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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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bauung des steinigen, humusarmen Bodens, die Zucht des mit Rücksicht auf
den armen Boden ziemlich dürren Viehes, besonders vieler Schafe und Ziegen --
ist doch das Hammelfleisch fast der einzige Braten des ganzen Landes -- und
daneben die nothwendigste Hausindustrie, dies ist die Beschäftigung der
Binnenländer und in dieser Beziehung stehen diese noch so tief, daß der
Wandersmann nur aus dem Mangel türkischer Regierungsorgane erkennen
kann, er habe noch nicht die Grenzpfähle der Monarchie hinter sich. Drüben
in Bosnien und in der Herzegowina sieht es nicht viel anders aus. nur
herrscht dort Willkür und Rechtlosigkeit, während der dalmatinische Land¬
mann eine geordnete Verwaltung und ein geregeltes Gerichtswesen für
sich hat.

Und wieder ein anderer Gegensatz zeigt sich zwischen den Städten und
dem flachen Lande. Draußen auf dem Lande ist alles slavisch, in der Stadt
mengt sich die Bevölkerung, sofern sie an der See liegt; denn die kleinen
Städtchen des Binnenlandes haben immer nur das Gepräge großer Dörfer.
In den Küstenstädten aber finden sich Erinnerungen an die Vergangenheit
des Landes, ja man kann sagen, sie sind nur Denkmäler dieser Vergangen¬
heit. Ihnen hat allen die venetianische Herrschaft jenen eigenthümlichen
Typus aufgedrückt, welchen die Republik von San Marco überall verbreitete,
wo immer sie einmal herrschte. Aber die venetianischen Linien sind klein und
zugestutzt und doch selbst im Kleinen unverkennbar. Am meisten zeigt sich
dies in der Anlage und in der Bauart der Städte, man erkennt an
jeder derselben das Selbstbewußtsein, welches dieselben erfüllte. Die Leute
in Zara und Spalato, in Sebenico und Almissa, in Curzula und Lesina
hielten sich in ihrem Innersten für ebenbürtige Schwestern der Lagunenstadt,
ja vielleicht oft für besser, .denn ihr Bestand knüpfte an römische oder gar
griechische Niederlassung an und in mancher Mauer städtischer Bauwerke zeigt
man mit hoher Befriedigung römische Zuthat. Dabei hat manche dieser
Städte eine gewisse Selbständigkeit besessen, die republikanischen Anklang hatte,
allen voran natürlich Ragusa, welches zwar dem Einflüsse der venetiani¬
schen Art sich nicht entziehen konnte, aber niemals sich unter die Signoria
beugte.

In den Städten wuchs ein Patriziat herauf voll Stolz und Selbstge¬
fühl und italienische Elemente schoben sich in die Bevölkerung ein und wurden
maßgebend. Die italienische Sprache ward die herrschende und blieb bis
heute die Sprache der Gebildeten und des Verkehres. Die Patriziergeschlechter,
welche meist im Rathe ihrer Stadt gesessen und gar manches Recht über die
arme Plebs genossen, sind verarmt und zehren in ihren Pallästchen inmitten
enger Gassen und im dürftigen Lebensgenuß von der Erinnerung. Viele sind
verdorben oder hinabgesunken auf die unteren Stufen des Volksthums.


bauung des steinigen, humusarmen Bodens, die Zucht des mit Rücksicht auf
den armen Boden ziemlich dürren Viehes, besonders vieler Schafe und Ziegen —
ist doch das Hammelfleisch fast der einzige Braten des ganzen Landes — und
daneben die nothwendigste Hausindustrie, dies ist die Beschäftigung der
Binnenländer und in dieser Beziehung stehen diese noch so tief, daß der
Wandersmann nur aus dem Mangel türkischer Regierungsorgane erkennen
kann, er habe noch nicht die Grenzpfähle der Monarchie hinter sich. Drüben
in Bosnien und in der Herzegowina sieht es nicht viel anders aus. nur
herrscht dort Willkür und Rechtlosigkeit, während der dalmatinische Land¬
mann eine geordnete Verwaltung und ein geregeltes Gerichtswesen für
sich hat.

Und wieder ein anderer Gegensatz zeigt sich zwischen den Städten und
dem flachen Lande. Draußen auf dem Lande ist alles slavisch, in der Stadt
mengt sich die Bevölkerung, sofern sie an der See liegt; denn die kleinen
Städtchen des Binnenlandes haben immer nur das Gepräge großer Dörfer.
In den Küstenstädten aber finden sich Erinnerungen an die Vergangenheit
des Landes, ja man kann sagen, sie sind nur Denkmäler dieser Vergangen¬
heit. Ihnen hat allen die venetianische Herrschaft jenen eigenthümlichen
Typus aufgedrückt, welchen die Republik von San Marco überall verbreitete,
wo immer sie einmal herrschte. Aber die venetianischen Linien sind klein und
zugestutzt und doch selbst im Kleinen unverkennbar. Am meisten zeigt sich
dies in der Anlage und in der Bauart der Städte, man erkennt an
jeder derselben das Selbstbewußtsein, welches dieselben erfüllte. Die Leute
in Zara und Spalato, in Sebenico und Almissa, in Curzula und Lesina
hielten sich in ihrem Innersten für ebenbürtige Schwestern der Lagunenstadt,
ja vielleicht oft für besser, .denn ihr Bestand knüpfte an römische oder gar
griechische Niederlassung an und in mancher Mauer städtischer Bauwerke zeigt
man mit hoher Befriedigung römische Zuthat. Dabei hat manche dieser
Städte eine gewisse Selbständigkeit besessen, die republikanischen Anklang hatte,
allen voran natürlich Ragusa, welches zwar dem Einflüsse der venetiani¬
schen Art sich nicht entziehen konnte, aber niemals sich unter die Signoria
beugte.

In den Städten wuchs ein Patriziat herauf voll Stolz und Selbstge¬
fühl und italienische Elemente schoben sich in die Bevölkerung ein und wurden
maßgebend. Die italienische Sprache ward die herrschende und blieb bis
heute die Sprache der Gebildeten und des Verkehres. Die Patriziergeschlechter,
welche meist im Rathe ihrer Stadt gesessen und gar manches Recht über die
arme Plebs genossen, sind verarmt und zehren in ihren Pallästchen inmitten
enger Gassen und im dürftigen Lebensgenuß von der Erinnerung. Viele sind
verdorben oder hinabgesunken auf die unteren Stufen des Volksthums.


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[0489] bauung des steinigen, humusarmen Bodens, die Zucht des mit Rücksicht auf den armen Boden ziemlich dürren Viehes, besonders vieler Schafe und Ziegen — ist doch das Hammelfleisch fast der einzige Braten des ganzen Landes — und daneben die nothwendigste Hausindustrie, dies ist die Beschäftigung der Binnenländer und in dieser Beziehung stehen diese noch so tief, daß der Wandersmann nur aus dem Mangel türkischer Regierungsorgane erkennen kann, er habe noch nicht die Grenzpfähle der Monarchie hinter sich. Drüben in Bosnien und in der Herzegowina sieht es nicht viel anders aus. nur herrscht dort Willkür und Rechtlosigkeit, während der dalmatinische Land¬ mann eine geordnete Verwaltung und ein geregeltes Gerichtswesen für sich hat. Und wieder ein anderer Gegensatz zeigt sich zwischen den Städten und dem flachen Lande. Draußen auf dem Lande ist alles slavisch, in der Stadt mengt sich die Bevölkerung, sofern sie an der See liegt; denn die kleinen Städtchen des Binnenlandes haben immer nur das Gepräge großer Dörfer. In den Küstenstädten aber finden sich Erinnerungen an die Vergangenheit des Landes, ja man kann sagen, sie sind nur Denkmäler dieser Vergangen¬ heit. Ihnen hat allen die venetianische Herrschaft jenen eigenthümlichen Typus aufgedrückt, welchen die Republik von San Marco überall verbreitete, wo immer sie einmal herrschte. Aber die venetianischen Linien sind klein und zugestutzt und doch selbst im Kleinen unverkennbar. Am meisten zeigt sich dies in der Anlage und in der Bauart der Städte, man erkennt an jeder derselben das Selbstbewußtsein, welches dieselben erfüllte. Die Leute in Zara und Spalato, in Sebenico und Almissa, in Curzula und Lesina hielten sich in ihrem Innersten für ebenbürtige Schwestern der Lagunenstadt, ja vielleicht oft für besser, .denn ihr Bestand knüpfte an römische oder gar griechische Niederlassung an und in mancher Mauer städtischer Bauwerke zeigt man mit hoher Befriedigung römische Zuthat. Dabei hat manche dieser Städte eine gewisse Selbständigkeit besessen, die republikanischen Anklang hatte, allen voran natürlich Ragusa, welches zwar dem Einflüsse der venetiani¬ schen Art sich nicht entziehen konnte, aber niemals sich unter die Signoria beugte. In den Städten wuchs ein Patriziat herauf voll Stolz und Selbstge¬ fühl und italienische Elemente schoben sich in die Bevölkerung ein und wurden maßgebend. Die italienische Sprache ward die herrschende und blieb bis heute die Sprache der Gebildeten und des Verkehres. Die Patriziergeschlechter, welche meist im Rathe ihrer Stadt gesessen und gar manches Recht über die arme Plebs genossen, sind verarmt und zehren in ihren Pallästchen inmitten enger Gassen und im dürftigen Lebensgenuß von der Erinnerung. Viele sind verdorben oder hinabgesunken auf die unteren Stufen des Volksthums.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/489>, abgerufen am 22.07.2024.