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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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verholfen, es steht heute oder morgen gegen Euch oder die Eurigen wieder
zu verschulden." . . . "Da Schleife ich (gebe ich durch Ziehen an den Haaren
einen Merk's, einen Denkzettel) zum ersten Male. Nun so stehe auf und
kehre Dich dreimal um und sprich mir nach: Glück herein! Gott ehr' ein
ehrbar Handwerk, Meister und Gesellen.

Wenn Du nun wirst zum Thore hinausziehen, so werden drei Wege gehen,
der eine zur Rechten, der andere zur Linken, der dritte gerade aus, welchen willst
Du ziehen? Gehst Du gerade aus, oder wie man in dem gemeinen Sprichwort
zu sagen pflegt, der Nase nach, so wirst Du leichtlich nicht irren; denn wenn Du
den Weg gingest zur Rechten oder zur Linken, so zögest Du zu einem Thore
aus, zum andern wieder ein, und so würde Deine Wanderschaft bald aus sein.
Wenn Du nun den Weg fortziehest, so wirst Du vor einem Misthaufen vor¬
übergehen, da werden schwarze Raben daraufsitzen, die schreien: Er zieht weg,
er zieht weg! Wie willst Du es machen, willst Du wieder umkehren ?"

Antwort: "Ja."

"Du sollst Deinen Weg fortgehen und gedenken: Ihr schwarzen Raben,
ihr werdet meine Boten sein. Wenn Du nun weiter gehst, so wirst Du
kommen vor ein Dorf, da werden Dich drei alte Weiber sehen und sagen:
Junggeselle, kehrt doch wieder um; denn wenn Ihr eine Viertelmeile Wegs
gehet, so werdet Ihr in einen Wald kommen und Euch darin verirren, da
wird dann niemand wissen, wo Ihr hin seid. Wie willst Du es machen?
Willst Du wieder umkehren?"

Antwort: "Ja."

"El Du sollst es nicht thun; denn es wäre Dir ein Spott, daß Du
Dich ließest Drei alte Weiber überreden. Wenn Du nun bis an des Dorfes
Ende gegangen bist, so wirst Du kommen vor eine Mühle, die wird sagen.
Kehre wieder, kehre wieder, kehre. Willst Du umkehren oder fortgehen? Du
sollst Deinen Weg fortgehen und sagen: Mühle gehe Du Deinen Klang:
und ich will gehen meinen Gang. . . Wenn Du nun wirst fortlaufen, so
wirst Du vor den großen Wald kommen, davon Dir die drei alten Weiber
gesagt haben. In demselben wird es finster und ungeheuer sein, und Dir
wird recht grauen. Die Vögel werden singen jung und alt, der Wind wird
wehen gar sauer und kalt, die Bäume werden gehen die Winke, die Warte, die
Klinke, die Klanke, die brausen und prasseln. Da wird es sein, als ob Alles
mit einander wollte über den Haufen fallen, und Du wirst gedenken: Ach
wärest Du daheim bei der Mutter geblieben; denn da steht zu besorgen, daß
ein Baum umfallen und Dich erschlagen möchte, da kommst Du um Dein
junges Leben, Deine Mutter um ihren Sohn und ich um meinen Ziegenschurz.
Da wird es fürwahr von Nöthen sein, wieder umzukehren, oder willst Du
Deinen Weg fortgehen? Du sollst nicht wieder umkehren, sondern fortgehen.


verholfen, es steht heute oder morgen gegen Euch oder die Eurigen wieder
zu verschulden." . . . „Da Schleife ich (gebe ich durch Ziehen an den Haaren
einen Merk's, einen Denkzettel) zum ersten Male. Nun so stehe auf und
kehre Dich dreimal um und sprich mir nach: Glück herein! Gott ehr' ein
ehrbar Handwerk, Meister und Gesellen.

Wenn Du nun wirst zum Thore hinausziehen, so werden drei Wege gehen,
der eine zur Rechten, der andere zur Linken, der dritte gerade aus, welchen willst
Du ziehen? Gehst Du gerade aus, oder wie man in dem gemeinen Sprichwort
zu sagen pflegt, der Nase nach, so wirst Du leichtlich nicht irren; denn wenn Du
den Weg gingest zur Rechten oder zur Linken, so zögest Du zu einem Thore
aus, zum andern wieder ein, und so würde Deine Wanderschaft bald aus sein.
Wenn Du nun den Weg fortziehest, so wirst Du vor einem Misthaufen vor¬
übergehen, da werden schwarze Raben daraufsitzen, die schreien: Er zieht weg,
er zieht weg! Wie willst Du es machen, willst Du wieder umkehren ?"

Antwort: „Ja."

„Du sollst Deinen Weg fortgehen und gedenken: Ihr schwarzen Raben,
ihr werdet meine Boten sein. Wenn Du nun weiter gehst, so wirst Du
kommen vor ein Dorf, da werden Dich drei alte Weiber sehen und sagen:
Junggeselle, kehrt doch wieder um; denn wenn Ihr eine Viertelmeile Wegs
gehet, so werdet Ihr in einen Wald kommen und Euch darin verirren, da
wird dann niemand wissen, wo Ihr hin seid. Wie willst Du es machen?
Willst Du wieder umkehren?"

Antwort: „Ja."

„El Du sollst es nicht thun; denn es wäre Dir ein Spott, daß Du
Dich ließest Drei alte Weiber überreden. Wenn Du nun bis an des Dorfes
Ende gegangen bist, so wirst Du kommen vor eine Mühle, die wird sagen.
Kehre wieder, kehre wieder, kehre. Willst Du umkehren oder fortgehen? Du
sollst Deinen Weg fortgehen und sagen: Mühle gehe Du Deinen Klang:
und ich will gehen meinen Gang. . . Wenn Du nun wirst fortlaufen, so
wirst Du vor den großen Wald kommen, davon Dir die drei alten Weiber
gesagt haben. In demselben wird es finster und ungeheuer sein, und Dir
wird recht grauen. Die Vögel werden singen jung und alt, der Wind wird
wehen gar sauer und kalt, die Bäume werden gehen die Winke, die Warte, die
Klinke, die Klanke, die brausen und prasseln. Da wird es sein, als ob Alles
mit einander wollte über den Haufen fallen, und Du wirst gedenken: Ach
wärest Du daheim bei der Mutter geblieben; denn da steht zu besorgen, daß
ein Baum umfallen und Dich erschlagen möchte, da kommst Du um Dein
junges Leben, Deine Mutter um ihren Sohn und ich um meinen Ziegenschurz.
Da wird es fürwahr von Nöthen sein, wieder umzukehren, oder willst Du
Deinen Weg fortgehen? Du sollst nicht wieder umkehren, sondern fortgehen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/94>, abgerufen am 28.09.2024.