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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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JnZJrland verbreitete sich der Bund ebenfalls, wenn auch bei Weitem
nicht in dem Maße wie in den Vereinigten Staaten. Aber dort wie hier
hatte er seine Häupter oder "Centren", seine bürgerlichen und militärischen
Beamten, seine Kassen und seine Agenten. Dort wie hier waren dieselben
geheimen Eide, Paßworte und Embleme, dieselben Gesetze und Strafen im
Gebrauch. Dort wie hier waren die Bundesfarben Grün und Gold. In
Irland wie in Amerika häufte man insgeheim Waffen an, hatte man seine
Correspondenten, seine nächtlichen Uebungen für den Kriegsdienst, feine Zei¬
tungen und selbst seine Volkslieder und Balladen. Aber die Herrlichkeit
währte nicht lange. Sehr bald machten sich Verräther ans Werk, die Or¬
ganisation von innen her zu zerstören, und zwar geschah dieß sowohl in
Amerika wie in Europa. So sagt der Untersuchungsausschuß der fenischen
Bruderschaft in seinem 1866 abgestatteten Berichte:

"Nach sorgfältiger Prüfung der Angelegenheit des Bundes findet Ihr
Comite, daß die Sache Irlands fast in jedem Bezug dem Vortheil Einzelner
dienstbar gemacht worden ist. Leute, die man als Patrioten pries, nahmen
jede Gelegenheit wahr, den Säckel des Bundes zu plündern, legalisirten ihre
Angriffe auf denselben aber, indem sie sich die Unterschrift John O'Maho-
ney's verschafften.... Das Vertrauen des Bundes auf O' Mahoney's Recht¬
schaffenheit war grenzenlos, und ob die Täuschung dieses Vertrauens durch
Unfähigkeit oder mit Ueberlegung herbeigeführt worden, ist eine Frage, die
wir unentschieden lassen. Es genügt, daß er sich des Vertrauens unwürdig
gezeigt hat. . . Niemals in der Geschichte des irischen Volkes hat dieses so
fest auf seine Führer vertraut, und nie zuvor ist es so niederträchtig betrogen
und verrathen worden. In der That, das Moffat Mansion (das Hauptquar¬
tier der amerikanischen Fenier) war nicht nur ein Almosenhaus für bettelhafte
Beamte und hungrige Abenteurer, sondern ein Telegraphenamt für die cana-
dischen Behörden und den britischen Gesandten in Washington. Diese be¬
zahlten Patrioten und berufsmäßigen Märtyrer, nicht zufrieden, unsern Schatz
zu leeren, gaben sich dazu her, die englischen Behörden im Voraus von unsern
Bewegungen zu benachrichtigen."

Aus diesem Bericht ergiebt sich ferner, daß sich 1866 im Schatze der
Fenier 185,000 Dollars befanden, daß die Ausgaben für die Schmarotzer,
welche das Moffat Mansion fütterte, sich in drei Monaten auf 104.000 Dollars
belaufen hatten, und daß Stephens, das "Hauptcentrum" der irischen Fenier,
von Amerika, in demselben Zeitraume 106,000 Dollars erhalten hatte, ob¬
wohl O'Mahoney stets das größte Mißtrauen gegen denselben geäußert. Er
sah in jenem ohne Zweifel mehr den geriebneren und dreisteren Schurken, der
ihm seinen Theil an der Beute wesentlich schmälerte. Aber sein Mißtrauen


JnZJrland verbreitete sich der Bund ebenfalls, wenn auch bei Weitem
nicht in dem Maße wie in den Vereinigten Staaten. Aber dort wie hier
hatte er seine Häupter oder „Centren", seine bürgerlichen und militärischen
Beamten, seine Kassen und seine Agenten. Dort wie hier waren dieselben
geheimen Eide, Paßworte und Embleme, dieselben Gesetze und Strafen im
Gebrauch. Dort wie hier waren die Bundesfarben Grün und Gold. In
Irland wie in Amerika häufte man insgeheim Waffen an, hatte man seine
Correspondenten, seine nächtlichen Uebungen für den Kriegsdienst, feine Zei¬
tungen und selbst seine Volkslieder und Balladen. Aber die Herrlichkeit
währte nicht lange. Sehr bald machten sich Verräther ans Werk, die Or¬
ganisation von innen her zu zerstören, und zwar geschah dieß sowohl in
Amerika wie in Europa. So sagt der Untersuchungsausschuß der fenischen
Bruderschaft in seinem 1866 abgestatteten Berichte:

„Nach sorgfältiger Prüfung der Angelegenheit des Bundes findet Ihr
Comite, daß die Sache Irlands fast in jedem Bezug dem Vortheil Einzelner
dienstbar gemacht worden ist. Leute, die man als Patrioten pries, nahmen
jede Gelegenheit wahr, den Säckel des Bundes zu plündern, legalisirten ihre
Angriffe auf denselben aber, indem sie sich die Unterschrift John O'Maho-
ney's verschafften.... Das Vertrauen des Bundes auf O' Mahoney's Recht¬
schaffenheit war grenzenlos, und ob die Täuschung dieses Vertrauens durch
Unfähigkeit oder mit Ueberlegung herbeigeführt worden, ist eine Frage, die
wir unentschieden lassen. Es genügt, daß er sich des Vertrauens unwürdig
gezeigt hat. . . Niemals in der Geschichte des irischen Volkes hat dieses so
fest auf seine Führer vertraut, und nie zuvor ist es so niederträchtig betrogen
und verrathen worden. In der That, das Moffat Mansion (das Hauptquar¬
tier der amerikanischen Fenier) war nicht nur ein Almosenhaus für bettelhafte
Beamte und hungrige Abenteurer, sondern ein Telegraphenamt für die cana-
dischen Behörden und den britischen Gesandten in Washington. Diese be¬
zahlten Patrioten und berufsmäßigen Märtyrer, nicht zufrieden, unsern Schatz
zu leeren, gaben sich dazu her, die englischen Behörden im Voraus von unsern
Bewegungen zu benachrichtigen."

Aus diesem Bericht ergiebt sich ferner, daß sich 1866 im Schatze der
Fenier 185,000 Dollars befanden, daß die Ausgaben für die Schmarotzer,
welche das Moffat Mansion fütterte, sich in drei Monaten auf 104.000 Dollars
belaufen hatten, und daß Stephens, das „Hauptcentrum" der irischen Fenier,
von Amerika, in demselben Zeitraume 106,000 Dollars erhalten hatte, ob¬
wohl O'Mahoney stets das größte Mißtrauen gegen denselben geäußert. Er
sah in jenem ohne Zweifel mehr den geriebneren und dreisteren Schurken, der
ihm seinen Theil an der Beute wesentlich schmälerte. Aber sein Mißtrauen


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[0428] JnZJrland verbreitete sich der Bund ebenfalls, wenn auch bei Weitem nicht in dem Maße wie in den Vereinigten Staaten. Aber dort wie hier hatte er seine Häupter oder „Centren", seine bürgerlichen und militärischen Beamten, seine Kassen und seine Agenten. Dort wie hier waren dieselben geheimen Eide, Paßworte und Embleme, dieselben Gesetze und Strafen im Gebrauch. Dort wie hier waren die Bundesfarben Grün und Gold. In Irland wie in Amerika häufte man insgeheim Waffen an, hatte man seine Correspondenten, seine nächtlichen Uebungen für den Kriegsdienst, feine Zei¬ tungen und selbst seine Volkslieder und Balladen. Aber die Herrlichkeit währte nicht lange. Sehr bald machten sich Verräther ans Werk, die Or¬ ganisation von innen her zu zerstören, und zwar geschah dieß sowohl in Amerika wie in Europa. So sagt der Untersuchungsausschuß der fenischen Bruderschaft in seinem 1866 abgestatteten Berichte: „Nach sorgfältiger Prüfung der Angelegenheit des Bundes findet Ihr Comite, daß die Sache Irlands fast in jedem Bezug dem Vortheil Einzelner dienstbar gemacht worden ist. Leute, die man als Patrioten pries, nahmen jede Gelegenheit wahr, den Säckel des Bundes zu plündern, legalisirten ihre Angriffe auf denselben aber, indem sie sich die Unterschrift John O'Maho- ney's verschafften.... Das Vertrauen des Bundes auf O' Mahoney's Recht¬ schaffenheit war grenzenlos, und ob die Täuschung dieses Vertrauens durch Unfähigkeit oder mit Ueberlegung herbeigeführt worden, ist eine Frage, die wir unentschieden lassen. Es genügt, daß er sich des Vertrauens unwürdig gezeigt hat. . . Niemals in der Geschichte des irischen Volkes hat dieses so fest auf seine Führer vertraut, und nie zuvor ist es so niederträchtig betrogen und verrathen worden. In der That, das Moffat Mansion (das Hauptquar¬ tier der amerikanischen Fenier) war nicht nur ein Almosenhaus für bettelhafte Beamte und hungrige Abenteurer, sondern ein Telegraphenamt für die cana- dischen Behörden und den britischen Gesandten in Washington. Diese be¬ zahlten Patrioten und berufsmäßigen Märtyrer, nicht zufrieden, unsern Schatz zu leeren, gaben sich dazu her, die englischen Behörden im Voraus von unsern Bewegungen zu benachrichtigen." Aus diesem Bericht ergiebt sich ferner, daß sich 1866 im Schatze der Fenier 185,000 Dollars befanden, daß die Ausgaben für die Schmarotzer, welche das Moffat Mansion fütterte, sich in drei Monaten auf 104.000 Dollars belaufen hatten, und daß Stephens, das „Hauptcentrum" der irischen Fenier, von Amerika, in demselben Zeitraume 106,000 Dollars erhalten hatte, ob¬ wohl O'Mahoney stets das größte Mißtrauen gegen denselben geäußert. Er sah in jenem ohne Zweifel mehr den geriebneren und dreisteren Schurken, der ihm seinen Theil an der Beute wesentlich schmälerte. Aber sein Mißtrauen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/428>, abgerufen am 22.07.2024.