerie einem Feinde gegen¬
über zurückgehn ließ, der noch keinerlei Vortheile errungen hatte, so kann
^an sich denken, was hier geschah. Zwar sollte Lord Sommerset mit den
^glischen Schützen und Karl's Bogner-Garde den Rückzug decken, und er
^ars sich auch muthvoll dem Feinde entgegen und hielt ihn einige Zeit auf.
Bald jedoch waren seine Schaaren theils geworfen, theils umgangen; den
^ort selbst traf eine Kugel; die österreichische Reiterei ging wieder vor, und
nun brach das Chaos herein. Eine wilde zügellose Flucht begann hinab in
die Ebene am Murten-See. Vergeblich, daß mitten im Strom derselben des
Herzogs Ober-Stallmeister, Jakob van der Maas, die große Standarte von
Burgund hochhielt, um bei ihr die weichenden Schaaren zu sammeln! Sogar
die Geschwader vom Hofstaate des Fürsten verließen ihn. Einsam, das ihm
anvertraute Hauptbanner des Heeres mit beiden Armen umfassend, nahm
gute Edelknecht den Tod.*) Karl selbst wurde von der Flucht seines
Heeres mit fortgerissen. Es war „als ob Gottes Schrecken von den
bergen steige".

In aufgelöster Ordnung, nur die Banner noch von ihrer Wache um¬
geben, drangen die Verbündeten, d. h. Vorhut und Gewalthaufe, dem Feinde
^uf dem Fuße nach. Sie stürmten durch die langen Gassen des burgundischen
^gers auf Wieflisburg zu; das Fußvolk eilte bis an den Sumpf vor; die
Reiterei folgte über Wieflisburg bis gegen Peterlingen hin.

Was die hündische Nachhut betrifft, so scheint diese, als ihr Führer, der
Herr von Hertenstein. den Feind auf der Flucht sah, in der Richtung auf



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[0117] Spießen des schweizerischen Fußvolks brach sich der Ansturm der burgundischen Lanziere, und das unaufhörliche Geknatter der Büchsen machte ihre Hengste, die noch nicht gewohnt waren, beim Schuß zu stehn, so wild, daß sie weit zurückgehn mußten, um sich zu ralliren. Das nun verlassene Fußvolk der 1- Bataille leistete nur geringen Widerstand: Bogner wie Pikeniere, warf ^ sich bald in die Flucht, und bei der Aufstellung des burgundischen Heeres 8 unmittelbar hintereinander befindliche Treffen, die auf einen an und für steh schmalen Raum angewiesen waren und ihre Schlachtordnung noch nicht völlig hergestellt hatten, mußte die Flucht des ersten Treffens natürlich ver- hängnißvoll werden. Es geschah, was schon so oft geschehn: es brach eine völlige Verwirrung herein. Der Herzog wollte ihr steuern und befahl den Rückzug auf die Ebene am See zwischen Claveleyre und Pfauen. Er hoffte Wohl bei Greng mit den Lombarden Fühlung zu gewinnen, den Feind zu überflügeln und vielleicht in seine rechte Flanke einzubrechen. Aber wenn man steh erinnert, wie schlecht es Karl bei Granson bekommen war, daß er seine Wohlgeordnete, vollkommen kampftüchtige Gensdarmerie einem Feinde gegen¬ über zurückgehn ließ, der noch keinerlei Vortheile errungen hatte, so kann ^an sich denken, was hier geschah. Zwar sollte Lord Sommerset mit den ^glischen Schützen und Karl's Bogner-Garde den Rückzug decken, und er ^ars sich auch muthvoll dem Feinde entgegen und hielt ihn einige Zeit auf. Bald jedoch waren seine Schaaren theils geworfen, theils umgangen; den ^ort selbst traf eine Kugel; die österreichische Reiterei ging wieder vor, und nun brach das Chaos herein. Eine wilde zügellose Flucht begann hinab in die Ebene am Murten-See. Vergeblich, daß mitten im Strom derselben des Herzogs Ober-Stallmeister, Jakob van der Maas, die große Standarte von Burgund hochhielt, um bei ihr die weichenden Schaaren zu sammeln! Sogar die Geschwader vom Hofstaate des Fürsten verließen ihn. Einsam, das ihm anvertraute Hauptbanner des Heeres mit beiden Armen umfassend, nahm gute Edelknecht den Tod.*) Karl selbst wurde von der Flucht seines Heeres mit fortgerissen. Es war „als ob Gottes Schrecken von den bergen steige". In aufgelöster Ordnung, nur die Banner noch von ihrer Wache um¬ geben, drangen die Verbündeten, d. h. Vorhut und Gewalthaufe, dem Feinde ^uf dem Fuße nach. Sie stürmten durch die langen Gassen des burgundischen ^gers auf Wieflisburg zu; das Fußvolk eilte bis an den Sumpf vor; die Reiterei folgte über Wieflisburg bis gegen Peterlingen hin. Was die hündische Nachhut betrifft, so scheint diese, als ihr Führer, der Herr von Hertenstein. den Feind auf der Flucht sah, in der Richtung auf ) 01. Ah la UaroKe bei v. Note.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/117>, abgerufen am 24.07.2024.