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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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eingezogen ist. seine bisherige Rolle fortspielen, was den täglichen Verkehr
anlangt. Viel schlechtere Geldsorten als die guten und vertrauten Silber¬
thaler hat sich der Verkehr gefallen lassen müssen in Form wilder Kassenscheine,
obwohl nicht nur keine Verpflichtung der Annahme, sondern sogar das Ver¬
bot derselben existirte. Aber wer getraut sich schlechtes Geld zurückzuweisen,
wenn die Folge der Zurückweisung ist, daß das Geschäft rückgängig gemacht
wird oder daß die Zahlung ins Unbestimmte verschoben wird? Es war
einer der handgreiflichsten Irrthümer der früheren Manchesterschule, daß der
Verkehr aus eigner Kraft sich der schlechten Geldsorten erwehren könne.
Hier handelt es sich nun vollends um eine gute Geldsorte. Dennoch hat das
Gesetz seine Bedeutung, denn für die eigentlich großen Zahlungen macht es
den Thaler allerdings unanwendbar. Daß die Durchführung der Goldwäh¬
rung überdies keine Gefahren mehr hat. legte der Bundesbevollmächtigte
Camphausen mit berechtigter Selbstzufriedenheit dar, ohne freilich auf den
Einwand Sonnemann's eine Antwort zu haben, daß die während einer ge¬
wissen Periode nicht vermiedene Häufung der Umlaufsmittel das Ihrige zum
Sinken des Geldwerthes beigetragen habe.

In den übrigen Sitzungen dieser Woche ist zunächst der Reichshaushalt
erledigt worden, wobei die beiden neuen Steuern verworfen, das Defizit durch
eine erhöhte Jneinnahmestellurig verschiedener Posten nach Vorschlägen des
Abgeordneten Richter entfernt worden ist. wohl gemerkt: auf dem Papier
entfernt. Die Vertreter der Reichsregierung haben sich jedoch gefügt, dem
Reichstag die Verantwortlichkeit überlassend für das erhebliche Defizit, dem
er sich möglicherweise im nächsten Jahr gegenüber befinden wird.

Am 17. Dezember wurde ein Gesetz, welches eine Bestimmung der jetzt
bestehenden Brausteuer abändert, berathen. In Metningen, Gotha und Reuß
ältere Linie wird nämlich ein Zuschlag zur Reichsbrausteuer erhoben, dessen
Berechtigung mit dem nächsten Jahr außer Kraft tritt. Die Regierungs¬
vorlage wollte die Berechtigung zur Erhebung dieses Zuschlages bis auf
Weiteres, d. h. bis zum Erlaß einer neuen reichsgesetzlichen Bestimmung er¬
strecken. Durch die Bemühung des Abgeordneten Laster wurde der Zuschlag
indeß nur auf Ein weiteres Jahr bewilligt. Wir hätten diesen Gesetzentwurf
füglich übergehen dürfen, wenn er nicht dem Abgeordneten A. Reichensperger
Anlaß zu einer interessanten Elegie auf die Bierverfälschung gegeben hätte.
Glycerin, Herbstzeitlose, Kockelskörner und Pikrinsäure sind eine böse Vier,
aber keineswegs die Vollzahl der Bierverfälschungsmittel. Nimmt man doch
zum Berliner Weißbier selbst Schwefelsäure. So beklagenswert!) das Thema
^, so hatten wir doch einigermaßen den Eindruck, als verlange Herrn Reichen¬
sperger bereits nach dem wohlthuenden Erfolg, den er unmittelbar darauf mit
dem Vortrag über das Kunstgewerbe erreichte, im Sinne der ganzen Ver-


eingezogen ist. seine bisherige Rolle fortspielen, was den täglichen Verkehr
anlangt. Viel schlechtere Geldsorten als die guten und vertrauten Silber¬
thaler hat sich der Verkehr gefallen lassen müssen in Form wilder Kassenscheine,
obwohl nicht nur keine Verpflichtung der Annahme, sondern sogar das Ver¬
bot derselben existirte. Aber wer getraut sich schlechtes Geld zurückzuweisen,
wenn die Folge der Zurückweisung ist, daß das Geschäft rückgängig gemacht
wird oder daß die Zahlung ins Unbestimmte verschoben wird? Es war
einer der handgreiflichsten Irrthümer der früheren Manchesterschule, daß der
Verkehr aus eigner Kraft sich der schlechten Geldsorten erwehren könne.
Hier handelt es sich nun vollends um eine gute Geldsorte. Dennoch hat das
Gesetz seine Bedeutung, denn für die eigentlich großen Zahlungen macht es
den Thaler allerdings unanwendbar. Daß die Durchführung der Goldwäh¬
rung überdies keine Gefahren mehr hat. legte der Bundesbevollmächtigte
Camphausen mit berechtigter Selbstzufriedenheit dar, ohne freilich auf den
Einwand Sonnemann's eine Antwort zu haben, daß die während einer ge¬
wissen Periode nicht vermiedene Häufung der Umlaufsmittel das Ihrige zum
Sinken des Geldwerthes beigetragen habe.

In den übrigen Sitzungen dieser Woche ist zunächst der Reichshaushalt
erledigt worden, wobei die beiden neuen Steuern verworfen, das Defizit durch
eine erhöhte Jneinnahmestellurig verschiedener Posten nach Vorschlägen des
Abgeordneten Richter entfernt worden ist. wohl gemerkt: auf dem Papier
entfernt. Die Vertreter der Reichsregierung haben sich jedoch gefügt, dem
Reichstag die Verantwortlichkeit überlassend für das erhebliche Defizit, dem
er sich möglicherweise im nächsten Jahr gegenüber befinden wird.

Am 17. Dezember wurde ein Gesetz, welches eine Bestimmung der jetzt
bestehenden Brausteuer abändert, berathen. In Metningen, Gotha und Reuß
ältere Linie wird nämlich ein Zuschlag zur Reichsbrausteuer erhoben, dessen
Berechtigung mit dem nächsten Jahr außer Kraft tritt. Die Regierungs¬
vorlage wollte die Berechtigung zur Erhebung dieses Zuschlages bis auf
Weiteres, d. h. bis zum Erlaß einer neuen reichsgesetzlichen Bestimmung er¬
strecken. Durch die Bemühung des Abgeordneten Laster wurde der Zuschlag
indeß nur auf Ein weiteres Jahr bewilligt. Wir hätten diesen Gesetzentwurf
füglich übergehen dürfen, wenn er nicht dem Abgeordneten A. Reichensperger
Anlaß zu einer interessanten Elegie auf die Bierverfälschung gegeben hätte.
Glycerin, Herbstzeitlose, Kockelskörner und Pikrinsäure sind eine böse Vier,
aber keineswegs die Vollzahl der Bierverfälschungsmittel. Nimmt man doch
zum Berliner Weißbier selbst Schwefelsäure. So beklagenswert!) das Thema
^, so hatten wir doch einigermaßen den Eindruck, als verlange Herrn Reichen¬
sperger bereits nach dem wohlthuenden Erfolg, den er unmittelbar darauf mit
dem Vortrag über das Kunstgewerbe erreichte, im Sinne der ganzen Ver-


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[0519] eingezogen ist. seine bisherige Rolle fortspielen, was den täglichen Verkehr anlangt. Viel schlechtere Geldsorten als die guten und vertrauten Silber¬ thaler hat sich der Verkehr gefallen lassen müssen in Form wilder Kassenscheine, obwohl nicht nur keine Verpflichtung der Annahme, sondern sogar das Ver¬ bot derselben existirte. Aber wer getraut sich schlechtes Geld zurückzuweisen, wenn die Folge der Zurückweisung ist, daß das Geschäft rückgängig gemacht wird oder daß die Zahlung ins Unbestimmte verschoben wird? Es war einer der handgreiflichsten Irrthümer der früheren Manchesterschule, daß der Verkehr aus eigner Kraft sich der schlechten Geldsorten erwehren könne. Hier handelt es sich nun vollends um eine gute Geldsorte. Dennoch hat das Gesetz seine Bedeutung, denn für die eigentlich großen Zahlungen macht es den Thaler allerdings unanwendbar. Daß die Durchführung der Goldwäh¬ rung überdies keine Gefahren mehr hat. legte der Bundesbevollmächtigte Camphausen mit berechtigter Selbstzufriedenheit dar, ohne freilich auf den Einwand Sonnemann's eine Antwort zu haben, daß die während einer ge¬ wissen Periode nicht vermiedene Häufung der Umlaufsmittel das Ihrige zum Sinken des Geldwerthes beigetragen habe. In den übrigen Sitzungen dieser Woche ist zunächst der Reichshaushalt erledigt worden, wobei die beiden neuen Steuern verworfen, das Defizit durch eine erhöhte Jneinnahmestellurig verschiedener Posten nach Vorschlägen des Abgeordneten Richter entfernt worden ist. wohl gemerkt: auf dem Papier entfernt. Die Vertreter der Reichsregierung haben sich jedoch gefügt, dem Reichstag die Verantwortlichkeit überlassend für das erhebliche Defizit, dem er sich möglicherweise im nächsten Jahr gegenüber befinden wird. Am 17. Dezember wurde ein Gesetz, welches eine Bestimmung der jetzt bestehenden Brausteuer abändert, berathen. In Metningen, Gotha und Reuß ältere Linie wird nämlich ein Zuschlag zur Reichsbrausteuer erhoben, dessen Berechtigung mit dem nächsten Jahr außer Kraft tritt. Die Regierungs¬ vorlage wollte die Berechtigung zur Erhebung dieses Zuschlages bis auf Weiteres, d. h. bis zum Erlaß einer neuen reichsgesetzlichen Bestimmung er¬ strecken. Durch die Bemühung des Abgeordneten Laster wurde der Zuschlag indeß nur auf Ein weiteres Jahr bewilligt. Wir hätten diesen Gesetzentwurf füglich übergehen dürfen, wenn er nicht dem Abgeordneten A. Reichensperger Anlaß zu einer interessanten Elegie auf die Bierverfälschung gegeben hätte. Glycerin, Herbstzeitlose, Kockelskörner und Pikrinsäure sind eine böse Vier, aber keineswegs die Vollzahl der Bierverfälschungsmittel. Nimmt man doch zum Berliner Weißbier selbst Schwefelsäure. So beklagenswert!) das Thema ^, so hatten wir doch einigermaßen den Eindruck, als verlange Herrn Reichen¬ sperger bereits nach dem wohlthuenden Erfolg, den er unmittelbar darauf mit dem Vortrag über das Kunstgewerbe erreichte, im Sinne der ganzen Ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/519>, abgerufen am 22.07.2024.