Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.Fuß auf den Nacken setzte. In Deutschland hatten wir während der letzten Recht lehrreich ist in dieser Beziehung auch das Studium der jüngeren Ihren vollen Ausdruck hat die Verquickung des Klerikalismus mit dem Fuß auf den Nacken setzte. In Deutschland hatten wir während der letzten Recht lehrreich ist in dieser Beziehung auch das Studium der jüngeren Ihren vollen Ausdruck hat die Verquickung des Klerikalismus mit dem <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0513" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/134859"/> <p xml:id="ID_1559" prev="#ID_1558"> Fuß auf den Nacken setzte. In Deutschland hatten wir während der letzten<lb/> Jahre wiederholt Ursache, an dem sprichwörtlichen strategischen Talent der<lb/> Jesuiten einigermaßen zu zweifeln, in Frankreich dagegen haben dieselben mit<lb/> alter Virtuosität opertrt. Die Ausbeutung des nationalen Chauvinismus<lb/> für ihre Sache war ein Meisterstreich. Dieselbe ist nun schon zur feststehenden<lb/> Institution geworden. Nicht nur die großen „Nationalwallfahrten" nach<lb/> Lourdes und Paray-le-Monial. zu welchen in der Hauptstadt durch riesige<lb/> Plakate unter Ankündigung ermäßigter Eisenbahnpreise eingeladen wird,<lb/> sondern auch die gewöhnlichen Kirmessen müssen diesem Zwecke dienen. So<lb/> sah ich Anfang September in Se. Cloud mannshohe Anschlagzettel, welche<lb/> für das achttägige Fest des Heiligen der Stadt zur Wallfahrt einluden und<lb/> „völligen Ablaß" anboten, dies Alles aber unter besonderer Hervorhebung<lb/> der Loosung: „?our 1s reveil as 1a toi et 1s Salut as 1adralles.« Zur<lb/> Erleichterung der Pilgerfahrten wurde ein Ertradampfschiffdienst eingerichtet<lb/> und 8 Tage lang hallte von den lachenden Ufern der Seine der Kehrreim<lb/> des bekannten Liedes wieder: „8z,roe2, sauve? Roms se 1a Francs!"</p><lb/> <p xml:id="ID_1560"> Recht lehrreich ist in dieser Beziehung auch das Studium der jüngeren<lb/> unter den zahllosen Votivtafeln. mit denen die Wände der Kirche Notrs vains<lb/> <1«s vietoirss in Paris bedeckt sind, jener Kirche, welche zur Feier der Be¬<lb/> siegung der Hugenotten errichtet wurde. Ganz unverkennbar drückt sich die<lb/> Freude über die ersten Triumphe des Ultramontanismus z. B. in folgender<lb/> Inschrift aus -. «Nerei, ses. Vierte, vous avs- sauvs notre lioimsur!<lb/> 1871 — 1872." Schade nur. daß jene frommen Pilger deutscher Zunge,<lb/> welche im September nach Lourdes wallfahrteten. an der Ausführung ihrer<lb/> Absicht, zur besseren Illustration ihres Patriotismus in N. v. äos victoirss<lb/> ebenfalls eine Tafel zu stiften, verhindert wurden!</p><lb/> <p xml:id="ID_1561" next="#ID_1562"> Ihren vollen Ausdruck hat die Verquickung des Klerikalismus mit dem<lb/> Chauvinismus in dem neubelebten und gewaltig aufgebauschten Herz-Jesu-<lb/> Kultus gefunden. Wie vornehm auch die radicale und liberale Pariser<lb/> Journalistik dies Treiben belächelte, die Hauptstadt mußte es sich doch ge¬<lb/> fallen lassen, zum Tummelplatz des höchsten Triumphes dieses grandiosen<lb/> Jesuitenschwindels gemacht zu werden. Mit der Grundsteinlegung der Herz-<lb/> Jesu-Kirche auf dem Montmartre am 16. Juli d. I. wurde bekanntlich zu¬<lb/> gleich ganz Frankreich dem „heiligen Herzen" geweiht. Noch fand ich freilich<lb/> die Stätte des in den großartigsten Verhältnissen geplanten Tempels öde und<lb/> leer und profane Zungen wußten Allerlei zu erzählen von mangelnder Opfer¬<lb/> willigkeit der Gläubigen und dem entsprechend sehr geringer Aussicht, den<lb/> Bau zur Ausführung zu bringen. Ich bin aber der Ansicht des Windmüllers<lb/> der benachbarten „valstts". welcher meinte: „Wenn diese Herren das Geld<lb/> haben wollen, so haben sie es auch." Auf jenem Punkte, der wie keine</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0513]
Fuß auf den Nacken setzte. In Deutschland hatten wir während der letzten
Jahre wiederholt Ursache, an dem sprichwörtlichen strategischen Talent der
Jesuiten einigermaßen zu zweifeln, in Frankreich dagegen haben dieselben mit
alter Virtuosität opertrt. Die Ausbeutung des nationalen Chauvinismus
für ihre Sache war ein Meisterstreich. Dieselbe ist nun schon zur feststehenden
Institution geworden. Nicht nur die großen „Nationalwallfahrten" nach
Lourdes und Paray-le-Monial. zu welchen in der Hauptstadt durch riesige
Plakate unter Ankündigung ermäßigter Eisenbahnpreise eingeladen wird,
sondern auch die gewöhnlichen Kirmessen müssen diesem Zwecke dienen. So
sah ich Anfang September in Se. Cloud mannshohe Anschlagzettel, welche
für das achttägige Fest des Heiligen der Stadt zur Wallfahrt einluden und
„völligen Ablaß" anboten, dies Alles aber unter besonderer Hervorhebung
der Loosung: „?our 1s reveil as 1a toi et 1s Salut as 1adralles.« Zur
Erleichterung der Pilgerfahrten wurde ein Ertradampfschiffdienst eingerichtet
und 8 Tage lang hallte von den lachenden Ufern der Seine der Kehrreim
des bekannten Liedes wieder: „8z,roe2, sauve? Roms se 1a Francs!"
Recht lehrreich ist in dieser Beziehung auch das Studium der jüngeren
unter den zahllosen Votivtafeln. mit denen die Wände der Kirche Notrs vains
<1«s vietoirss in Paris bedeckt sind, jener Kirche, welche zur Feier der Be¬
siegung der Hugenotten errichtet wurde. Ganz unverkennbar drückt sich die
Freude über die ersten Triumphe des Ultramontanismus z. B. in folgender
Inschrift aus -. «Nerei, ses. Vierte, vous avs- sauvs notre lioimsur!
1871 — 1872." Schade nur. daß jene frommen Pilger deutscher Zunge,
welche im September nach Lourdes wallfahrteten. an der Ausführung ihrer
Absicht, zur besseren Illustration ihres Patriotismus in N. v. äos victoirss
ebenfalls eine Tafel zu stiften, verhindert wurden!
Ihren vollen Ausdruck hat die Verquickung des Klerikalismus mit dem
Chauvinismus in dem neubelebten und gewaltig aufgebauschten Herz-Jesu-
Kultus gefunden. Wie vornehm auch die radicale und liberale Pariser
Journalistik dies Treiben belächelte, die Hauptstadt mußte es sich doch ge¬
fallen lassen, zum Tummelplatz des höchsten Triumphes dieses grandiosen
Jesuitenschwindels gemacht zu werden. Mit der Grundsteinlegung der Herz-
Jesu-Kirche auf dem Montmartre am 16. Juli d. I. wurde bekanntlich zu¬
gleich ganz Frankreich dem „heiligen Herzen" geweiht. Noch fand ich freilich
die Stätte des in den großartigsten Verhältnissen geplanten Tempels öde und
leer und profane Zungen wußten Allerlei zu erzählen von mangelnder Opfer¬
willigkeit der Gläubigen und dem entsprechend sehr geringer Aussicht, den
Bau zur Ausführung zu bringen. Ich bin aber der Ansicht des Windmüllers
der benachbarten „valstts". welcher meinte: „Wenn diese Herren das Geld
haben wollen, so haben sie es auch." Auf jenem Punkte, der wie keine
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