Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

interesser sind für sie nur insofern und nur dann in der Welt, wenn sich
daran wohlfeile Jeremiaden und Klagelieder, oder hinkende Vergleiche zwischen
Sonst und Jetzt im Stile des Pfarrers von Gebweiler anknüpfen lassen, oder
endlich baroke, galgenhumoristische Paradoxen in dem des Pfarrers von
Hagenau, der in dieser Beziehung dem Heer- und Bannerführer des Centrums,
der schwarzen "Perle von Meppen", binnen kurzer Zeit wirklich recht
Vieles abgelernt hat. Herrn Bischof Raeß von Straßburg zieht es auch
mehr nach Rom und zu den pantoffelgeschmückten Füßen des Jubelgreises
und Gefangenen im Vatikan, als nach Berlin und in die Versammlung, wo
er eigentlich hin gehörte, wie dies seine letzte Peterspfennig-Reise über Mün¬
chen und retour über Versailles zur Genüge documentirt hat.

Auch die übrigen all minorum Mutina sind von demselben schwarzen
Kaliber. Eigentliche Elsässer giebt es sonach im Reichstage gar nicht. Die
da sind, gehören zu den Kosmopoliten xrimi gsnsris -- was allerdings auf
gut Deutsch "vaterlandslos" heißt. Die Andern haben einfach, wie es scheint,
den Kopf verdreht, der stets nach rückwärts, über die Vogesen gekehrt ist,
trotzdem sich die Vernünftigen unter den Elsässern schon längst haben sagen
müssen, daß hinter jenen Bergen nichts mehr für sie zu holen ist, und daß
man sie dort auch schon gründlich desavouirt. Die wahren Landesvertreter,
wie sie sein sollten und müßten, sitzen noch einstweilen ruhig daheim bei ihren
Penaten auf dem alten Steinsessel hinter dem hohen Kachelofen, oder pflügen,
wie einst Cincinnatus, den Acker mit ihrem Joch Ochsen, harrend der Zeit,
wo sie des Volkes Stimme vom Pfluge wegruft in die Schlachtreihe der
parlamentarischen Kämpfe. Und dieser Tag ist nicht mehr fern. Daß dann
aber unwiderruflich der Stab gebrochen wird über die jetzigen soi-äisaiit,-De¬
putaten des Reichslandes, das kann man schon jetzt, so nicht alle Zeichen
trügen, mit einiger Sicherheit voraus sagen. Das elsässtsche Volk ist des
trockenen Tons nun satt und der ewigen Abstinenz, und der langweiligen
Lamento's. Es verlangt nach kräftigerer Speise; es verlangt, daß seine Sach¬
walter sich auch kümmern um sein Wohl und Wehe, anrathen und an¬
thaten, nicht aber daheim auf ihren Lorbeern ausruhen, oder in Vogel-Straußen-
Politik machen, die Keinem nützt und Keinem frommt.

Wie es aber gekommen, daß jene "sukimts terridlW" des Elsasses und
treuen Diener Roms seiner Zeit in die höchste gesetzgebende Versammlung des
Reiches gewählt worden, darüber giebt das 7. Kapitel der Ihnen bekannten
"Briefe aus dem Elsaß" über die "Parlamentswahlen und die Elsässer Liga"
hinlänglich Aufschluß. Ueber die innern Gründe, weßhalb man die an die
Spitze gestellte Frage mit einem herzhaften Nein beantworten darf, glaube
ich schon in meinen frühern Berichten hin und wieder genügende Andeutungen
gegeben zu haben. Man muß eben niemals vergessen, daß die freisinnigen


interesser sind für sie nur insofern und nur dann in der Welt, wenn sich
daran wohlfeile Jeremiaden und Klagelieder, oder hinkende Vergleiche zwischen
Sonst und Jetzt im Stile des Pfarrers von Gebweiler anknüpfen lassen, oder
endlich baroke, galgenhumoristische Paradoxen in dem des Pfarrers von
Hagenau, der in dieser Beziehung dem Heer- und Bannerführer des Centrums,
der schwarzen „Perle von Meppen", binnen kurzer Zeit wirklich recht
Vieles abgelernt hat. Herrn Bischof Raeß von Straßburg zieht es auch
mehr nach Rom und zu den pantoffelgeschmückten Füßen des Jubelgreises
und Gefangenen im Vatikan, als nach Berlin und in die Versammlung, wo
er eigentlich hin gehörte, wie dies seine letzte Peterspfennig-Reise über Mün¬
chen und retour über Versailles zur Genüge documentirt hat.

Auch die übrigen all minorum Mutina sind von demselben schwarzen
Kaliber. Eigentliche Elsässer giebt es sonach im Reichstage gar nicht. Die
da sind, gehören zu den Kosmopoliten xrimi gsnsris — was allerdings auf
gut Deutsch „vaterlandslos" heißt. Die Andern haben einfach, wie es scheint,
den Kopf verdreht, der stets nach rückwärts, über die Vogesen gekehrt ist,
trotzdem sich die Vernünftigen unter den Elsässern schon längst haben sagen
müssen, daß hinter jenen Bergen nichts mehr für sie zu holen ist, und daß
man sie dort auch schon gründlich desavouirt. Die wahren Landesvertreter,
wie sie sein sollten und müßten, sitzen noch einstweilen ruhig daheim bei ihren
Penaten auf dem alten Steinsessel hinter dem hohen Kachelofen, oder pflügen,
wie einst Cincinnatus, den Acker mit ihrem Joch Ochsen, harrend der Zeit,
wo sie des Volkes Stimme vom Pfluge wegruft in die Schlachtreihe der
parlamentarischen Kämpfe. Und dieser Tag ist nicht mehr fern. Daß dann
aber unwiderruflich der Stab gebrochen wird über die jetzigen soi-äisaiit,-De¬
putaten des Reichslandes, das kann man schon jetzt, so nicht alle Zeichen
trügen, mit einiger Sicherheit voraus sagen. Das elsässtsche Volk ist des
trockenen Tons nun satt und der ewigen Abstinenz, und der langweiligen
Lamento's. Es verlangt nach kräftigerer Speise; es verlangt, daß seine Sach¬
walter sich auch kümmern um sein Wohl und Wehe, anrathen und an¬
thaten, nicht aber daheim auf ihren Lorbeern ausruhen, oder in Vogel-Straußen-
Politik machen, die Keinem nützt und Keinem frommt.

Wie es aber gekommen, daß jene „sukimts terridlW" des Elsasses und
treuen Diener Roms seiner Zeit in die höchste gesetzgebende Versammlung des
Reiches gewählt worden, darüber giebt das 7. Kapitel der Ihnen bekannten
„Briefe aus dem Elsaß« über die „Parlamentswahlen und die Elsässer Liga"
hinlänglich Aufschluß. Ueber die innern Gründe, weßhalb man die an die
Spitze gestellte Frage mit einem herzhaften Nein beantworten darf, glaube
ich schon in meinen frühern Berichten hin und wieder genügende Andeutungen
gegeben zu haben. Man muß eben niemals vergessen, daß die freisinnigen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0432" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/134778"/>
          <p xml:id="ID_1342" prev="#ID_1341"> interesser sind für sie nur insofern und nur dann in der Welt, wenn sich<lb/>
daran wohlfeile Jeremiaden und Klagelieder, oder hinkende Vergleiche zwischen<lb/>
Sonst und Jetzt im Stile des Pfarrers von Gebweiler anknüpfen lassen, oder<lb/>
endlich baroke, galgenhumoristische Paradoxen in dem des Pfarrers von<lb/>
Hagenau, der in dieser Beziehung dem Heer- und Bannerführer des Centrums,<lb/>
der schwarzen &#x201E;Perle von Meppen", binnen kurzer Zeit wirklich recht<lb/>
Vieles abgelernt hat. Herrn Bischof Raeß von Straßburg zieht es auch<lb/>
mehr nach Rom und zu den pantoffelgeschmückten Füßen des Jubelgreises<lb/>
und Gefangenen im Vatikan, als nach Berlin und in die Versammlung, wo<lb/>
er eigentlich hin gehörte, wie dies seine letzte Peterspfennig-Reise über Mün¬<lb/>
chen und retour über Versailles zur Genüge documentirt hat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1343"> Auch die übrigen all minorum Mutina sind von demselben schwarzen<lb/>
Kaliber.  Eigentliche Elsässer giebt es sonach im Reichstage gar nicht. Die<lb/>
da sind, gehören zu den Kosmopoliten xrimi gsnsris &#x2014; was allerdings auf<lb/>
gut Deutsch &#x201E;vaterlandslos" heißt.  Die Andern haben einfach, wie es scheint,<lb/>
den Kopf verdreht, der stets nach rückwärts, über die Vogesen gekehrt ist,<lb/>
trotzdem sich die Vernünftigen unter den Elsässern schon längst haben sagen<lb/>
müssen, daß hinter jenen Bergen nichts mehr für sie zu holen ist, und daß<lb/>
man sie dort auch schon gründlich desavouirt. Die wahren Landesvertreter,<lb/>
wie sie sein sollten und müßten, sitzen noch einstweilen ruhig daheim bei ihren<lb/>
Penaten auf dem alten Steinsessel hinter dem hohen Kachelofen, oder pflügen,<lb/>
wie einst Cincinnatus, den Acker mit ihrem Joch Ochsen, harrend der Zeit,<lb/>
wo sie des Volkes Stimme vom Pfluge wegruft in die Schlachtreihe der<lb/>
parlamentarischen Kämpfe. Und dieser Tag ist nicht mehr fern. Daß dann<lb/>
aber unwiderruflich der Stab gebrochen wird über die jetzigen soi-äisaiit,-De¬<lb/>
putaten des Reichslandes, das kann man schon jetzt, so nicht alle Zeichen<lb/>
trügen, mit einiger Sicherheit voraus sagen.  Das elsässtsche Volk ist des<lb/>
trockenen Tons nun satt und der ewigen Abstinenz, und der langweiligen<lb/>
Lamento's. Es verlangt nach kräftigerer Speise; es verlangt, daß seine Sach¬<lb/>
walter sich auch kümmern um sein Wohl und Wehe, anrathen und an¬<lb/>
thaten, nicht aber daheim auf ihren Lorbeern ausruhen, oder in Vogel-Straußen-<lb/>
Politik machen, die Keinem nützt und Keinem frommt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1344" next="#ID_1345"> Wie es aber gekommen, daß jene &#x201E;sukimts terridlW" des Elsasses und<lb/>
treuen Diener Roms seiner Zeit in die höchste gesetzgebende Versammlung des<lb/>
Reiches gewählt worden, darüber giebt das 7. Kapitel der Ihnen bekannten<lb/>
&#x201E;Briefe aus dem Elsaß« über die &#x201E;Parlamentswahlen und die Elsässer Liga"<lb/>
hinlänglich Aufschluß. Ueber die innern Gründe, weßhalb man die an die<lb/>
Spitze gestellte Frage mit einem herzhaften Nein beantworten darf, glaube<lb/>
ich schon in meinen frühern Berichten hin und wieder genügende Andeutungen<lb/>
gegeben zu haben. Man muß eben niemals vergessen, daß die freisinnigen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0432] interesser sind für sie nur insofern und nur dann in der Welt, wenn sich daran wohlfeile Jeremiaden und Klagelieder, oder hinkende Vergleiche zwischen Sonst und Jetzt im Stile des Pfarrers von Gebweiler anknüpfen lassen, oder endlich baroke, galgenhumoristische Paradoxen in dem des Pfarrers von Hagenau, der in dieser Beziehung dem Heer- und Bannerführer des Centrums, der schwarzen „Perle von Meppen", binnen kurzer Zeit wirklich recht Vieles abgelernt hat. Herrn Bischof Raeß von Straßburg zieht es auch mehr nach Rom und zu den pantoffelgeschmückten Füßen des Jubelgreises und Gefangenen im Vatikan, als nach Berlin und in die Versammlung, wo er eigentlich hin gehörte, wie dies seine letzte Peterspfennig-Reise über Mün¬ chen und retour über Versailles zur Genüge documentirt hat. Auch die übrigen all minorum Mutina sind von demselben schwarzen Kaliber. Eigentliche Elsässer giebt es sonach im Reichstage gar nicht. Die da sind, gehören zu den Kosmopoliten xrimi gsnsris — was allerdings auf gut Deutsch „vaterlandslos" heißt. Die Andern haben einfach, wie es scheint, den Kopf verdreht, der stets nach rückwärts, über die Vogesen gekehrt ist, trotzdem sich die Vernünftigen unter den Elsässern schon längst haben sagen müssen, daß hinter jenen Bergen nichts mehr für sie zu holen ist, und daß man sie dort auch schon gründlich desavouirt. Die wahren Landesvertreter, wie sie sein sollten und müßten, sitzen noch einstweilen ruhig daheim bei ihren Penaten auf dem alten Steinsessel hinter dem hohen Kachelofen, oder pflügen, wie einst Cincinnatus, den Acker mit ihrem Joch Ochsen, harrend der Zeit, wo sie des Volkes Stimme vom Pfluge wegruft in die Schlachtreihe der parlamentarischen Kämpfe. Und dieser Tag ist nicht mehr fern. Daß dann aber unwiderruflich der Stab gebrochen wird über die jetzigen soi-äisaiit,-De¬ putaten des Reichslandes, das kann man schon jetzt, so nicht alle Zeichen trügen, mit einiger Sicherheit voraus sagen. Das elsässtsche Volk ist des trockenen Tons nun satt und der ewigen Abstinenz, und der langweiligen Lamento's. Es verlangt nach kräftigerer Speise; es verlangt, daß seine Sach¬ walter sich auch kümmern um sein Wohl und Wehe, anrathen und an¬ thaten, nicht aber daheim auf ihren Lorbeern ausruhen, oder in Vogel-Straußen- Politik machen, die Keinem nützt und Keinem frommt. Wie es aber gekommen, daß jene „sukimts terridlW" des Elsasses und treuen Diener Roms seiner Zeit in die höchste gesetzgebende Versammlung des Reiches gewählt worden, darüber giebt das 7. Kapitel der Ihnen bekannten „Briefe aus dem Elsaß« über die „Parlamentswahlen und die Elsässer Liga" hinlänglich Aufschluß. Ueber die innern Gründe, weßhalb man die an die Spitze gestellte Frage mit einem herzhaften Nein beantworten darf, glaube ich schon in meinen frühern Berichten hin und wieder genügende Andeutungen gegeben zu haben. Man muß eben niemals vergessen, daß die freisinnigen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/432
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/432>, abgerufen am 22.07.2024.