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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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und deutlich zu machen wußten, daß Murten die Vormauer des eigenen
Landes sei, daß an Murten das Vaterland hange, da siegte endlich das Ge-
fühl der Bundesgemeinschaft und wohl auch das der Kriegslust. Die Urner
kamen zuerst; bald folgten die andern. Basel, Straßburg und die Städte
des Elsaß und Vvrderösterreichs sandten das Dreifache ihres bundespflichtigen
Aufgebots; die Mannschaft von Appenzell und Se. Gallen schloß sich an,
und Herzog Rene' von Lothringen, dem der Burgunder das Land entrissen,
zog ebenfalls mit der kleinen Mannschaft, die er mit den Trümmern seines
Vermögens geworben und mit den ihm treu gebliebenen Edelleuten, im Ganzen
mit dreihundert Reisigen, den Eidgenossen zu Hilfe. Am 18, Juni machten
sich endlich auch die Züricher auf den Weg. und nun fühlten die Verbündeten
sich stark genug zum Kampfe. Ritterlich wollten sie sich des Feindes er¬
wehren -- so schrieb Bern an Frankfurt a. M. -- als Vorfechter ge¬
meiner teutscher Nation gegen den burgundischen Herzog. der sie gerne ver¬
tilgen möchte.

Das sehr langsam vorrückende burgundische Heer, dessen Gesammtstärke
sich auf höchstens 33.000 Mann belief. hatte zuerst die Richtung nach dem
Neuenburger See eingeschlagen. Karl hoffte wohl, den Feind dahin zu locken,
wo Land und Leute ihm weniger feindlich waren; bald aber riß ihn die Un¬
geduld fort. Er beschloß über Murten auf Bern zu ziehn. Den Grafen
von Romont sandte er in die zwischen dem Neuenburger- und dem Murren-
See liegende Gegend, und mit der Hauptmacht zog er über Wifflisburg
(Avenches) vor Murten. Am 9. Juni erschien seine Vorhut vor der Stadt;
am 11. war diese von allen Seiten eingeschlossen.

Die Umgegend von Murten. welches zu Füßen eines alten, von Ludwig
dem Frommen gegründeten Schlosses liegt, ist ziemlich eben und zum Theil
mit Waldstücken oder Gebüschen bedeckt und von kleinen Schluchten durch¬
schnitten, bei welchen der Anmarsch eines feindlichen Heeres wol aufgehalten
werden kann. Die meisten von den. jetzt um Murten liegenden Dörfern.
Herrengütern und Maierhöfen existirten schon zur Zeit des burgundischen
Krieges; gewiß ist dies von Pfauen (Faoug). Greng, Meyriez (Marlock). Clave-
leyre. Äalvenach. Montelier, Altaville (Hauteville). Courlevon. Curwolf
lCourgevaux) und Münchenweiler*).

Die Hauptzugänge der Stadt Murten von Osten her waren die Wege
von Aarberg, von Gümminen und von Laupen. Daß diese von den Eidge¬
nossen besetzt worden waren, habe ich bereits erwähnt. Ein Versuch, den Karl
am 12. Juni machte, sich dieser Pässe zu bemächtigen, wurde durch den
bernerischen Landsturm vereitelt, trug nur dazu bei, die eidgenössischen Rü-



') Die beste Uebersicht des Schlachtfeldes genießt man von dem Schlosse Münchenweiler.

und deutlich zu machen wußten, daß Murten die Vormauer des eigenen
Landes sei, daß an Murten das Vaterland hange, da siegte endlich das Ge-
fühl der Bundesgemeinschaft und wohl auch das der Kriegslust. Die Urner
kamen zuerst; bald folgten die andern. Basel, Straßburg und die Städte
des Elsaß und Vvrderösterreichs sandten das Dreifache ihres bundespflichtigen
Aufgebots; die Mannschaft von Appenzell und Se. Gallen schloß sich an,
und Herzog Rene' von Lothringen, dem der Burgunder das Land entrissen,
zog ebenfalls mit der kleinen Mannschaft, die er mit den Trümmern seines
Vermögens geworben und mit den ihm treu gebliebenen Edelleuten, im Ganzen
mit dreihundert Reisigen, den Eidgenossen zu Hilfe. Am 18, Juni machten
sich endlich auch die Züricher auf den Weg. und nun fühlten die Verbündeten
sich stark genug zum Kampfe. Ritterlich wollten sie sich des Feindes er¬
wehren — so schrieb Bern an Frankfurt a. M. — als Vorfechter ge¬
meiner teutscher Nation gegen den burgundischen Herzog. der sie gerne ver¬
tilgen möchte.

Das sehr langsam vorrückende burgundische Heer, dessen Gesammtstärke
sich auf höchstens 33.000 Mann belief. hatte zuerst die Richtung nach dem
Neuenburger See eingeschlagen. Karl hoffte wohl, den Feind dahin zu locken,
wo Land und Leute ihm weniger feindlich waren; bald aber riß ihn die Un¬
geduld fort. Er beschloß über Murten auf Bern zu ziehn. Den Grafen
von Romont sandte er in die zwischen dem Neuenburger- und dem Murren-
See liegende Gegend, und mit der Hauptmacht zog er über Wifflisburg
(Avenches) vor Murten. Am 9. Juni erschien seine Vorhut vor der Stadt;
am 11. war diese von allen Seiten eingeschlossen.

Die Umgegend von Murten. welches zu Füßen eines alten, von Ludwig
dem Frommen gegründeten Schlosses liegt, ist ziemlich eben und zum Theil
mit Waldstücken oder Gebüschen bedeckt und von kleinen Schluchten durch¬
schnitten, bei welchen der Anmarsch eines feindlichen Heeres wol aufgehalten
werden kann. Die meisten von den. jetzt um Murten liegenden Dörfern.
Herrengütern und Maierhöfen existirten schon zur Zeit des burgundischen
Krieges; gewiß ist dies von Pfauen (Faoug). Greng, Meyriez (Marlock). Clave-
leyre. Äalvenach. Montelier, Altaville (Hauteville). Courlevon. Curwolf
lCourgevaux) und Münchenweiler*).

Die Hauptzugänge der Stadt Murten von Osten her waren die Wege
von Aarberg, von Gümminen und von Laupen. Daß diese von den Eidge¬
nossen besetzt worden waren, habe ich bereits erwähnt. Ein Versuch, den Karl
am 12. Juni machte, sich dieser Pässe zu bemächtigen, wurde durch den
bernerischen Landsturm vereitelt, trug nur dazu bei, die eidgenössischen Rü-



') Die beste Uebersicht des Schlachtfeldes genießt man von dem Schlosse Münchenweiler.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/110>, abgerufen am 24.07.2024.