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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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war gerechtfertigt. Stephens stand in geheimem Einvernehmen mit der eng.
lichen Regierung; denn wie ließe es sich sonst erklären, daß er, ohne irgend¬
welche Vorsichtsmaßregeln zu treffen, monatelang in einem prächtig möblirten
Hause in der Nachbarschaft Dublins lebte und von der Polizei nicht entdeckt
wurde?

Die serische Wühlerei erstreckte sich auch auf England und fand nament¬
lich in Liverpool Anklang und pecuniäre Unterstützung. Aber auch hier stellten
sich bald Betrug und Verrath ein, und unter Anderm sagte der Mensch, der
in Liverpool als "Centrum" agirte, als man ihm wegen Plünderung der
Kasse zu Leibe wollte, den Anklägern kaltblütig, wenn man ihn nicht wegen
des Geldes in Ruhe ließe, werde er sie anzeigen und allesammt an den
Galgen bringen.

Er scheint wirklich Anzeige erstattet zu haben, und auf Grund dieser
oder anderer Mittheilungen schritt die britische Regierung 1865 gegen den
Bund ein und setzte einige der Führer desselben gefangen. Bald nachher
wurde auch Stephens eingezogen, fand aber bald Gelegenheit zu entkommen,
was den Verdacht, er sei ein Spion der Engländer, nur verstärken konnte.
Die übrigen Verhafteten wurden wegen Hochverrath vor Gericht gestellt und
zu verschiedenen Strafen verurtheilt. Mehrere Einbrüche in Canada und ein
Versuch Ehester Castles sich zu bemächtigen, lauter Putsche, die mißglückter,
der Angriff, der im September 1867 zu Manchester auf die Polizei erfolgte,
welche die Fenierhäuptlinge Keller) und Deasey nach dem Gefängnisse escortirte,
und bei dem der Sergeant Brett erschossen und die Befreiung der Gefangenen
erreicht wurde, endlich die von furchtbaren Folgen für eine große Anzahl von
Personen begleitete Sprengung der Mauer des Gefängnisses zu Clerkenwell,
wo zwei serische Verschwörer, Burke und Casey, in Haft waren, zeigten,
daß das Einschreiten der Regierung den Bund noch nicht vernichtet hatte, und
bald folgten weitere Zeichen, daß derselbe noch am Leben war. Im Decem¬
ber 1867 machten die Fenier einen Angriff auf den Martellothurm zu Fota
bei Queenstown in der Grafschaft Cork und entführten eine Anzahl Waffen
und eine Quantität Munition aus derselben. Ihre letzte Heldenthat endlich
verrichtete die Gesellschaft im Jahre 1871, indem eine Fenierbande hoch im
Nordwesten Amerikas über die canadische Grenze ging und sich des britischen
Zollhauses bei Pembina bemächtigte. Sie wurde indeß sehr bald von
Truppen der Ver. Staaten zerstreut und ihr "General" O'Neit gefangen
genommen.

Um diese Zeit hatten sich in Amerika unter O'Donnovan Rossa Neu-
Fenier gebildet. Aber sie wollten nicht gedeihen, und der genannte Führer
zog es nach kurzer Thätigkeit vor, die "Direction" niederzulegen und Wein-
Gr


mzboten IV. 1875. 54

war gerechtfertigt. Stephens stand in geheimem Einvernehmen mit der eng.
lichen Regierung; denn wie ließe es sich sonst erklären, daß er, ohne irgend¬
welche Vorsichtsmaßregeln zu treffen, monatelang in einem prächtig möblirten
Hause in der Nachbarschaft Dublins lebte und von der Polizei nicht entdeckt
wurde?

Die serische Wühlerei erstreckte sich auch auf England und fand nament¬
lich in Liverpool Anklang und pecuniäre Unterstützung. Aber auch hier stellten
sich bald Betrug und Verrath ein, und unter Anderm sagte der Mensch, der
in Liverpool als „Centrum" agirte, als man ihm wegen Plünderung der
Kasse zu Leibe wollte, den Anklägern kaltblütig, wenn man ihn nicht wegen
des Geldes in Ruhe ließe, werde er sie anzeigen und allesammt an den
Galgen bringen.

Er scheint wirklich Anzeige erstattet zu haben, und auf Grund dieser
oder anderer Mittheilungen schritt die britische Regierung 1865 gegen den
Bund ein und setzte einige der Führer desselben gefangen. Bald nachher
wurde auch Stephens eingezogen, fand aber bald Gelegenheit zu entkommen,
was den Verdacht, er sei ein Spion der Engländer, nur verstärken konnte.
Die übrigen Verhafteten wurden wegen Hochverrath vor Gericht gestellt und
zu verschiedenen Strafen verurtheilt. Mehrere Einbrüche in Canada und ein
Versuch Ehester Castles sich zu bemächtigen, lauter Putsche, die mißglückter,
der Angriff, der im September 1867 zu Manchester auf die Polizei erfolgte,
welche die Fenierhäuptlinge Keller) und Deasey nach dem Gefängnisse escortirte,
und bei dem der Sergeant Brett erschossen und die Befreiung der Gefangenen
erreicht wurde, endlich die von furchtbaren Folgen für eine große Anzahl von
Personen begleitete Sprengung der Mauer des Gefängnisses zu Clerkenwell,
wo zwei serische Verschwörer, Burke und Casey, in Haft waren, zeigten,
daß das Einschreiten der Regierung den Bund noch nicht vernichtet hatte, und
bald folgten weitere Zeichen, daß derselbe noch am Leben war. Im Decem¬
ber 1867 machten die Fenier einen Angriff auf den Martellothurm zu Fota
bei Queenstown in der Grafschaft Cork und entführten eine Anzahl Waffen
und eine Quantität Munition aus derselben. Ihre letzte Heldenthat endlich
verrichtete die Gesellschaft im Jahre 1871, indem eine Fenierbande hoch im
Nordwesten Amerikas über die canadische Grenze ging und sich des britischen
Zollhauses bei Pembina bemächtigte. Sie wurde indeß sehr bald von
Truppen der Ver. Staaten zerstreut und ihr „General" O'Neit gefangen
genommen.

Um diese Zeit hatten sich in Amerika unter O'Donnovan Rossa Neu-
Fenier gebildet. Aber sie wollten nicht gedeihen, und der genannte Führer
zog es nach kurzer Thätigkeit vor, die „Direction" niederzulegen und Wein-
Gr


mzboten IV. 1875. 54
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[0429] war gerechtfertigt. Stephens stand in geheimem Einvernehmen mit der eng. lichen Regierung; denn wie ließe es sich sonst erklären, daß er, ohne irgend¬ welche Vorsichtsmaßregeln zu treffen, monatelang in einem prächtig möblirten Hause in der Nachbarschaft Dublins lebte und von der Polizei nicht entdeckt wurde? Die serische Wühlerei erstreckte sich auch auf England und fand nament¬ lich in Liverpool Anklang und pecuniäre Unterstützung. Aber auch hier stellten sich bald Betrug und Verrath ein, und unter Anderm sagte der Mensch, der in Liverpool als „Centrum" agirte, als man ihm wegen Plünderung der Kasse zu Leibe wollte, den Anklägern kaltblütig, wenn man ihn nicht wegen des Geldes in Ruhe ließe, werde er sie anzeigen und allesammt an den Galgen bringen. Er scheint wirklich Anzeige erstattet zu haben, und auf Grund dieser oder anderer Mittheilungen schritt die britische Regierung 1865 gegen den Bund ein und setzte einige der Führer desselben gefangen. Bald nachher wurde auch Stephens eingezogen, fand aber bald Gelegenheit zu entkommen, was den Verdacht, er sei ein Spion der Engländer, nur verstärken konnte. Die übrigen Verhafteten wurden wegen Hochverrath vor Gericht gestellt und zu verschiedenen Strafen verurtheilt. Mehrere Einbrüche in Canada und ein Versuch Ehester Castles sich zu bemächtigen, lauter Putsche, die mißglückter, der Angriff, der im September 1867 zu Manchester auf die Polizei erfolgte, welche die Fenierhäuptlinge Keller) und Deasey nach dem Gefängnisse escortirte, und bei dem der Sergeant Brett erschossen und die Befreiung der Gefangenen erreicht wurde, endlich die von furchtbaren Folgen für eine große Anzahl von Personen begleitete Sprengung der Mauer des Gefängnisses zu Clerkenwell, wo zwei serische Verschwörer, Burke und Casey, in Haft waren, zeigten, daß das Einschreiten der Regierung den Bund noch nicht vernichtet hatte, und bald folgten weitere Zeichen, daß derselbe noch am Leben war. Im Decem¬ ber 1867 machten die Fenier einen Angriff auf den Martellothurm zu Fota bei Queenstown in der Grafschaft Cork und entführten eine Anzahl Waffen und eine Quantität Munition aus derselben. Ihre letzte Heldenthat endlich verrichtete die Gesellschaft im Jahre 1871, indem eine Fenierbande hoch im Nordwesten Amerikas über die canadische Grenze ging und sich des britischen Zollhauses bei Pembina bemächtigte. Sie wurde indeß sehr bald von Truppen der Ver. Staaten zerstreut und ihr „General" O'Neit gefangen genommen. Um diese Zeit hatten sich in Amerika unter O'Donnovan Rossa Neu- Fenier gebildet. Aber sie wollten nicht gedeihen, und der genannte Führer zog es nach kurzer Thätigkeit vor, die „Direction" niederzulegen und Wein- Gr mzboten IV. 1875. 54

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/429>, abgerufen am 25.08.2024.