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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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zu Gunsten der Whigs. Die Bemühungen des Parlaments, den Bund zu
unterdrücken, sind bis jetzt erfolglos geblieben.

Allen gerechten Beschwerden der Jrländer war in den letzten Jahrzehnten
fast vollständig abgeholfen worden. Aber die Abneigung derselben gegen das
sächsische und protestantische Nachbarland und der Wunsch, sich von ihm zu tren¬
nen, dauerte, von der Geistlichkeit und fanatischen oder ehrgeizigen Laien geschürt,
ungeschwächt fort, auch kamen noch immer agrarische Morde vor. O'Connel's Be¬
streben, die Union mit England auf dem friedlichen Wege der Gesetzgebung
rückgängig zu machen, war erfolglos. Das Junge Irland that nach Aus¬
bruch der dritten französischen Revolution alles Mögliche, um die Gemüther
gegen England zu erhitzen. Wie in den letzten Jahren des vorigen Jahr¬
hunderts bildeten sich Clubs, die sich zum Aufstande rüsteten, und die Führer
der Bewegung, unter denen Smith O'Brien, Mitchell und Meagher die
Hauptrolle spielten, suchten durch eine Sendung nach Paris bei der dortigen
Provisorischen Regierung um Hülfe nach. Da schritt die Regierung endlich ein.
Zunächst wurde Mitchell, der in seinem "Uniteä Irislimg-n" die offne Empö¬
rung gegen die britische Herrschaft gepredigt, in Anklagezustand versetzt und
zu vierzehnjähriger Deportation verurtheilt. Als Smith O'Brien sich dadurch
nicht einschüchtern ließ und, als Haupt der irischen Conföderation auftretend,
in öffentlichen Ausrufen die bewaffnete Erhebung Irlands gegen die englischen
Tyrannen als nahe bevorstehend ankündigte, erließ der Lord Statthalter
einen Verhaftsbefehl gegen ihn und andere Führer. Dublin und einige be¬
sonders gefährdete Grafschaften im Süden wurden unter das Martialgesetz
gestellt, die Habeascorpusacte suspendirt und die englische Truppenmacht ver¬
stärkt, worauf die Bewegung ein Ende nahm, das mehr komische als ernste
Wirkung übte. Die mit Haft bedrohten Führer flüchteten, die Clubs lösten
sich größtentheils auf, einige bewaffnete Banden wurden mühelos auseinander
gejagt, offenbar war weit mehr Drohung und Prahlerei als Widerstandskraft
im Spiele gewesen. Besonders kläglich endigte das Treiben Smith O'Brien's,
der sich nach seiner Flucht, von den Massen als König von Münster begrüßt,
einem wilden, phantastischen Treiben überlassen, bewaffnete Haufen um sich
gesammelt und mit denselben das Land durchzogen hatte. Ein kurzes, wenig
blutiges Gefecht, spöttisch "die Schlacht bei Boulagh" genannt, machte diesen
Thorheiten am 29. Juli 1848 ein Ende. und Smith O'Brien wurde. als
man seiner einige Tage später habhaft wurde, mit Meagher und etlichen
Andern wie vorher Mitchell zur Deportation verurtheilt.

Hatten schon diese letzten Vorgänge in der Geschichte der irischen Geheim¬
bünde einen starken Anstrich von Lächerlichkeit, namentlich wenn man sie mit
denen von 1798 vergleicht, so ist das letzte Glied in dieser Kette, der auf


zu Gunsten der Whigs. Die Bemühungen des Parlaments, den Bund zu
unterdrücken, sind bis jetzt erfolglos geblieben.

Allen gerechten Beschwerden der Jrländer war in den letzten Jahrzehnten
fast vollständig abgeholfen worden. Aber die Abneigung derselben gegen das
sächsische und protestantische Nachbarland und der Wunsch, sich von ihm zu tren¬
nen, dauerte, von der Geistlichkeit und fanatischen oder ehrgeizigen Laien geschürt,
ungeschwächt fort, auch kamen noch immer agrarische Morde vor. O'Connel's Be¬
streben, die Union mit England auf dem friedlichen Wege der Gesetzgebung
rückgängig zu machen, war erfolglos. Das Junge Irland that nach Aus¬
bruch der dritten französischen Revolution alles Mögliche, um die Gemüther
gegen England zu erhitzen. Wie in den letzten Jahren des vorigen Jahr¬
hunderts bildeten sich Clubs, die sich zum Aufstande rüsteten, und die Führer
der Bewegung, unter denen Smith O'Brien, Mitchell und Meagher die
Hauptrolle spielten, suchten durch eine Sendung nach Paris bei der dortigen
Provisorischen Regierung um Hülfe nach. Da schritt die Regierung endlich ein.
Zunächst wurde Mitchell, der in seinem „Uniteä Irislimg-n" die offne Empö¬
rung gegen die britische Herrschaft gepredigt, in Anklagezustand versetzt und
zu vierzehnjähriger Deportation verurtheilt. Als Smith O'Brien sich dadurch
nicht einschüchtern ließ und, als Haupt der irischen Conföderation auftretend,
in öffentlichen Ausrufen die bewaffnete Erhebung Irlands gegen die englischen
Tyrannen als nahe bevorstehend ankündigte, erließ der Lord Statthalter
einen Verhaftsbefehl gegen ihn und andere Führer. Dublin und einige be¬
sonders gefährdete Grafschaften im Süden wurden unter das Martialgesetz
gestellt, die Habeascorpusacte suspendirt und die englische Truppenmacht ver¬
stärkt, worauf die Bewegung ein Ende nahm, das mehr komische als ernste
Wirkung übte. Die mit Haft bedrohten Führer flüchteten, die Clubs lösten
sich größtentheils auf, einige bewaffnete Banden wurden mühelos auseinander
gejagt, offenbar war weit mehr Drohung und Prahlerei als Widerstandskraft
im Spiele gewesen. Besonders kläglich endigte das Treiben Smith O'Brien's,
der sich nach seiner Flucht, von den Massen als König von Münster begrüßt,
einem wilden, phantastischen Treiben überlassen, bewaffnete Haufen um sich
gesammelt und mit denselben das Land durchzogen hatte. Ein kurzes, wenig
blutiges Gefecht, spöttisch „die Schlacht bei Boulagh" genannt, machte diesen
Thorheiten am 29. Juli 1848 ein Ende. und Smith O'Brien wurde. als
man seiner einige Tage später habhaft wurde, mit Meagher und etlichen
Andern wie vorher Mitchell zur Deportation verurtheilt.

Hatten schon diese letzten Vorgänge in der Geschichte der irischen Geheim¬
bünde einen starken Anstrich von Lächerlichkeit, namentlich wenn man sie mit
denen von 1798 vergleicht, so ist das letzte Glied in dieser Kette, der auf


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[0426] zu Gunsten der Whigs. Die Bemühungen des Parlaments, den Bund zu unterdrücken, sind bis jetzt erfolglos geblieben. Allen gerechten Beschwerden der Jrländer war in den letzten Jahrzehnten fast vollständig abgeholfen worden. Aber die Abneigung derselben gegen das sächsische und protestantische Nachbarland und der Wunsch, sich von ihm zu tren¬ nen, dauerte, von der Geistlichkeit und fanatischen oder ehrgeizigen Laien geschürt, ungeschwächt fort, auch kamen noch immer agrarische Morde vor. O'Connel's Be¬ streben, die Union mit England auf dem friedlichen Wege der Gesetzgebung rückgängig zu machen, war erfolglos. Das Junge Irland that nach Aus¬ bruch der dritten französischen Revolution alles Mögliche, um die Gemüther gegen England zu erhitzen. Wie in den letzten Jahren des vorigen Jahr¬ hunderts bildeten sich Clubs, die sich zum Aufstande rüsteten, und die Führer der Bewegung, unter denen Smith O'Brien, Mitchell und Meagher die Hauptrolle spielten, suchten durch eine Sendung nach Paris bei der dortigen Provisorischen Regierung um Hülfe nach. Da schritt die Regierung endlich ein. Zunächst wurde Mitchell, der in seinem „Uniteä Irislimg-n" die offne Empö¬ rung gegen die britische Herrschaft gepredigt, in Anklagezustand versetzt und zu vierzehnjähriger Deportation verurtheilt. Als Smith O'Brien sich dadurch nicht einschüchtern ließ und, als Haupt der irischen Conföderation auftretend, in öffentlichen Ausrufen die bewaffnete Erhebung Irlands gegen die englischen Tyrannen als nahe bevorstehend ankündigte, erließ der Lord Statthalter einen Verhaftsbefehl gegen ihn und andere Führer. Dublin und einige be¬ sonders gefährdete Grafschaften im Süden wurden unter das Martialgesetz gestellt, die Habeascorpusacte suspendirt und die englische Truppenmacht ver¬ stärkt, worauf die Bewegung ein Ende nahm, das mehr komische als ernste Wirkung übte. Die mit Haft bedrohten Führer flüchteten, die Clubs lösten sich größtentheils auf, einige bewaffnete Banden wurden mühelos auseinander gejagt, offenbar war weit mehr Drohung und Prahlerei als Widerstandskraft im Spiele gewesen. Besonders kläglich endigte das Treiben Smith O'Brien's, der sich nach seiner Flucht, von den Massen als König von Münster begrüßt, einem wilden, phantastischen Treiben überlassen, bewaffnete Haufen um sich gesammelt und mit denselben das Land durchzogen hatte. Ein kurzes, wenig blutiges Gefecht, spöttisch „die Schlacht bei Boulagh" genannt, machte diesen Thorheiten am 29. Juli 1848 ein Ende. und Smith O'Brien wurde. als man seiner einige Tage später habhaft wurde, mit Meagher und etlichen Andern wie vorher Mitchell zur Deportation verurtheilt. Hatten schon diese letzten Vorgänge in der Geschichte der irischen Geheim¬ bünde einen starken Anstrich von Lächerlichkeit, namentlich wenn man sie mit denen von 1798 vergleicht, so ist das letzte Glied in dieser Kette, der auf

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/426>, abgerufen am 22.07.2024.