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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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gesprochen werden, daß die Erhaltung der Mißbräuche der römischen Dis¬
ciplin und also auch des Cölibatszwanges nicht die Absicht der Gesetzgeber
gewesen ist und gar nicht gewesen sein kann. Die Gesetzgeber haben gar nicht
daran denken können, die Altkatholiken in einer Frage der Disciplin für
immer zu binden, überhaupt ihnen das Recht der Selbstbestimmung zu ver¬
kümmern, geschweige zu nehmen, das ihnen so gut, wie den Neukatholiken
gewährleistet ist, so lange sie die politische und sittliche Ordnung des Staates
nicht verletzen. Die Altkatholiken haben aber, sobald sie die Knechtschaft Roms
abwerfen, kein Interesse, die Majestät des Staates in Frage zu stellen, sowenig
als die (vernünftigen) Protestanten, und das wird doch niemand behaupten
wollen, daß der Staat Grund habe, die Altkatholiken zur Aufrechterhaltung
des Cölibats zu zwingen, etwa aus sittlichen Gründen, zum Wohle des Staates,
wie der Kirche? -- !

Und dafür wird es nun allerdings von dem größten Gewichte, daß die
Altkatholiken bei der Berathung dieses Gesetzes sich diese Rechte ausdrücklich
gewahrt haben.

Denn s o hat der Abgeordnete Petri im preußischen Landtage in der
69. Sitzung mannhaft erklärt: "Wir lehnen nicht nur, wie der Vorredner
meint, die Beschlüsse des Vaticanums ab, sondern auch alles Dasjenige,
was in Folge des Papalsystems i^n die katholische Kirche hin¬
eingekommen ist. In dem vorliegenden Streite innerhalb der katholischen
Kirche handelt es sich lediglich um die rein factische Frage, ob das Vaticanum
ein legitimes Concil gewesen ist. Wir haben behauptet und in einer großen
Reihe von Schriften dargethan, daß das Vaticanum ein illegitimes gewesen
ist, und zwar illegitim durch seine Constituirung, seine mangelnde innere und
äußere Freiheit. Daß die Altkatholiken aber wohlberechtigte Mitglieder der
katholischen Kirche sind, hat die Regierung, haben alle deutschen Gerichtshöfe
anerkannt." ze. :c. --

Und so hat der Abgeordnete Windthorst (Bielefeld) eben so mannhaft
als von dem wahren christlich-katholischen Geiste getragen sich ausgesprochen:
"Dieselben Gründe, welche uns zur Opposition gegen das Va¬
ticanum veranlassen, nöthigen uns auch gegen das Tridenti-
num vorzugehen. Um dem Papste die Mehrheit in Trident zu sichern,
wurde eine große Menge unbärtiger Prälaten -- das ist ja jetzt Regel ge¬
worden -- zu Bischöfen ernannt, die der kaiserliche Rath Sulpicius*) mit
Dudelsäcken verglich, die erst mit Wind angefüllt werden müssen, ehe sie el-



*) vgl. Dudtth (Bischof von Fünfkirchen, der selbst mit auf dem Concile war, eine
bedeutende Rolle spielte, dasselbe aber aus Ekel an der Unwürdigreit der Knechtschaft, in welcher
die Bischöfe sich Rom gegenüber befanden, verließ, in seiner) exellsatio aä imxöiÄtorein
Ukximiliaill. II.

gesprochen werden, daß die Erhaltung der Mißbräuche der römischen Dis¬
ciplin und also auch des Cölibatszwanges nicht die Absicht der Gesetzgeber
gewesen ist und gar nicht gewesen sein kann. Die Gesetzgeber haben gar nicht
daran denken können, die Altkatholiken in einer Frage der Disciplin für
immer zu binden, überhaupt ihnen das Recht der Selbstbestimmung zu ver¬
kümmern, geschweige zu nehmen, das ihnen so gut, wie den Neukatholiken
gewährleistet ist, so lange sie die politische und sittliche Ordnung des Staates
nicht verletzen. Die Altkatholiken haben aber, sobald sie die Knechtschaft Roms
abwerfen, kein Interesse, die Majestät des Staates in Frage zu stellen, sowenig
als die (vernünftigen) Protestanten, und das wird doch niemand behaupten
wollen, daß der Staat Grund habe, die Altkatholiken zur Aufrechterhaltung
des Cölibats zu zwingen, etwa aus sittlichen Gründen, zum Wohle des Staates,
wie der Kirche? — !

Und dafür wird es nun allerdings von dem größten Gewichte, daß die
Altkatholiken bei der Berathung dieses Gesetzes sich diese Rechte ausdrücklich
gewahrt haben.

Denn s o hat der Abgeordnete Petri im preußischen Landtage in der
69. Sitzung mannhaft erklärt: „Wir lehnen nicht nur, wie der Vorredner
meint, die Beschlüsse des Vaticanums ab, sondern auch alles Dasjenige,
was in Folge des Papalsystems i^n die katholische Kirche hin¬
eingekommen ist. In dem vorliegenden Streite innerhalb der katholischen
Kirche handelt es sich lediglich um die rein factische Frage, ob das Vaticanum
ein legitimes Concil gewesen ist. Wir haben behauptet und in einer großen
Reihe von Schriften dargethan, daß das Vaticanum ein illegitimes gewesen
ist, und zwar illegitim durch seine Constituirung, seine mangelnde innere und
äußere Freiheit. Daß die Altkatholiken aber wohlberechtigte Mitglieder der
katholischen Kirche sind, hat die Regierung, haben alle deutschen Gerichtshöfe
anerkannt." ze. :c. —

Und so hat der Abgeordnete Windthorst (Bielefeld) eben so mannhaft
als von dem wahren christlich-katholischen Geiste getragen sich ausgesprochen:
„Dieselben Gründe, welche uns zur Opposition gegen das Va¬
ticanum veranlassen, nöthigen uns auch gegen das Tridenti-
num vorzugehen. Um dem Papste die Mehrheit in Trident zu sichern,
wurde eine große Menge unbärtiger Prälaten — das ist ja jetzt Regel ge¬
worden — zu Bischöfen ernannt, die der kaiserliche Rath Sulpicius*) mit
Dudelsäcken verglich, die erst mit Wind angefüllt werden müssen, ehe sie el-



*) vgl. Dudtth (Bischof von Fünfkirchen, der selbst mit auf dem Concile war, eine
bedeutende Rolle spielte, dasselbe aber aus Ekel an der Unwürdigreit der Knechtschaft, in welcher
die Bischöfe sich Rom gegenüber befanden, verließ, in seiner) exellsatio aä imxöiÄtorein
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[0458] gesprochen werden, daß die Erhaltung der Mißbräuche der römischen Dis¬ ciplin und also auch des Cölibatszwanges nicht die Absicht der Gesetzgeber gewesen ist und gar nicht gewesen sein kann. Die Gesetzgeber haben gar nicht daran denken können, die Altkatholiken in einer Frage der Disciplin für immer zu binden, überhaupt ihnen das Recht der Selbstbestimmung zu ver¬ kümmern, geschweige zu nehmen, das ihnen so gut, wie den Neukatholiken gewährleistet ist, so lange sie die politische und sittliche Ordnung des Staates nicht verletzen. Die Altkatholiken haben aber, sobald sie die Knechtschaft Roms abwerfen, kein Interesse, die Majestät des Staates in Frage zu stellen, sowenig als die (vernünftigen) Protestanten, und das wird doch niemand behaupten wollen, daß der Staat Grund habe, die Altkatholiken zur Aufrechterhaltung des Cölibats zu zwingen, etwa aus sittlichen Gründen, zum Wohle des Staates, wie der Kirche? — ! Und dafür wird es nun allerdings von dem größten Gewichte, daß die Altkatholiken bei der Berathung dieses Gesetzes sich diese Rechte ausdrücklich gewahrt haben. Denn s o hat der Abgeordnete Petri im preußischen Landtage in der 69. Sitzung mannhaft erklärt: „Wir lehnen nicht nur, wie der Vorredner meint, die Beschlüsse des Vaticanums ab, sondern auch alles Dasjenige, was in Folge des Papalsystems i^n die katholische Kirche hin¬ eingekommen ist. In dem vorliegenden Streite innerhalb der katholischen Kirche handelt es sich lediglich um die rein factische Frage, ob das Vaticanum ein legitimes Concil gewesen ist. Wir haben behauptet und in einer großen Reihe von Schriften dargethan, daß das Vaticanum ein illegitimes gewesen ist, und zwar illegitim durch seine Constituirung, seine mangelnde innere und äußere Freiheit. Daß die Altkatholiken aber wohlberechtigte Mitglieder der katholischen Kirche sind, hat die Regierung, haben alle deutschen Gerichtshöfe anerkannt." ze. :c. — Und so hat der Abgeordnete Windthorst (Bielefeld) eben so mannhaft als von dem wahren christlich-katholischen Geiste getragen sich ausgesprochen: „Dieselben Gründe, welche uns zur Opposition gegen das Va¬ ticanum veranlassen, nöthigen uns auch gegen das Tridenti- num vorzugehen. Um dem Papste die Mehrheit in Trident zu sichern, wurde eine große Menge unbärtiger Prälaten — das ist ja jetzt Regel ge¬ worden — zu Bischöfen ernannt, die der kaiserliche Rath Sulpicius*) mit Dudelsäcken verglich, die erst mit Wind angefüllt werden müssen, ehe sie el- *) vgl. Dudtth (Bischof von Fünfkirchen, der selbst mit auf dem Concile war, eine bedeutende Rolle spielte, dasselbe aber aus Ekel an der Unwürdigreit der Knechtschaft, in welcher die Bischöfe sich Rom gegenüber befanden, verließ, in seiner) exellsatio aä imxöiÄtorein Ukximiliaill. II.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/458>, abgerufen am 22.07.2024.