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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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War aber der politische Zug des Welschthumes in Dalmatien kein großer
und stets nur ein vereinzelter, so übte doch die Hinneigung zur italienischen
Art einen Einfluß aus, welcher gerade in der letzten Epoche zu einer auf¬
fallenden Spaltung im Lande führte und durch dessen Bewohner hindurch
einen großen Riß aufthat.

Die Erfindung der historisch-politischen Individualitäten, jener verwogene
Griff, mit welchem man im Jahre 1860 dem lauten Ruf nach einer zeit¬
gemäßen Verfassung den bändigenden Zügel anlegen wollte, aber gerade eine
Bewegung entfesselte, die weit über alle geahnten Schranken hinaus ging und
aus welcher alle späteren staatsrechtlichen Schwierigkeiten entsprangen, diese
Erfindung fand auch ihr Echo im fernen Küstenlande an der Adria. Kühn
setzte man dort über die Geschichte der letzten Jahrhunderte hinweg, vergaß
Venetianerherrschaft und Türkennoth, vergaß der Art und Weise, in welcher
Dalmatien an Oesterreich gefallen war und flog zurück zu den Zeiten der
kroatischen Größe. Das dreieinige Königreich, worunter man Dalmatien,
Kroatien und Slavonien verstand, ward aus dem Schutt der Geschichte ean-
tonnirt, wenig darnach gefragt, ob die Linien dieser neuen Construction auch
wohl zu den historischen Ueberlieferungen passen. Man schrieb den Anschluß
an Kroatien auf das Programm und drüben in Agram war man recht froh,
hierdurch der Amalgamirung mit dem neubelebten Staate der Magyaren viel¬
leicht entgehen zu können. Denn die Kroaten wollten eigentlich um einen
Schritt weiter zurückgehen, als die Magyaren. Diese nahmen das Ungarn¬
reich zum Ausgangspunkte, als es bereits die Landstriche zwischen Drau und
save fest sich erworben hatte; die Kroaten hingegen liebäugelten mit dem
Zeitalter Königs Kasimir. Es war der Gegensatz zwischen Südslaven und
dem finnisch-ugrischen Völkerreste in der Theiß- und Donauniederung, welcher
hier wieder einmal zur Erscheinung gelangte. Die Partei in Dalmatien,
welche den Anschluß an Kroatien forderte, nannte sich die Nationale. Durch
und durch slavisch war ihr Wesen. Aber es gingen die Dinge nicht nach
ihrem Wunsche. Zuerst nicht, weil man in Wien den Centralismus der
Monarchie immer noch retten zu können glaubte und dann, als diese Idee
im Drange der Ereignisse ihren Halt verloren hatte, weil man jenseits der
Leitha der magyarischen Strömung gerne die Oberhand ließ. In Budapest
aber fühlte man kein Verlangen nach Dalmatien, nicht etwa aus maßvoller
Bescheidenheit, sondern aus Sorge vor Verlegenheiten doppelter Art. Kro¬
atien durfte nicht gestärkt werden, sonst ward es zum Keil in der Einheit
der Stefanskrone und Dalmatien ist ein Land, welches manchen Aufwand
fordert, ehe es zu einer ergiebigen Provinz werden kann. Diese Richtung
zuerst der Wiener, und dann der Pester Politik fand aber Unterstützung im
Lande selbst an der s. g. Autonomisten-Parlet. Unter diesem Namen erscheint


War aber der politische Zug des Welschthumes in Dalmatien kein großer
und stets nur ein vereinzelter, so übte doch die Hinneigung zur italienischen
Art einen Einfluß aus, welcher gerade in der letzten Epoche zu einer auf¬
fallenden Spaltung im Lande führte und durch dessen Bewohner hindurch
einen großen Riß aufthat.

Die Erfindung der historisch-politischen Individualitäten, jener verwogene
Griff, mit welchem man im Jahre 1860 dem lauten Ruf nach einer zeit¬
gemäßen Verfassung den bändigenden Zügel anlegen wollte, aber gerade eine
Bewegung entfesselte, die weit über alle geahnten Schranken hinaus ging und
aus welcher alle späteren staatsrechtlichen Schwierigkeiten entsprangen, diese
Erfindung fand auch ihr Echo im fernen Küstenlande an der Adria. Kühn
setzte man dort über die Geschichte der letzten Jahrhunderte hinweg, vergaß
Venetianerherrschaft und Türkennoth, vergaß der Art und Weise, in welcher
Dalmatien an Oesterreich gefallen war und flog zurück zu den Zeiten der
kroatischen Größe. Das dreieinige Königreich, worunter man Dalmatien,
Kroatien und Slavonien verstand, ward aus dem Schutt der Geschichte ean-
tonnirt, wenig darnach gefragt, ob die Linien dieser neuen Construction auch
wohl zu den historischen Ueberlieferungen passen. Man schrieb den Anschluß
an Kroatien auf das Programm und drüben in Agram war man recht froh,
hierdurch der Amalgamirung mit dem neubelebten Staate der Magyaren viel¬
leicht entgehen zu können. Denn die Kroaten wollten eigentlich um einen
Schritt weiter zurückgehen, als die Magyaren. Diese nahmen das Ungarn¬
reich zum Ausgangspunkte, als es bereits die Landstriche zwischen Drau und
save fest sich erworben hatte; die Kroaten hingegen liebäugelten mit dem
Zeitalter Königs Kasimir. Es war der Gegensatz zwischen Südslaven und
dem finnisch-ugrischen Völkerreste in der Theiß- und Donauniederung, welcher
hier wieder einmal zur Erscheinung gelangte. Die Partei in Dalmatien,
welche den Anschluß an Kroatien forderte, nannte sich die Nationale. Durch
und durch slavisch war ihr Wesen. Aber es gingen die Dinge nicht nach
ihrem Wunsche. Zuerst nicht, weil man in Wien den Centralismus der
Monarchie immer noch retten zu können glaubte und dann, als diese Idee
im Drange der Ereignisse ihren Halt verloren hatte, weil man jenseits der
Leitha der magyarischen Strömung gerne die Oberhand ließ. In Budapest
aber fühlte man kein Verlangen nach Dalmatien, nicht etwa aus maßvoller
Bescheidenheit, sondern aus Sorge vor Verlegenheiten doppelter Art. Kro¬
atien durfte nicht gestärkt werden, sonst ward es zum Keil in der Einheit
der Stefanskrone und Dalmatien ist ein Land, welches manchen Aufwand
fordert, ehe es zu einer ergiebigen Provinz werden kann. Diese Richtung
zuerst der Wiener, und dann der Pester Politik fand aber Unterstützung im
Lande selbst an der s. g. Autonomisten-Parlet. Unter diesem Namen erscheint


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[0492] War aber der politische Zug des Welschthumes in Dalmatien kein großer und stets nur ein vereinzelter, so übte doch die Hinneigung zur italienischen Art einen Einfluß aus, welcher gerade in der letzten Epoche zu einer auf¬ fallenden Spaltung im Lande führte und durch dessen Bewohner hindurch einen großen Riß aufthat. Die Erfindung der historisch-politischen Individualitäten, jener verwogene Griff, mit welchem man im Jahre 1860 dem lauten Ruf nach einer zeit¬ gemäßen Verfassung den bändigenden Zügel anlegen wollte, aber gerade eine Bewegung entfesselte, die weit über alle geahnten Schranken hinaus ging und aus welcher alle späteren staatsrechtlichen Schwierigkeiten entsprangen, diese Erfindung fand auch ihr Echo im fernen Küstenlande an der Adria. Kühn setzte man dort über die Geschichte der letzten Jahrhunderte hinweg, vergaß Venetianerherrschaft und Türkennoth, vergaß der Art und Weise, in welcher Dalmatien an Oesterreich gefallen war und flog zurück zu den Zeiten der kroatischen Größe. Das dreieinige Königreich, worunter man Dalmatien, Kroatien und Slavonien verstand, ward aus dem Schutt der Geschichte ean- tonnirt, wenig darnach gefragt, ob die Linien dieser neuen Construction auch wohl zu den historischen Ueberlieferungen passen. Man schrieb den Anschluß an Kroatien auf das Programm und drüben in Agram war man recht froh, hierdurch der Amalgamirung mit dem neubelebten Staate der Magyaren viel¬ leicht entgehen zu können. Denn die Kroaten wollten eigentlich um einen Schritt weiter zurückgehen, als die Magyaren. Diese nahmen das Ungarn¬ reich zum Ausgangspunkte, als es bereits die Landstriche zwischen Drau und save fest sich erworben hatte; die Kroaten hingegen liebäugelten mit dem Zeitalter Königs Kasimir. Es war der Gegensatz zwischen Südslaven und dem finnisch-ugrischen Völkerreste in der Theiß- und Donauniederung, welcher hier wieder einmal zur Erscheinung gelangte. Die Partei in Dalmatien, welche den Anschluß an Kroatien forderte, nannte sich die Nationale. Durch und durch slavisch war ihr Wesen. Aber es gingen die Dinge nicht nach ihrem Wunsche. Zuerst nicht, weil man in Wien den Centralismus der Monarchie immer noch retten zu können glaubte und dann, als diese Idee im Drange der Ereignisse ihren Halt verloren hatte, weil man jenseits der Leitha der magyarischen Strömung gerne die Oberhand ließ. In Budapest aber fühlte man kein Verlangen nach Dalmatien, nicht etwa aus maßvoller Bescheidenheit, sondern aus Sorge vor Verlegenheiten doppelter Art. Kro¬ atien durfte nicht gestärkt werden, sonst ward es zum Keil in der Einheit der Stefanskrone und Dalmatien ist ein Land, welches manchen Aufwand fordert, ehe es zu einer ergiebigen Provinz werden kann. Diese Richtung zuerst der Wiener, und dann der Pester Politik fand aber Unterstützung im Lande selbst an der s. g. Autonomisten-Parlet. Unter diesem Namen erscheint

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/492>, abgerufen am 22.07.2024.