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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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im Heere Otto's gehend, mit diesem bekannt, der ihm dann ganz und gar
sich ergab, so daß sie nebeneinander schliefen und die Nächte in vertrautem
Gespräch mit einander zubrachten, bis sie sich in Mainz trennten, von wo
aus Adalbert, zu den Preußen ziehend, unter denselben den Märtyertod als
Missionar fand, was Otto wieder Gelegenheit gab, zu dem Grabmal des
Heiliggesprochenen zu wallfahrten.

Unter einem so fromm erzognen Jüngling -- Otto III. ist überhaupt
nur 22 Jahr alt geworden -- auf dem Throne ist es kein Wunder, wenn
seine vormundschaftliche Regierung, zuletzt Adelheid und der Erzbischof Willigis
von Mainz, welche beide als Agenten des Cluniacenser Ordens zu betrachten
sind, dem geistlichen und kirchlichen Wirken dieses allen Vorschub leisteten.

Es geht das, damit wir nun wieder zu der geschichtlichen Entwickelung
jener Zeit wie sie mehr dem nach Außen Eindruck machenden Gebiete angehört,
zurückkehren, aus Nichts durchsichtiger hervor als aus einem nicht blos für
jene Zeit merkwürdigen, sondern auch gerade für die neueste Zeit höchst lehr¬
reichen Borgange hervor.

In Westfranken, Frankreich, hatte sich um jene Zeit unter der höhern
französischen Geistlichkeit eine starke Bewegung gegen die von Rom aus so
hartnäckig damals schon angestrebte Kircheneinheit wenigstens über den west¬
lichen Theil des Kontinents geltend gemacht. Die Bewegung galt auch dem
Orden von Cluny und seinen römischen Tendenzen.

Um das Jahr 995 setzte sich da Bischof Gerbert von Rheims mit dem
Hofe Adelheid's, namentlich dem Erzbischof Willigis von Mainz in Verbindung,
um von hier aus dem Vorgehen der französischen Bischöfe gegen Rom's Kirchen¬
einheit entgegen zu wirken. Dem Könige Hugo (Capet) von Frankreich, dessen
Emporkommen damals im gleichen Schritt mit der Selbständigkeit der höhern
Geistlichkeit ging, ward um diese Zeit gar hinterbracht, eine Verschwörung
mit dem Bischöfe Adalbert von Laon an der Spitze, die im Einverständnis? mit
Deutschland stehe, wolle Frankreich an den jungen König Otto von Deutsch¬
land verrathen. Hugo aus dem Wege räumen, den Mitverschwornen Grafen
Otto von Chartres (auch einen Anhänger der Cluniacenser) zum Herzog von
Francien. Adalbert zum Erzbischof von Rheims machen. Otto stehe bereits
mit einem Heere an der Grenze bei Metz, um Hugo bei der Reise nach
einem zu Mouzon angesetzten Bischofs-Konzil zu überfallen.

Ganz besonders bezeichnend ist noch das Vorspiel zu diesem Hauptspiel
doch wohl schon weit genug ausschauender Kirchenpolitik. Es that vornehm¬
lich dar, wie viel weniger die Franzosen zu allen Zeiten geneigt gewesen
sind, ihr nationales Interesse unter kirchliche Anwandlungen vom Auslande
her zu stellen als z. B. die Deutschen.


im Heere Otto's gehend, mit diesem bekannt, der ihm dann ganz und gar
sich ergab, so daß sie nebeneinander schliefen und die Nächte in vertrautem
Gespräch mit einander zubrachten, bis sie sich in Mainz trennten, von wo
aus Adalbert, zu den Preußen ziehend, unter denselben den Märtyertod als
Missionar fand, was Otto wieder Gelegenheit gab, zu dem Grabmal des
Heiliggesprochenen zu wallfahrten.

Unter einem so fromm erzognen Jüngling — Otto III. ist überhaupt
nur 22 Jahr alt geworden — auf dem Throne ist es kein Wunder, wenn
seine vormundschaftliche Regierung, zuletzt Adelheid und der Erzbischof Willigis
von Mainz, welche beide als Agenten des Cluniacenser Ordens zu betrachten
sind, dem geistlichen und kirchlichen Wirken dieses allen Vorschub leisteten.

Es geht das, damit wir nun wieder zu der geschichtlichen Entwickelung
jener Zeit wie sie mehr dem nach Außen Eindruck machenden Gebiete angehört,
zurückkehren, aus Nichts durchsichtiger hervor als aus einem nicht blos für
jene Zeit merkwürdigen, sondern auch gerade für die neueste Zeit höchst lehr¬
reichen Borgange hervor.

In Westfranken, Frankreich, hatte sich um jene Zeit unter der höhern
französischen Geistlichkeit eine starke Bewegung gegen die von Rom aus so
hartnäckig damals schon angestrebte Kircheneinheit wenigstens über den west¬
lichen Theil des Kontinents geltend gemacht. Die Bewegung galt auch dem
Orden von Cluny und seinen römischen Tendenzen.

Um das Jahr 995 setzte sich da Bischof Gerbert von Rheims mit dem
Hofe Adelheid's, namentlich dem Erzbischof Willigis von Mainz in Verbindung,
um von hier aus dem Vorgehen der französischen Bischöfe gegen Rom's Kirchen¬
einheit entgegen zu wirken. Dem Könige Hugo (Capet) von Frankreich, dessen
Emporkommen damals im gleichen Schritt mit der Selbständigkeit der höhern
Geistlichkeit ging, ward um diese Zeit gar hinterbracht, eine Verschwörung
mit dem Bischöfe Adalbert von Laon an der Spitze, die im Einverständnis? mit
Deutschland stehe, wolle Frankreich an den jungen König Otto von Deutsch¬
land verrathen. Hugo aus dem Wege räumen, den Mitverschwornen Grafen
Otto von Chartres (auch einen Anhänger der Cluniacenser) zum Herzog von
Francien. Adalbert zum Erzbischof von Rheims machen. Otto stehe bereits
mit einem Heere an der Grenze bei Metz, um Hugo bei der Reise nach
einem zu Mouzon angesetzten Bischofs-Konzil zu überfallen.

Ganz besonders bezeichnend ist noch das Vorspiel zu diesem Hauptspiel
doch wohl schon weit genug ausschauender Kirchenpolitik. Es that vornehm¬
lich dar, wie viel weniger die Franzosen zu allen Zeiten geneigt gewesen
sind, ihr nationales Interesse unter kirchliche Anwandlungen vom Auslande
her zu stellen als z. B. die Deutschen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/58>, abgerufen am 28.09.2024.