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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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für ihn der günstige Moment zu einer Einmischung in die Cubawirren ge¬
kommen. Damals war die Majorität in beiden Häusern des Congresses
Herrn Grant entschieden günstig gesinnt. Wäre damals ein Conflikt mit
Spanien vom Zaune gebrochen worden, so hätte die Grantadministration
die Union durch herausfordernde Schritte mit Hinblick auf die bekannte
Virginius-Affaire so compromittiren können, daß thatsächliche Feindseligkeiten
ohne große nationale Blamage unvermeidlich geworden wären. Freilich
hätte kein Krieg in aller Form ohne Zustimmung des Congresses erklärt
werden können, aber die Unionsregierung hätte es in der Macht gehabt, sich
so stark zu engagiren, daß selbst einem unwilligen Congresse ein Conflikt
sich als der einzig ehrenhafte Ausweg dargeboten hätte.

Jetzt aber liegen die Dinge anders. Das Repräsentantenhaus in
Washington City wird von einer der Grantadministration feindlichen Majo¬
rität controllirt. Selbst die Republikaner des Bundessenats würden, mit sehr
wenigen Ausnahmen vielleicht, nicht geneigt sein, die Administration in einem
so waghalsigen Spiele zu unterstützen. In der Gegenwart und unter der
unmittelbaren Aufsicht des versammelten Congresses derartige Verwickelungen
herbeizuführen, würde kaum möglich sein, besonders da man ziemlich allgemein
der Grantregierung mit nicht geringem Mißtrauen auf die Finger sieht.
Ueberdies hat sich die politische Situation in den Vereinigten Staaten so
geändert, daß so desparate Mittel, wie ein auswärtiger Krieg, der Grant-
fraction, wenn nicht überflüssig, doch gefährlich erscheinen mögen, wenn
anders die Absicht, kriegerische Verwickelungen zu veranlassen, jemals be¬
standen hat.

Aber selbst im vorigen Frühjahre würden sich der Ausführung eines
solchen Planes bedeutende Hindernisse in den Weg gestellt haben. Nach den
uns gewordenen Informationen sind wir überzeugt , daß sich im Innern des
jetzigen Cabinets des Herrn Grant ein hartnäckiger Widerstand geltend ge¬
macht haben würde. "Man irrt," so schrieb kürzlich Karl Schurz in seinem
Organe, der "Westlichen Post", "wenn man glaubt, daß das ganze Cabinet
den dritten Amtstermin Grant's begünstige. Wahrscheinlich nicht mehr als
zwei Mitglieder desselben würden sich dazu verstehen, zu einem solchen Zwecke
den Frieden des Landes zu gefährden, und das Forciren einer solchen Politik
würde unzweifelhaft zur Auflösung des Cabinets geführt haben. Wir wollen
nicht behaupten, daß im Grant'schen Familienrathe die Absicht eines aus¬
wärtigen Krieges ernstlich gehegt worden ist. Aber hätte man auch daran
gedacht, so ist doch die günstige Gelegenheit unbenutzt vorübergegangen, um
nicht wieder zurückzukehren. Für die Aufrechthaltung des Friedens wird jetzt
schon der Congreß sorgen, wer immer auch einen Krieg wünschen mag."

Wie die "New-York Tribune" meldet, giebt es allerdings in den Ver-


für ihn der günstige Moment zu einer Einmischung in die Cubawirren ge¬
kommen. Damals war die Majorität in beiden Häusern des Congresses
Herrn Grant entschieden günstig gesinnt. Wäre damals ein Conflikt mit
Spanien vom Zaune gebrochen worden, so hätte die Grantadministration
die Union durch herausfordernde Schritte mit Hinblick auf die bekannte
Virginius-Affaire so compromittiren können, daß thatsächliche Feindseligkeiten
ohne große nationale Blamage unvermeidlich geworden wären. Freilich
hätte kein Krieg in aller Form ohne Zustimmung des Congresses erklärt
werden können, aber die Unionsregierung hätte es in der Macht gehabt, sich
so stark zu engagiren, daß selbst einem unwilligen Congresse ein Conflikt
sich als der einzig ehrenhafte Ausweg dargeboten hätte.

Jetzt aber liegen die Dinge anders. Das Repräsentantenhaus in
Washington City wird von einer der Grantadministration feindlichen Majo¬
rität controllirt. Selbst die Republikaner des Bundessenats würden, mit sehr
wenigen Ausnahmen vielleicht, nicht geneigt sein, die Administration in einem
so waghalsigen Spiele zu unterstützen. In der Gegenwart und unter der
unmittelbaren Aufsicht des versammelten Congresses derartige Verwickelungen
herbeizuführen, würde kaum möglich sein, besonders da man ziemlich allgemein
der Grantregierung mit nicht geringem Mißtrauen auf die Finger sieht.
Ueberdies hat sich die politische Situation in den Vereinigten Staaten so
geändert, daß so desparate Mittel, wie ein auswärtiger Krieg, der Grant-
fraction, wenn nicht überflüssig, doch gefährlich erscheinen mögen, wenn
anders die Absicht, kriegerische Verwickelungen zu veranlassen, jemals be¬
standen hat.

Aber selbst im vorigen Frühjahre würden sich der Ausführung eines
solchen Planes bedeutende Hindernisse in den Weg gestellt haben. Nach den
uns gewordenen Informationen sind wir überzeugt , daß sich im Innern des
jetzigen Cabinets des Herrn Grant ein hartnäckiger Widerstand geltend ge¬
macht haben würde. „Man irrt," so schrieb kürzlich Karl Schurz in seinem
Organe, der „Westlichen Post", „wenn man glaubt, daß das ganze Cabinet
den dritten Amtstermin Grant's begünstige. Wahrscheinlich nicht mehr als
zwei Mitglieder desselben würden sich dazu verstehen, zu einem solchen Zwecke
den Frieden des Landes zu gefährden, und das Forciren einer solchen Politik
würde unzweifelhaft zur Auflösung des Cabinets geführt haben. Wir wollen
nicht behaupten, daß im Grant'schen Familienrathe die Absicht eines aus¬
wärtigen Krieges ernstlich gehegt worden ist. Aber hätte man auch daran
gedacht, so ist doch die günstige Gelegenheit unbenutzt vorübergegangen, um
nicht wieder zurückzukehren. Für die Aufrechthaltung des Friedens wird jetzt
schon der Congreß sorgen, wer immer auch einen Krieg wünschen mag."

Wie die „New-York Tribune" meldet, giebt es allerdings in den Ver-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/510>, abgerufen am 01.10.2024.