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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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gänzlicher Täuschung über die ihm wirklich zu Gebote stehende Macht möglich
erträumte, ganz Sachsen mit einem Grimme wider Adalbert und Heinrich IV,
der beider Verhängniß werden sollte, und verbanden sich die übrigen Fürsten
und Landgebiete zu einem ersten offnen Sturme wider Heinrich's Königs¬
herrschaft. Als 1065 Adalbert Heinrich für waffenfähig und regierungs¬
selbständig erklären ließ, traten die Grafen des Reiches wieder einmal zu
Tribur zusammen und nöthigten Heinrich durch die Drohung seiner Absetzung
zur Entlassung seines Lieblings, des Adalbert von Bremen. Für die Sachsen
war das das Signal, die Macht Adalberr's im Sachsenlande zu vernichten,
daß sie selbst seine Landgüter verwüsteten oder sich aneigneten.

Die Wuth gegen die Sachsen im Herzen dachte Heinrich von nun an
auf nichts so sehr als auf Rache an ihnen. Als er nach der Aechtung Otto's
von Nordheim und dessen Entsetzung vom Herzogthum Baiern, das Wels
übergeben ward, im Kampfe wider Otto und dessen Bundesgenossen, den Herzog
von Sachsen, diesen gefangen nahm, die sächsischen Bauern und Großen in Einem
Aufstande den König von Goslar und der Harzburg vertrieben, dann seine
"Burgen längs der ganzen sächsisch-fränkischen Linie zerbrachen und selbst die
Gebeine seines Kindes im Grabe nicht schonten, da brach jener Kampf los,
in dessen Verlauf 1073--1076 Papst Gregor VII. sich auf Anruf von Sachsen
auf deren Seite wider Heinrich stellte, als ihm die Zeit gekommen schien, in
Verfolgung der Tendenzen Clugny's, das Papstthum über das Kaiserthum
zu erheben.

Die Päpste hatten seit Clemens II. (Luidger von Bamberg), dem ersten
tüchtigen (Deutschen), den Heinrich III. in seiner Ergebenheit gegen die Kirche
an deren Spitze gestellt hatte, auf Wiederaufrichtung der Kirche hingearbeitet,
Clemens II. und Leo IX., namentlich letzterer, Synoden auf Synoden wider
die Simonie gehalten, das innige Verhältniß mit Clugny gepflegt. Seit
Leo IX., der auch bereits wider die Priesterehe auftrat, war dabei der Haupt¬
leiter ver päpstlichen Entwürfe der Mönch Hildebrand, der an seiner Ver¬
bannung, die er freiwillig mit Gregor VI. antrat, sowohl Clugny selbst auf¬
gesucht als auch sich mit den Verhältnissen des deutschen Reichs durch persön¬
liche Anschauung vertraut gemacht hatte. Er trat Leo IX., als dieser über
die Alpen herüber kam, mit der Forderung entgegen, daß Leo IX. seine Wahl
noch nachträglich vom Clerus und Volk in Rom bewirken lassen müsse, wenn
Hildebrand ihn anerkennen solle. Ein Hauptfortschritt aber in der Befreiung
des Papstthums kam unter Papst Nikolaus II., der einmal auf dem sog.
Lateranenstschen Konzil von 1059 die freie Wahl des Papstes durch das
Kardinals-Kollegium aufstellte und sodann das schon von Leo IX. angebahnte
Verhältniß zwischen Papst und der Normannenherrschaft in Süditalien dahin
regelte, daß die Normannen ebenfalls die Fürstenkrone vom Papste mit der


gänzlicher Täuschung über die ihm wirklich zu Gebote stehende Macht möglich
erträumte, ganz Sachsen mit einem Grimme wider Adalbert und Heinrich IV,
der beider Verhängniß werden sollte, und verbanden sich die übrigen Fürsten
und Landgebiete zu einem ersten offnen Sturme wider Heinrich's Königs¬
herrschaft. Als 1065 Adalbert Heinrich für waffenfähig und regierungs¬
selbständig erklären ließ, traten die Grafen des Reiches wieder einmal zu
Tribur zusammen und nöthigten Heinrich durch die Drohung seiner Absetzung
zur Entlassung seines Lieblings, des Adalbert von Bremen. Für die Sachsen
war das das Signal, die Macht Adalberr's im Sachsenlande zu vernichten,
daß sie selbst seine Landgüter verwüsteten oder sich aneigneten.

Die Wuth gegen die Sachsen im Herzen dachte Heinrich von nun an
auf nichts so sehr als auf Rache an ihnen. Als er nach der Aechtung Otto's
von Nordheim und dessen Entsetzung vom Herzogthum Baiern, das Wels
übergeben ward, im Kampfe wider Otto und dessen Bundesgenossen, den Herzog
von Sachsen, diesen gefangen nahm, die sächsischen Bauern und Großen in Einem
Aufstande den König von Goslar und der Harzburg vertrieben, dann seine
«Burgen längs der ganzen sächsisch-fränkischen Linie zerbrachen und selbst die
Gebeine seines Kindes im Grabe nicht schonten, da brach jener Kampf los,
in dessen Verlauf 1073—1076 Papst Gregor VII. sich auf Anruf von Sachsen
auf deren Seite wider Heinrich stellte, als ihm die Zeit gekommen schien, in
Verfolgung der Tendenzen Clugny's, das Papstthum über das Kaiserthum
zu erheben.

Die Päpste hatten seit Clemens II. (Luidger von Bamberg), dem ersten
tüchtigen (Deutschen), den Heinrich III. in seiner Ergebenheit gegen die Kirche
an deren Spitze gestellt hatte, auf Wiederaufrichtung der Kirche hingearbeitet,
Clemens II. und Leo IX., namentlich letzterer, Synoden auf Synoden wider
die Simonie gehalten, das innige Verhältniß mit Clugny gepflegt. Seit
Leo IX., der auch bereits wider die Priesterehe auftrat, war dabei der Haupt¬
leiter ver päpstlichen Entwürfe der Mönch Hildebrand, der an seiner Ver¬
bannung, die er freiwillig mit Gregor VI. antrat, sowohl Clugny selbst auf¬
gesucht als auch sich mit den Verhältnissen des deutschen Reichs durch persön¬
liche Anschauung vertraut gemacht hatte. Er trat Leo IX., als dieser über
die Alpen herüber kam, mit der Forderung entgegen, daß Leo IX. seine Wahl
noch nachträglich vom Clerus und Volk in Rom bewirken lassen müsse, wenn
Hildebrand ihn anerkennen solle. Ein Hauptfortschritt aber in der Befreiung
des Papstthums kam unter Papst Nikolaus II., der einmal auf dem sog.
Lateranenstschen Konzil von 1059 die freie Wahl des Papstes durch das
Kardinals-Kollegium aufstellte und sodann das schon von Leo IX. angebahnte
Verhältniß zwischen Papst und der Normannenherrschaft in Süditalien dahin
regelte, daß die Normannen ebenfalls die Fürstenkrone vom Papste mit der


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[0151] gänzlicher Täuschung über die ihm wirklich zu Gebote stehende Macht möglich erträumte, ganz Sachsen mit einem Grimme wider Adalbert und Heinrich IV, der beider Verhängniß werden sollte, und verbanden sich die übrigen Fürsten und Landgebiete zu einem ersten offnen Sturme wider Heinrich's Königs¬ herrschaft. Als 1065 Adalbert Heinrich für waffenfähig und regierungs¬ selbständig erklären ließ, traten die Grafen des Reiches wieder einmal zu Tribur zusammen und nöthigten Heinrich durch die Drohung seiner Absetzung zur Entlassung seines Lieblings, des Adalbert von Bremen. Für die Sachsen war das das Signal, die Macht Adalberr's im Sachsenlande zu vernichten, daß sie selbst seine Landgüter verwüsteten oder sich aneigneten. Die Wuth gegen die Sachsen im Herzen dachte Heinrich von nun an auf nichts so sehr als auf Rache an ihnen. Als er nach der Aechtung Otto's von Nordheim und dessen Entsetzung vom Herzogthum Baiern, das Wels übergeben ward, im Kampfe wider Otto und dessen Bundesgenossen, den Herzog von Sachsen, diesen gefangen nahm, die sächsischen Bauern und Großen in Einem Aufstande den König von Goslar und der Harzburg vertrieben, dann seine «Burgen längs der ganzen sächsisch-fränkischen Linie zerbrachen und selbst die Gebeine seines Kindes im Grabe nicht schonten, da brach jener Kampf los, in dessen Verlauf 1073—1076 Papst Gregor VII. sich auf Anruf von Sachsen auf deren Seite wider Heinrich stellte, als ihm die Zeit gekommen schien, in Verfolgung der Tendenzen Clugny's, das Papstthum über das Kaiserthum zu erheben. Die Päpste hatten seit Clemens II. (Luidger von Bamberg), dem ersten tüchtigen (Deutschen), den Heinrich III. in seiner Ergebenheit gegen die Kirche an deren Spitze gestellt hatte, auf Wiederaufrichtung der Kirche hingearbeitet, Clemens II. und Leo IX., namentlich letzterer, Synoden auf Synoden wider die Simonie gehalten, das innige Verhältniß mit Clugny gepflegt. Seit Leo IX., der auch bereits wider die Priesterehe auftrat, war dabei der Haupt¬ leiter ver päpstlichen Entwürfe der Mönch Hildebrand, der an seiner Ver¬ bannung, die er freiwillig mit Gregor VI. antrat, sowohl Clugny selbst auf¬ gesucht als auch sich mit den Verhältnissen des deutschen Reichs durch persön¬ liche Anschauung vertraut gemacht hatte. Er trat Leo IX., als dieser über die Alpen herüber kam, mit der Forderung entgegen, daß Leo IX. seine Wahl noch nachträglich vom Clerus und Volk in Rom bewirken lassen müsse, wenn Hildebrand ihn anerkennen solle. Ein Hauptfortschritt aber in der Befreiung des Papstthums kam unter Papst Nikolaus II., der einmal auf dem sog. Lateranenstschen Konzil von 1059 die freie Wahl des Papstes durch das Kardinals-Kollegium aufstellte und sodann das schon von Leo IX. angebahnte Verhältniß zwischen Papst und der Normannenherrschaft in Süditalien dahin regelte, daß die Normannen ebenfalls die Fürstenkrone vom Papste mit der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/151>, abgerufen am 28.09.2024.