Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.Scharfrichter ein Zeichen, der Sache ein Ende zu machen, damit Sogoro nicht Gegen das vierte Jahr der Zeitperiode Schoho wurde die Gemahlin des Scharfrichter ein Zeichen, der Sache ein Ende zu machen, damit Sogoro nicht Gegen das vierte Jahr der Zeitperiode Schoho wurde die Gemahlin des <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0422" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/134240"/> <p xml:id="ID_1320" prev="#ID_1319"> Scharfrichter ein Zeichen, der Sache ein Ende zu machen, damit Sogoro nicht<lb/> fortfahre, zu sprechen. So durchstach Schigajemon ihn zwölf bis dreizehn Mal,<lb/> bis er todt war. Und siehe, als er todt war, da wandte sich sein Kopf<lb/> herum und blickte nach dem Schlosse. Die beiden Räthe aber stiegen, als<lb/> sie das Wunder sahen, von ihren hohen Tribünen herab, knieten vor Sogoros<lb/> Leichnam nieder und sprachen: „Wie wohl du nur ein Bauer dieses Gutes<lb/> warst, ersannst und betriebst du doch einen hochherzigen Plan, um den andern<lb/> Pächtern in ihrer Noth beizustehen. Um ihretwillen hast du dich abgemüht<lb/> und gequält. Allein dadurch, daß du dich an den Taikun selbst wandtest,<lb/> begingst du ein schweres Verbrechen und zolltest deinem Vorgesetzten nicht<lb/> genügend Achtung, und so konntest du unmöglich unbestraft bleiben. Indeß<lb/> geben wir zu, daß es grausam war, dein Weib und deine Kinder vor deinen<lb/> Augen zu tödten. Was geschehen ist, ist geschehen, und das Bedauern nützt<lb/> nichts mehr. Allein deinem Geiste soll Ehre widerfahren. Du sollst heilig<lb/> gesprochen werden und zu den Schutzgöttern der Familie unseres Herrn ge¬<lb/> hören." Bei diesen Worten verneigten sich die beiden Räthe wiederholt vor<lb/> dem Todten. Als dem Herrn aber die Sache hinterbracht wurde, lachte er<lb/> spöttisch über den Einfall, daß der Haß eines Bauern dessen Lehensherrn<lb/> etwas anhaben könnte, und was dessen Heiligsprechung anlange, so solle er<lb/> bleiben, was er gewesen. Aber nicht lange währte es, so erfuhr er, daß,<lb/> wenn auch Sogoro todt war, dessen Rache doch lebendig blieb.</p><lb/> <p xml:id="ID_1321" next="#ID_1322"> Gegen das vierte Jahr der Zeitperiode Schoho wurde die Gemahlin des<lb/> Herrn Kotsuke no hüte, als sie guter Hoffnung war, von heftigen Schmerzen<lb/> ergriffen. Umsonst schickte man nach verschiedenen Kirchen und Kapellen, um<lb/> für sie beten zu lassen. Sie litt nach wie vor, und dazu kam, daß jede<lb/> Nacht in ihrem Zimmer ein übernatürlicher Schein sich sehen ließ, der von<lb/> einem teuflischen Lachen, zuweilen auch von Wehklagen, begleitet war, wie<lb/> wenn Tausende und aber Tausende von Menschen jammerten. Der Schrecken,<lb/> den sie darüber empfand, vermehrte ihre Leiden. Ihr Geheimrath, ein<lb/> bejahrter Mann, schlug dann neben ihrem Zimmer seine Wohnung auf, um<lb/> Wache zu halten. Plötzlich vernahm dieser ein Geräusch, wie wenn eine<lb/> Menge Menschen auf dem Breterdache über dem Zimmer seiner Gebieterin<lb/> hinschritte. Dann ließ sich ein Ton hören, wie wenn Männer und Frauen<lb/> weinten, und als der Rath, außer sich vor Entsetzen, noch nachsann, was<lb/> dieß wohl bedeuten möge, erscholl ein lautes wildes Lachen, und Alles war<lb/> wieder still. Am folgenden Morgen erschienen die Frauen, die dem Haus¬<lb/> halte der hohen Dame vorstanden, vor ihrem Herrn und sprachen: „Seit der<lb/> Mitte des letzten Monats haben die Aufwärterinnen sich bei uns über die<lb/> unheimlichen Töne beklagt, durch welche unsre Herrin nächtlich beunruhigt<lb/> wird, und sie behaupten, ihr nicht länger mehr dienen zu können. Wir</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0422]
Scharfrichter ein Zeichen, der Sache ein Ende zu machen, damit Sogoro nicht
fortfahre, zu sprechen. So durchstach Schigajemon ihn zwölf bis dreizehn Mal,
bis er todt war. Und siehe, als er todt war, da wandte sich sein Kopf
herum und blickte nach dem Schlosse. Die beiden Räthe aber stiegen, als
sie das Wunder sahen, von ihren hohen Tribünen herab, knieten vor Sogoros
Leichnam nieder und sprachen: „Wie wohl du nur ein Bauer dieses Gutes
warst, ersannst und betriebst du doch einen hochherzigen Plan, um den andern
Pächtern in ihrer Noth beizustehen. Um ihretwillen hast du dich abgemüht
und gequält. Allein dadurch, daß du dich an den Taikun selbst wandtest,
begingst du ein schweres Verbrechen und zolltest deinem Vorgesetzten nicht
genügend Achtung, und so konntest du unmöglich unbestraft bleiben. Indeß
geben wir zu, daß es grausam war, dein Weib und deine Kinder vor deinen
Augen zu tödten. Was geschehen ist, ist geschehen, und das Bedauern nützt
nichts mehr. Allein deinem Geiste soll Ehre widerfahren. Du sollst heilig
gesprochen werden und zu den Schutzgöttern der Familie unseres Herrn ge¬
hören." Bei diesen Worten verneigten sich die beiden Räthe wiederholt vor
dem Todten. Als dem Herrn aber die Sache hinterbracht wurde, lachte er
spöttisch über den Einfall, daß der Haß eines Bauern dessen Lehensherrn
etwas anhaben könnte, und was dessen Heiligsprechung anlange, so solle er
bleiben, was er gewesen. Aber nicht lange währte es, so erfuhr er, daß,
wenn auch Sogoro todt war, dessen Rache doch lebendig blieb.
Gegen das vierte Jahr der Zeitperiode Schoho wurde die Gemahlin des
Herrn Kotsuke no hüte, als sie guter Hoffnung war, von heftigen Schmerzen
ergriffen. Umsonst schickte man nach verschiedenen Kirchen und Kapellen, um
für sie beten zu lassen. Sie litt nach wie vor, und dazu kam, daß jede
Nacht in ihrem Zimmer ein übernatürlicher Schein sich sehen ließ, der von
einem teuflischen Lachen, zuweilen auch von Wehklagen, begleitet war, wie
wenn Tausende und aber Tausende von Menschen jammerten. Der Schrecken,
den sie darüber empfand, vermehrte ihre Leiden. Ihr Geheimrath, ein
bejahrter Mann, schlug dann neben ihrem Zimmer seine Wohnung auf, um
Wache zu halten. Plötzlich vernahm dieser ein Geräusch, wie wenn eine
Menge Menschen auf dem Breterdache über dem Zimmer seiner Gebieterin
hinschritte. Dann ließ sich ein Ton hören, wie wenn Männer und Frauen
weinten, und als der Rath, außer sich vor Entsetzen, noch nachsann, was
dieß wohl bedeuten möge, erscholl ein lautes wildes Lachen, und Alles war
wieder still. Am folgenden Morgen erschienen die Frauen, die dem Haus¬
halte der hohen Dame vorstanden, vor ihrem Herrn und sprachen: „Seit der
Mitte des letzten Monats haben die Aufwärterinnen sich bei uns über die
unheimlichen Töne beklagt, durch welche unsre Herrin nächtlich beunruhigt
wird, und sie behaupten, ihr nicht länger mehr dienen zu können. Wir
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