Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.fühlen, daß ihre Angst nicht unbegründet ist, und daß sie wirklich ihre Arbeit fühlen, daß ihre Angst nicht unbegründet ist, und daß sie wirklich ihre Arbeit <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0423" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/134241"/> <p xml:id="ID_1322" prev="#ID_1321"> fühlen, daß ihre Angst nicht unbegründet ist, und daß sie wirklich ihre Arbeit<lb/> nicht mehr verrichten können. Darum bitten wir Euer Gnaden, die Sache<lb/> in Ueberlegung zu ziehen." Der Fürst erwiderte: „Das ist eine überaus<lb/> seltsame Geschichte, die Ihr mir da erzählt. Indeß will ich diese Nacht selbst<lb/> in den Gemächern meiner Gemahlin bleiben und wachen. Ihr könnt mit<lb/> mir kommen." So blieb denn der hohe Herr diese Nacht in eigner Person<lb/> wach, und siehe da, in der Stunde der Ratte (um Mitternacht) brach ein<lb/> entsetzliches Getöse von Stimmen los, und plötzlich erschienen Sogoro und<lb/> seine Frau, an ihre verhängnißvollen Kreuze gebunden. Die Geister ergriffen<lb/> die Hand der Dame und sprachen: „Wir sind Dir entgegen gekommen.<lb/> Wohl sind die Schmerzen groß, welche Du jetzt leidest, aber sie sind nichts<lb/> gegen die in der Hölle, in die wir Dich bald abholen wollen." Bei diesen<lb/> Worten ergriff Herr Kotsuke no Suke sein Schwert, um einen gewaltigen<lb/> Streich damit nach den Gespenstern zu führen, aber ein lautes Gelächter<lb/> erschallte, und die Erscheinung war verschwunden. Entsetzt sandte der Fürst<lb/> seine Diener wieder zu allen Tempeln und Altären, um die Priester die<lb/> Dämonen wegbeten zu lassen, aber das schauerliche Geräusch dauerte fort, und<lb/> die Erscheinungen von Spukgestalten wurden in den Gemächern der Dame<lb/> immer häufiger und schrecklicher. Die Gespenster überhäuften sie mit Hohn<lb/> und heulten ihr zu, daß sie gekommen seien, sie abzuholen. Die Kammer¬<lb/> frauen schrieen auf und fielen in Ohnmacht, dann verschwanden die Geister<lb/> gewöhnlich mit lautem Lachen. Dies geschah allnächtlich, und jetzt zeigten<lb/> sich die Erscheinungen auch bei Hellem Tage. Die Krankheit der Herrin aber<lb/> wurde immer schlimmer, bis sie endlich in der letzten Minute des Jahres<lb/> vor Kummer und Angst starb. Nun fingen der Geist Sogoros und der<lb/> seiner gekreuzigten Frau an, Tag und Nacht dem Fürsten selber zu erscheinen.<lb/> Sie schwebten durch sein Zimmer und stierten ihn an mit ihren rothen<lb/> flammenden Augen. Den Dienstleuten standen vor Grausen die Haare zu<lb/> Berge, sobald sie aber nach den Gespenstern schlagen wollten, waren ihre<lb/> Glieder wie gelähmt, und weder Hände noch Füße gehorchten ihnen. Kotsukx<lb/> no Suke ergriff sein Schwert, welches über seinem Bette hing, aber jedes<lb/> Mal, wenn er dieß that, verschwanden die Geister, um bald nachher in<lb/> schauerlicherer Gestalt wieder zu kommen, bis auch er endlich nach Erschöpfung<lb/> seines Muthes und seiner Kräfte von Angst überwältigt wurde. Da gerieth<lb/> der ganze Haushalt in Verwirrung. Tag für Tag beteten Priester im Hause<lb/> und sprachen Bann- und Zauberformeln über Kohlenfeuern aus. Aber die<lb/> Erscheinungen wiederholten sich nur noch häufiger, die Geister spukten bald<lb/> auch im Zimmer des ältesten Sohnes des Fürsten, und wenn der letztere sich<lb/> anschickte, zum Schlosse des Taikuns zu gehen, konnte man hören, wie sie ihr<lb/> Rachegeschrei in der Vorhalle des Hauses erhoben.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0423]
fühlen, daß ihre Angst nicht unbegründet ist, und daß sie wirklich ihre Arbeit
nicht mehr verrichten können. Darum bitten wir Euer Gnaden, die Sache
in Ueberlegung zu ziehen." Der Fürst erwiderte: „Das ist eine überaus
seltsame Geschichte, die Ihr mir da erzählt. Indeß will ich diese Nacht selbst
in den Gemächern meiner Gemahlin bleiben und wachen. Ihr könnt mit
mir kommen." So blieb denn der hohe Herr diese Nacht in eigner Person
wach, und siehe da, in der Stunde der Ratte (um Mitternacht) brach ein
entsetzliches Getöse von Stimmen los, und plötzlich erschienen Sogoro und
seine Frau, an ihre verhängnißvollen Kreuze gebunden. Die Geister ergriffen
die Hand der Dame und sprachen: „Wir sind Dir entgegen gekommen.
Wohl sind die Schmerzen groß, welche Du jetzt leidest, aber sie sind nichts
gegen die in der Hölle, in die wir Dich bald abholen wollen." Bei diesen
Worten ergriff Herr Kotsuke no Suke sein Schwert, um einen gewaltigen
Streich damit nach den Gespenstern zu führen, aber ein lautes Gelächter
erschallte, und die Erscheinung war verschwunden. Entsetzt sandte der Fürst
seine Diener wieder zu allen Tempeln und Altären, um die Priester die
Dämonen wegbeten zu lassen, aber das schauerliche Geräusch dauerte fort, und
die Erscheinungen von Spukgestalten wurden in den Gemächern der Dame
immer häufiger und schrecklicher. Die Gespenster überhäuften sie mit Hohn
und heulten ihr zu, daß sie gekommen seien, sie abzuholen. Die Kammer¬
frauen schrieen auf und fielen in Ohnmacht, dann verschwanden die Geister
gewöhnlich mit lautem Lachen. Dies geschah allnächtlich, und jetzt zeigten
sich die Erscheinungen auch bei Hellem Tage. Die Krankheit der Herrin aber
wurde immer schlimmer, bis sie endlich in der letzten Minute des Jahres
vor Kummer und Angst starb. Nun fingen der Geist Sogoros und der
seiner gekreuzigten Frau an, Tag und Nacht dem Fürsten selber zu erscheinen.
Sie schwebten durch sein Zimmer und stierten ihn an mit ihren rothen
flammenden Augen. Den Dienstleuten standen vor Grausen die Haare zu
Berge, sobald sie aber nach den Gespenstern schlagen wollten, waren ihre
Glieder wie gelähmt, und weder Hände noch Füße gehorchten ihnen. Kotsukx
no Suke ergriff sein Schwert, welches über seinem Bette hing, aber jedes
Mal, wenn er dieß that, verschwanden die Geister, um bald nachher in
schauerlicherer Gestalt wieder zu kommen, bis auch er endlich nach Erschöpfung
seines Muthes und seiner Kräfte von Angst überwältigt wurde. Da gerieth
der ganze Haushalt in Verwirrung. Tag für Tag beteten Priester im Hause
und sprachen Bann- und Zauberformeln über Kohlenfeuern aus. Aber die
Erscheinungen wiederholten sich nur noch häufiger, die Geister spukten bald
auch im Zimmer des ältesten Sohnes des Fürsten, und wenn der letztere sich
anschickte, zum Schlosse des Taikuns zu gehen, konnte man hören, wie sie ihr
Rachegeschrei in der Vorhalle des Hauses erhoben.
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