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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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IädeKer in Syrien.

Bädeker am Rhein -- Bädeker in Oesterreich, in Süd- und Norddeutsch¬
land, in Italien, in Frankreich, kurz in allen Gegenden Europas, in die sich
der Strom der deutschen Reisenden vermögender Classe vorzugsweise ergießt --
wer kennte es nicht, das rothe Buch des vielgewanderten modernen Odysseus
mit seinen immer dankenswerthen Fingerzeigen, seinen stets begründeten
Warnungen, seinen nie fehlenden Rathschlägen für jede Absicht, jede Verlegen¬
heit und jede Gefahr der Touristenwelt? Von Bädeker hör. vor mehr als
dritthalb Jahrzehnten mit ehrlichem, gewissenhaften Geiste begonnen, ist es von
Bädekerjun. in gleichem Geiste fortgeführt worden und bis heute ein Segen
geblieben. Tausenden war es ein Schatzkästlein, ein Compaß, ein getreuer Eckart
an Scheidewegen. Tausende und aber Tausende danken ihm, daß sie ihre Reise
mit Nutzen und Behagen machten, und ebenso viele, daß sie auf derselben
nicht in die Schlingen geriethen, die ihnen und ihrem Beutel von Gastwirthen,
wie den Besitzern des goldnen Truthahns und des blauen Haifisches gelegt
* waren. Ja man kann behaupten, daß das Buch eine förmliche Reformation
dieser Institute bewirkt hat, von denen nur zu viele früher die Kunst des
Prellens aus dem Grunde verstanden und übten. Vielfach nachgeahmt, ist
es doch nie erreicht, geschweige denn übertroffen worden. Wollte es altern,
so wurde zu rechter Zeit für Verjüngung in einer neuen Auflage gesorgt,
und mit jeder Auflage wurde es reichhaltiger und vollständiger.

So freuen wir uns von Herzen, daß Odysseus jetzt die Grenzen Europas
überschritten hat und unter die Syrer und Araber gegangen ist, um uns auch
für Reisen zu diesen ein Wegweiser und Lehrer zu werden. Das Bedürfniß
eines solchen wird zwar für Deutschland nicht groß sein; denn während Eng¬
länder und Amerikaner, pecuniär günstiger gestellt als wir, den Orient jährlich
zu Tausenden bereisen, mag die Zahl der Deutschen, welche dorthin gehen,
im Jahr schwerlich hundert erreichen, und. während es in London und New-
York geradezu zur Erziehung und zum guten Ton gehört, daß ein junger
Mann die Pyramiden bestiegen, das heilige Land durchzogen hat und über
den Libanon nach Damaskus gepilgert ist. sind wir noch weit davon entfernt,
an unsre Jugend solche Anforderungen zu stellen. Ein glänzendes Geschäft
wird daher mit dem Buche wohl nicht und um so weniger gemacht werden, als
die Herstellung desselben selbstverständlich kostspieliger gewesen sein muß, als
die derjenigen Bände, die näher gelegene Gegenden behandeln. Indeß verdient
das Unternehmen deshalb nur umsomehr unsere Anerkennung. Die Samm¬
lung deutscher Reiseführer, die uns Bädeker geschaffen, wird dadurch mehr
und mehr zum Weltbuch, und diejenigen unsrer Landsleute, welche das Morgig


IädeKer in Syrien.

Bädeker am Rhein — Bädeker in Oesterreich, in Süd- und Norddeutsch¬
land, in Italien, in Frankreich, kurz in allen Gegenden Europas, in die sich
der Strom der deutschen Reisenden vermögender Classe vorzugsweise ergießt —
wer kennte es nicht, das rothe Buch des vielgewanderten modernen Odysseus
mit seinen immer dankenswerthen Fingerzeigen, seinen stets begründeten
Warnungen, seinen nie fehlenden Rathschlägen für jede Absicht, jede Verlegen¬
heit und jede Gefahr der Touristenwelt? Von Bädeker hör. vor mehr als
dritthalb Jahrzehnten mit ehrlichem, gewissenhaften Geiste begonnen, ist es von
Bädekerjun. in gleichem Geiste fortgeführt worden und bis heute ein Segen
geblieben. Tausenden war es ein Schatzkästlein, ein Compaß, ein getreuer Eckart
an Scheidewegen. Tausende und aber Tausende danken ihm, daß sie ihre Reise
mit Nutzen und Behagen machten, und ebenso viele, daß sie auf derselben
nicht in die Schlingen geriethen, die ihnen und ihrem Beutel von Gastwirthen,
wie den Besitzern des goldnen Truthahns und des blauen Haifisches gelegt
* waren. Ja man kann behaupten, daß das Buch eine förmliche Reformation
dieser Institute bewirkt hat, von denen nur zu viele früher die Kunst des
Prellens aus dem Grunde verstanden und übten. Vielfach nachgeahmt, ist
es doch nie erreicht, geschweige denn übertroffen worden. Wollte es altern,
so wurde zu rechter Zeit für Verjüngung in einer neuen Auflage gesorgt,
und mit jeder Auflage wurde es reichhaltiger und vollständiger.

So freuen wir uns von Herzen, daß Odysseus jetzt die Grenzen Europas
überschritten hat und unter die Syrer und Araber gegangen ist, um uns auch
für Reisen zu diesen ein Wegweiser und Lehrer zu werden. Das Bedürfniß
eines solchen wird zwar für Deutschland nicht groß sein; denn während Eng¬
länder und Amerikaner, pecuniär günstiger gestellt als wir, den Orient jährlich
zu Tausenden bereisen, mag die Zahl der Deutschen, welche dorthin gehen,
im Jahr schwerlich hundert erreichen, und. während es in London und New-
York geradezu zur Erziehung und zum guten Ton gehört, daß ein junger
Mann die Pyramiden bestiegen, das heilige Land durchzogen hat und über
den Libanon nach Damaskus gepilgert ist. sind wir noch weit davon entfernt,
an unsre Jugend solche Anforderungen zu stellen. Ein glänzendes Geschäft
wird daher mit dem Buche wohl nicht und um so weniger gemacht werden, als
die Herstellung desselben selbstverständlich kostspieliger gewesen sein muß, als
die derjenigen Bände, die näher gelegene Gegenden behandeln. Indeß verdient
das Unternehmen deshalb nur umsomehr unsere Anerkennung. Die Samm¬
lung deutscher Reiseführer, die uns Bädeker geschaffen, wird dadurch mehr
und mehr zum Weltbuch, und diejenigen unsrer Landsleute, welche das Morgig


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[0123] IädeKer in Syrien. Bädeker am Rhein — Bädeker in Oesterreich, in Süd- und Norddeutsch¬ land, in Italien, in Frankreich, kurz in allen Gegenden Europas, in die sich der Strom der deutschen Reisenden vermögender Classe vorzugsweise ergießt — wer kennte es nicht, das rothe Buch des vielgewanderten modernen Odysseus mit seinen immer dankenswerthen Fingerzeigen, seinen stets begründeten Warnungen, seinen nie fehlenden Rathschlägen für jede Absicht, jede Verlegen¬ heit und jede Gefahr der Touristenwelt? Von Bädeker hör. vor mehr als dritthalb Jahrzehnten mit ehrlichem, gewissenhaften Geiste begonnen, ist es von Bädekerjun. in gleichem Geiste fortgeführt worden und bis heute ein Segen geblieben. Tausenden war es ein Schatzkästlein, ein Compaß, ein getreuer Eckart an Scheidewegen. Tausende und aber Tausende danken ihm, daß sie ihre Reise mit Nutzen und Behagen machten, und ebenso viele, daß sie auf derselben nicht in die Schlingen geriethen, die ihnen und ihrem Beutel von Gastwirthen, wie den Besitzern des goldnen Truthahns und des blauen Haifisches gelegt * waren. Ja man kann behaupten, daß das Buch eine förmliche Reformation dieser Institute bewirkt hat, von denen nur zu viele früher die Kunst des Prellens aus dem Grunde verstanden und übten. Vielfach nachgeahmt, ist es doch nie erreicht, geschweige denn übertroffen worden. Wollte es altern, so wurde zu rechter Zeit für Verjüngung in einer neuen Auflage gesorgt, und mit jeder Auflage wurde es reichhaltiger und vollständiger. So freuen wir uns von Herzen, daß Odysseus jetzt die Grenzen Europas überschritten hat und unter die Syrer und Araber gegangen ist, um uns auch für Reisen zu diesen ein Wegweiser und Lehrer zu werden. Das Bedürfniß eines solchen wird zwar für Deutschland nicht groß sein; denn während Eng¬ länder und Amerikaner, pecuniär günstiger gestellt als wir, den Orient jährlich zu Tausenden bereisen, mag die Zahl der Deutschen, welche dorthin gehen, im Jahr schwerlich hundert erreichen, und. während es in London und New- York geradezu zur Erziehung und zum guten Ton gehört, daß ein junger Mann die Pyramiden bestiegen, das heilige Land durchzogen hat und über den Libanon nach Damaskus gepilgert ist. sind wir noch weit davon entfernt, an unsre Jugend solche Anforderungen zu stellen. Ein glänzendes Geschäft wird daher mit dem Buche wohl nicht und um so weniger gemacht werden, als die Herstellung desselben selbstverständlich kostspieliger gewesen sein muß, als die derjenigen Bände, die näher gelegene Gegenden behandeln. Indeß verdient das Unternehmen deshalb nur umsomehr unsere Anerkennung. Die Samm¬ lung deutscher Reiseführer, die uns Bädeker geschaffen, wird dadurch mehr und mehr zum Weltbuch, und diejenigen unsrer Landsleute, welche das Morgig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/123>, abgerufen am 28.09.2024.