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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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bis zum höchsten Gipfel der Alpen. Das Gebiet der Republik soll dann in ein¬
undzwanzig Provinzen getheilt werden, von denen jede einen Vertreter in
die Nationalversammlung senden soll. Jede Provinz bekommt ihren beson¬
dern Landtag. Alle Bürger, reich oder arm, können sich um alle öffentlichen
Aemter bewerben. Die Art, wie die Richter zu wählen sind, wird genau fest¬
gestellt. Zwei Könige, jeder auf einundzwanzig Jahre gewählt, ein Laub¬
könig und Seekönig, werden von der souveränen Nationalversammlung ge¬
kürt. Alle ausonischen Bürger sind zum Kriegsdienste verpflichtet. Alle Fe¬
stungen, soweit sie nicht zum Schutze des Landes gegen den Fremden dienen,
sollen von Grund aus geschleift werden. Neue Häfen sollen an der Küste er¬
richtet und die Kriegsflotte soll vermehrt werden. Das Christenthum soll
die Staatsreligion, daneben aber jeder andere Glaube geduldet sein. Das
Cardinalcollegium darf in der Republik, so lange der während der Veröf¬
fentlichung dieser Verfassung regierende Papst lebt, fortbestehen, nach dessen
Tode aber wird es abgeschafft. Erbliche Titel und feudale Rechte werden
beseitigt. Die Hospitäler. die andern Wohlthätigskeitsanstalten, die Hoch¬
schulen, Lyceen, Primär- und Mittelschulen sollen stark vermehrt und an
passende Orte verlegt werden. Die Todesstrafe wird fortan nur noch an
Mördern vollstreckt, alle andern Strafen werden künftig durch Deportation
nach einer der Inseln der Republik ersetzt. Klösterliche Einrichtungen bleiben
erhalten, aber kein Mann darf vor dem fünfundvierzigsten Jahre Mönch,
kein Weib vor dem vierzigsten Jahre Nonne werden, und auch wenn sie ihre
Gelübde abgelegt haben, können sie in die Welt und ihre Familien zurück¬
treten. Das Betteln ist nicht gestattet, das Land wird Arbeit für den dazu
fähigen Armen und Hülfe für die dazu nicht Fähigen finden. Die Gräber
großer Männer werden an die Landstrecken verlegt, die Ehre einer Bildsäule
wird von der souveränen Nationalversammlung verliehen. Der verfassungs¬
mäßige Vertrag kann alle einundzwanzig Jahre revidirt werden.

Ein anderer, von dem obigen sehr verschiedener Verfassungsplan wurde 1813
von den Carbonari der englischen Regierung vorgelegt. Es heißt darin:
"Italien soll frei und unabhängig sein. Seine Grenzen sollen die drei Meere
und die Alpen sein. Corsika, Sardinien, die sieben Inseln und die Eilande
längs der Küste des Mittelmeeres. des Adriatischen und Ionischen Meeres
sollen einen unabtrennbaren Theil des Reichs bilden. Dessen Hauptstadt wird
Rom sein. . . Sobald die Franzosen die Halbinsel geräumt haben werden,
soll der neue Kaiser aus den regierenden Familien von Neapel, Piemont oder
England ausgewählt werden. Jllyrien soll ein Königreich für sich bilden und
dem Könige von Neapel als Entschädigung für Sieilien gegeben werden."

Das außerordentlich rasche Wachsthum des Carbonarismus im Neapolt-


bis zum höchsten Gipfel der Alpen. Das Gebiet der Republik soll dann in ein¬
undzwanzig Provinzen getheilt werden, von denen jede einen Vertreter in
die Nationalversammlung senden soll. Jede Provinz bekommt ihren beson¬
dern Landtag. Alle Bürger, reich oder arm, können sich um alle öffentlichen
Aemter bewerben. Die Art, wie die Richter zu wählen sind, wird genau fest¬
gestellt. Zwei Könige, jeder auf einundzwanzig Jahre gewählt, ein Laub¬
könig und Seekönig, werden von der souveränen Nationalversammlung ge¬
kürt. Alle ausonischen Bürger sind zum Kriegsdienste verpflichtet. Alle Fe¬
stungen, soweit sie nicht zum Schutze des Landes gegen den Fremden dienen,
sollen von Grund aus geschleift werden. Neue Häfen sollen an der Küste er¬
richtet und die Kriegsflotte soll vermehrt werden. Das Christenthum soll
die Staatsreligion, daneben aber jeder andere Glaube geduldet sein. Das
Cardinalcollegium darf in der Republik, so lange der während der Veröf¬
fentlichung dieser Verfassung regierende Papst lebt, fortbestehen, nach dessen
Tode aber wird es abgeschafft. Erbliche Titel und feudale Rechte werden
beseitigt. Die Hospitäler. die andern Wohlthätigskeitsanstalten, die Hoch¬
schulen, Lyceen, Primär- und Mittelschulen sollen stark vermehrt und an
passende Orte verlegt werden. Die Todesstrafe wird fortan nur noch an
Mördern vollstreckt, alle andern Strafen werden künftig durch Deportation
nach einer der Inseln der Republik ersetzt. Klösterliche Einrichtungen bleiben
erhalten, aber kein Mann darf vor dem fünfundvierzigsten Jahre Mönch,
kein Weib vor dem vierzigsten Jahre Nonne werden, und auch wenn sie ihre
Gelübde abgelegt haben, können sie in die Welt und ihre Familien zurück¬
treten. Das Betteln ist nicht gestattet, das Land wird Arbeit für den dazu
fähigen Armen und Hülfe für die dazu nicht Fähigen finden. Die Gräber
großer Männer werden an die Landstrecken verlegt, die Ehre einer Bildsäule
wird von der souveränen Nationalversammlung verliehen. Der verfassungs¬
mäßige Vertrag kann alle einundzwanzig Jahre revidirt werden.

Ein anderer, von dem obigen sehr verschiedener Verfassungsplan wurde 1813
von den Carbonari der englischen Regierung vorgelegt. Es heißt darin:
„Italien soll frei und unabhängig sein. Seine Grenzen sollen die drei Meere
und die Alpen sein. Corsika, Sardinien, die sieben Inseln und die Eilande
längs der Küste des Mittelmeeres. des Adriatischen und Ionischen Meeres
sollen einen unabtrennbaren Theil des Reichs bilden. Dessen Hauptstadt wird
Rom sein. . . Sobald die Franzosen die Halbinsel geräumt haben werden,
soll der neue Kaiser aus den regierenden Familien von Neapel, Piemont oder
England ausgewählt werden. Jllyrien soll ein Königreich für sich bilden und
dem Könige von Neapel als Entschädigung für Sieilien gegeben werden."

Das außerordentlich rasche Wachsthum des Carbonarismus im Neapolt-


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[0472] bis zum höchsten Gipfel der Alpen. Das Gebiet der Republik soll dann in ein¬ undzwanzig Provinzen getheilt werden, von denen jede einen Vertreter in die Nationalversammlung senden soll. Jede Provinz bekommt ihren beson¬ dern Landtag. Alle Bürger, reich oder arm, können sich um alle öffentlichen Aemter bewerben. Die Art, wie die Richter zu wählen sind, wird genau fest¬ gestellt. Zwei Könige, jeder auf einundzwanzig Jahre gewählt, ein Laub¬ könig und Seekönig, werden von der souveränen Nationalversammlung ge¬ kürt. Alle ausonischen Bürger sind zum Kriegsdienste verpflichtet. Alle Fe¬ stungen, soweit sie nicht zum Schutze des Landes gegen den Fremden dienen, sollen von Grund aus geschleift werden. Neue Häfen sollen an der Küste er¬ richtet und die Kriegsflotte soll vermehrt werden. Das Christenthum soll die Staatsreligion, daneben aber jeder andere Glaube geduldet sein. Das Cardinalcollegium darf in der Republik, so lange der während der Veröf¬ fentlichung dieser Verfassung regierende Papst lebt, fortbestehen, nach dessen Tode aber wird es abgeschafft. Erbliche Titel und feudale Rechte werden beseitigt. Die Hospitäler. die andern Wohlthätigskeitsanstalten, die Hoch¬ schulen, Lyceen, Primär- und Mittelschulen sollen stark vermehrt und an passende Orte verlegt werden. Die Todesstrafe wird fortan nur noch an Mördern vollstreckt, alle andern Strafen werden künftig durch Deportation nach einer der Inseln der Republik ersetzt. Klösterliche Einrichtungen bleiben erhalten, aber kein Mann darf vor dem fünfundvierzigsten Jahre Mönch, kein Weib vor dem vierzigsten Jahre Nonne werden, und auch wenn sie ihre Gelübde abgelegt haben, können sie in die Welt und ihre Familien zurück¬ treten. Das Betteln ist nicht gestattet, das Land wird Arbeit für den dazu fähigen Armen und Hülfe für die dazu nicht Fähigen finden. Die Gräber großer Männer werden an die Landstrecken verlegt, die Ehre einer Bildsäule wird von der souveränen Nationalversammlung verliehen. Der verfassungs¬ mäßige Vertrag kann alle einundzwanzig Jahre revidirt werden. Ein anderer, von dem obigen sehr verschiedener Verfassungsplan wurde 1813 von den Carbonari der englischen Regierung vorgelegt. Es heißt darin: „Italien soll frei und unabhängig sein. Seine Grenzen sollen die drei Meere und die Alpen sein. Corsika, Sardinien, die sieben Inseln und die Eilande längs der Küste des Mittelmeeres. des Adriatischen und Ionischen Meeres sollen einen unabtrennbaren Theil des Reichs bilden. Dessen Hauptstadt wird Rom sein. . . Sobald die Franzosen die Halbinsel geräumt haben werden, soll der neue Kaiser aus den regierenden Familien von Neapel, Piemont oder England ausgewählt werden. Jllyrien soll ein Königreich für sich bilden und dem Könige von Neapel als Entschädigung für Sieilien gegeben werden." Das außerordentlich rasche Wachsthum des Carbonarismus im Neapolt-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/472>, abgerufen am 22.07.2024.