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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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ist, besteht in Aussprüchen der ältern römischen Bischöfe von Clemens Roma¬
nus bis auf Deusdedit in 61 Briefen, die mit wenigen echten Dekretalen
untermischt sind. Eine unlateinische barbarische Sprache, Sprachfehler, Zeit¬
verwechslungen in Menge kennzeichnen auch in formeller Weise die Fälschung
übel und der Hauptanspruch, den sie erheben, besteht darin, daß Christus selbst
der römischen Kirche die Obergewalt über alle andern ertheilt habe. Indem
nun in der praktischen Anwendung dieser beanspruchten Obergewalt nun auch
die Obergewalt über das weltliche Regiment daraus erwachsen konnte, nament¬
lich wenn dieses wie es auch kam, unfähig zur Verwaltung der rohen Staa¬
tenbildung damaliger Zeit sich erwies, ist weiter vor Allem von Belang, wie
der Klerus diese zwischen 829 und 843 entstandenen und zuerst durch Papst
Hadrian 865 benutzten Dekretalen, welche namentlich behaupten, daß wie alle
Bischöfe Stellvertreter Christi seien, so der Papst den Primat haben soll und
worin auch schon der Kern der Unfehlbarkeit steckt, seine Verordnungen als
Kirchengesetze gelten sollen, nach 887 in der Verwirrung des auseinander¬
fallenden Karolinger Reiches gebrauchen würde.

Dafür, daß er sie gebrauchen konnte, kam ihm zu Statten, daß von
Anbeginn des Karolinger Reiches ihm in der Richtung vorgearbeitet war.
Schon Bonifacius hatte im Namen des Bischofs von Rom das Bekehrungs¬
werk in Germanien unternommen und dabei, ehe er vom Papste in Form
eines Schreibens an die Grafen die Weisung erhielt, unter Nistresiern, Log-
naern, Suduosern, Wetterauern, Hessen, Grabfeldern, Thüringern und
Borthariern das Christenthum zu verkünden, mit der Hand auf dem Grabe
des Petrus gelobt, der Reinheit und Einigkeit der katholischen Kirche getreu
zu bleiben, auch mit andern Priestern, welche den Satzungen der alten Väter
entgegenhandelten, keine Gemeinschaft zu haben. Wie Bonifacius nun wieder
gesteht, daß er ohne das Schwert (Karl Martel's bereits) bei seinem Be¬
kehrungswerke nicht durchgedrungen sein würde (Schutz der Obrigkeit), so drohte
der Papst, als Pipin zum König gesalbt wurde und unter dessen Schutze
Bonifacius weiter wirkte, die Excommunication den Franken, wenn sie sich
einen König aus einem andern Geschlechte wählten. In dieser Weise war
der Einfluß des Papstes bereits bei der eine Usurpation enthaltenden Wahl
der karolingischen Hausmeier zu Königen der Franken maßgebend. Wie
Bonifacius nur für Rom arbeitete, so arbeitete Rom wieder nur für die es
begünstigenden Herrscher in Franken, die in-aetLcti pulatii, welche Bonifacius
ihren Schutz angedeihen ließen. Das war den Pipiniden wieder umsomehr
werth, als es nach jener obigen Andeutung allerdings nicht an einer Gegen¬
partei fehlte, welche Pipin aus den italienischen Verhältnissen erwuchs. Egin-
hard stellt den Widerstand der fränkischen Großen gegen den Longobardenzug
als einen recht ernstlichen dar. Auch Bonifacius selbst fand Widerstand z. B.


ist, besteht in Aussprüchen der ältern römischen Bischöfe von Clemens Roma¬
nus bis auf Deusdedit in 61 Briefen, die mit wenigen echten Dekretalen
untermischt sind. Eine unlateinische barbarische Sprache, Sprachfehler, Zeit¬
verwechslungen in Menge kennzeichnen auch in formeller Weise die Fälschung
übel und der Hauptanspruch, den sie erheben, besteht darin, daß Christus selbst
der römischen Kirche die Obergewalt über alle andern ertheilt habe. Indem
nun in der praktischen Anwendung dieser beanspruchten Obergewalt nun auch
die Obergewalt über das weltliche Regiment daraus erwachsen konnte, nament¬
lich wenn dieses wie es auch kam, unfähig zur Verwaltung der rohen Staa¬
tenbildung damaliger Zeit sich erwies, ist weiter vor Allem von Belang, wie
der Klerus diese zwischen 829 und 843 entstandenen und zuerst durch Papst
Hadrian 865 benutzten Dekretalen, welche namentlich behaupten, daß wie alle
Bischöfe Stellvertreter Christi seien, so der Papst den Primat haben soll und
worin auch schon der Kern der Unfehlbarkeit steckt, seine Verordnungen als
Kirchengesetze gelten sollen, nach 887 in der Verwirrung des auseinander¬
fallenden Karolinger Reiches gebrauchen würde.

Dafür, daß er sie gebrauchen konnte, kam ihm zu Statten, daß von
Anbeginn des Karolinger Reiches ihm in der Richtung vorgearbeitet war.
Schon Bonifacius hatte im Namen des Bischofs von Rom das Bekehrungs¬
werk in Germanien unternommen und dabei, ehe er vom Papste in Form
eines Schreibens an die Grafen die Weisung erhielt, unter Nistresiern, Log-
naern, Suduosern, Wetterauern, Hessen, Grabfeldern, Thüringern und
Borthariern das Christenthum zu verkünden, mit der Hand auf dem Grabe
des Petrus gelobt, der Reinheit und Einigkeit der katholischen Kirche getreu
zu bleiben, auch mit andern Priestern, welche den Satzungen der alten Väter
entgegenhandelten, keine Gemeinschaft zu haben. Wie Bonifacius nun wieder
gesteht, daß er ohne das Schwert (Karl Martel's bereits) bei seinem Be¬
kehrungswerke nicht durchgedrungen sein würde (Schutz der Obrigkeit), so drohte
der Papst, als Pipin zum König gesalbt wurde und unter dessen Schutze
Bonifacius weiter wirkte, die Excommunication den Franken, wenn sie sich
einen König aus einem andern Geschlechte wählten. In dieser Weise war
der Einfluß des Papstes bereits bei der eine Usurpation enthaltenden Wahl
der karolingischen Hausmeier zu Königen der Franken maßgebend. Wie
Bonifacius nur für Rom arbeitete, so arbeitete Rom wieder nur für die es
begünstigenden Herrscher in Franken, die in-aetLcti pulatii, welche Bonifacius
ihren Schutz angedeihen ließen. Das war den Pipiniden wieder umsomehr
werth, als es nach jener obigen Andeutung allerdings nicht an einer Gegen¬
partei fehlte, welche Pipin aus den italienischen Verhältnissen erwuchs. Egin-
hard stellt den Widerstand der fränkischen Großen gegen den Longobardenzug
als einen recht ernstlichen dar. Auch Bonifacius selbst fand Widerstand z. B.


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[0051] ist, besteht in Aussprüchen der ältern römischen Bischöfe von Clemens Roma¬ nus bis auf Deusdedit in 61 Briefen, die mit wenigen echten Dekretalen untermischt sind. Eine unlateinische barbarische Sprache, Sprachfehler, Zeit¬ verwechslungen in Menge kennzeichnen auch in formeller Weise die Fälschung übel und der Hauptanspruch, den sie erheben, besteht darin, daß Christus selbst der römischen Kirche die Obergewalt über alle andern ertheilt habe. Indem nun in der praktischen Anwendung dieser beanspruchten Obergewalt nun auch die Obergewalt über das weltliche Regiment daraus erwachsen konnte, nament¬ lich wenn dieses wie es auch kam, unfähig zur Verwaltung der rohen Staa¬ tenbildung damaliger Zeit sich erwies, ist weiter vor Allem von Belang, wie der Klerus diese zwischen 829 und 843 entstandenen und zuerst durch Papst Hadrian 865 benutzten Dekretalen, welche namentlich behaupten, daß wie alle Bischöfe Stellvertreter Christi seien, so der Papst den Primat haben soll und worin auch schon der Kern der Unfehlbarkeit steckt, seine Verordnungen als Kirchengesetze gelten sollen, nach 887 in der Verwirrung des auseinander¬ fallenden Karolinger Reiches gebrauchen würde. Dafür, daß er sie gebrauchen konnte, kam ihm zu Statten, daß von Anbeginn des Karolinger Reiches ihm in der Richtung vorgearbeitet war. Schon Bonifacius hatte im Namen des Bischofs von Rom das Bekehrungs¬ werk in Germanien unternommen und dabei, ehe er vom Papste in Form eines Schreibens an die Grafen die Weisung erhielt, unter Nistresiern, Log- naern, Suduosern, Wetterauern, Hessen, Grabfeldern, Thüringern und Borthariern das Christenthum zu verkünden, mit der Hand auf dem Grabe des Petrus gelobt, der Reinheit und Einigkeit der katholischen Kirche getreu zu bleiben, auch mit andern Priestern, welche den Satzungen der alten Väter entgegenhandelten, keine Gemeinschaft zu haben. Wie Bonifacius nun wieder gesteht, daß er ohne das Schwert (Karl Martel's bereits) bei seinem Be¬ kehrungswerke nicht durchgedrungen sein würde (Schutz der Obrigkeit), so drohte der Papst, als Pipin zum König gesalbt wurde und unter dessen Schutze Bonifacius weiter wirkte, die Excommunication den Franken, wenn sie sich einen König aus einem andern Geschlechte wählten. In dieser Weise war der Einfluß des Papstes bereits bei der eine Usurpation enthaltenden Wahl der karolingischen Hausmeier zu Königen der Franken maßgebend. Wie Bonifacius nur für Rom arbeitete, so arbeitete Rom wieder nur für die es begünstigenden Herrscher in Franken, die in-aetLcti pulatii, welche Bonifacius ihren Schutz angedeihen ließen. Das war den Pipiniden wieder umsomehr werth, als es nach jener obigen Andeutung allerdings nicht an einer Gegen¬ partei fehlte, welche Pipin aus den italienischen Verhältnissen erwuchs. Egin- hard stellt den Widerstand der fränkischen Großen gegen den Longobardenzug als einen recht ernstlichen dar. Auch Bonifacius selbst fand Widerstand z. B.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/51>, abgerufen am 28.09.2024.