Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Gebeinen der Protestanten." -- "Wie lautet Dein Glaubensbekenntniß?" --
"Vertilgung der Philister." -- "Wie lang ist dein Stab?" - "Lang genug,
um meine Feinde damit zu erreichen." -- "Von welchem Stamme ist das
Holz genommen?" -- "Von ehren französischen Stamme, der in Amerika blüht,
und dessen Blätter die Söhne Erins vor der Sonne schützen werden." Der
Eid aber, den die Mitglieder dieses B> ndes schwuren, lautete: "Ich schwöre,
daß ich mir lieber die rechte Hand avyauen und an die Thür des Gefäng¬
nisses zu Armagh nageln lassen. als einen Bruder täuschen oder verrathen
will, daß ich getreulich der Sache anhangen will, der ich mich wohlüberlegt
weihe, und daß ich weder Geschlecht noch Alter schonen will, wenn es meiner
Rache an den Orangemännern im Wege stehen sollte."

Die "Orangemänner", denen die S^int?atrid:-do^s so furchtbare
Rache drohten, waren eine nur halb geheime protestantische Gesellschaft, die
ursprünglich blos den Zweck verfolgte. ihre Mitglieder gegen die Angriffe
der katholischen geheimen Vereine zu schützen. Ihr Name schreibt sich von
dem der Oranier her. Lei ihrer ersten regelmäßigen Versammlung, die am
21. September 1795 im Dorfe Loughgal stattfand. vereinigten sich die
obenerwähnten LreaK-ok-va^-doz's mit dem Bunde. und man errichtete eine
Großloge, welche befugt sein sollte. Töchterlogen zu gründen. Anfangs recru-
tirte sich der Verein lediglich aus den niedern Ständen, aber bald traten ihm
auch Personen der höheren bei, und er verbreitete sich rasch über die ganze
Insel und allmählich auch über England, besonders über dessen Fabrikdistricte.
Die englische Großloge war erst in Manchester, dann in London, wo der
Herzog von York, später der Herzog von Cumberland, der nachherige König
Ernst August von Hannover, als Großmeister an der Spitze des Bundes stän¬
den. Der letztere hatte inzwischen sein Programm erweitert, wie die 1833 ver¬
öffentlichten revidirten Statuten lehren. Die Gesellschaft hatte früher ihre
Mitglieder die Suprematie Roms und das Dogma der Transsubstantiation ab¬
schwören lassen. Jetzt blieb dieß weg. aber der Bund verpflichtete die ihm
Beitretenden, die königliche Familie so lange zu vertheidigen, als sie den pro-
testantischen Grundsätzen getreu bliebe. Er erklärte ferner, daß sein Ziel die
Erhaltung der Staatskirche, der protestantischen Thronfolge und des Lebens so¬
wie des Eigenthums der Afsiliirten sei. Um dem Geiste der Zeit ein Zu-
geständniß zu machen, bekannte man sich zu religiöser Duldsamkeit, aber die
Thatsachen haben gezeigt, daß dieß eine Täuschung war; denn wiederholt
stand der Bund in erster Reihe bei Katholikenhetzen. Von England verbrei¬
teten sich die Ol'kMß'sinen nach Schottland, nach den Colonien und nach Ca¬
nada. Auch in der Armee entstanden Orangistenlogen. und die Zahl der¬
selben belief sich in den vierziger Jahren hier auf einige fünfzig. Die poli¬
tische Wirksamkeit derselben ist bekannt: sie beeinflußten namentlich die Wahlen


Gebeinen der Protestanten." — „Wie lautet Dein Glaubensbekenntniß?" —
„Vertilgung der Philister." — „Wie lang ist dein Stab?" - „Lang genug,
um meine Feinde damit zu erreichen." — „Von welchem Stamme ist das
Holz genommen?" — „Von ehren französischen Stamme, der in Amerika blüht,
und dessen Blätter die Söhne Erins vor der Sonne schützen werden." Der
Eid aber, den die Mitglieder dieses B> ndes schwuren, lautete: „Ich schwöre,
daß ich mir lieber die rechte Hand avyauen und an die Thür des Gefäng¬
nisses zu Armagh nageln lassen. als einen Bruder täuschen oder verrathen
will, daß ich getreulich der Sache anhangen will, der ich mich wohlüberlegt
weihe, und daß ich weder Geschlecht noch Alter schonen will, wenn es meiner
Rache an den Orangemännern im Wege stehen sollte."

Die „Orangemänner", denen die S^int?atrid:-do^s so furchtbare
Rache drohten, waren eine nur halb geheime protestantische Gesellschaft, die
ursprünglich blos den Zweck verfolgte. ihre Mitglieder gegen die Angriffe
der katholischen geheimen Vereine zu schützen. Ihr Name schreibt sich von
dem der Oranier her. Lei ihrer ersten regelmäßigen Versammlung, die am
21. September 1795 im Dorfe Loughgal stattfand. vereinigten sich die
obenerwähnten LreaK-ok-va^-doz's mit dem Bunde. und man errichtete eine
Großloge, welche befugt sein sollte. Töchterlogen zu gründen. Anfangs recru-
tirte sich der Verein lediglich aus den niedern Ständen, aber bald traten ihm
auch Personen der höheren bei, und er verbreitete sich rasch über die ganze
Insel und allmählich auch über England, besonders über dessen Fabrikdistricte.
Die englische Großloge war erst in Manchester, dann in London, wo der
Herzog von York, später der Herzog von Cumberland, der nachherige König
Ernst August von Hannover, als Großmeister an der Spitze des Bundes stän¬
den. Der letztere hatte inzwischen sein Programm erweitert, wie die 1833 ver¬
öffentlichten revidirten Statuten lehren. Die Gesellschaft hatte früher ihre
Mitglieder die Suprematie Roms und das Dogma der Transsubstantiation ab¬
schwören lassen. Jetzt blieb dieß weg. aber der Bund verpflichtete die ihm
Beitretenden, die königliche Familie so lange zu vertheidigen, als sie den pro-
testantischen Grundsätzen getreu bliebe. Er erklärte ferner, daß sein Ziel die
Erhaltung der Staatskirche, der protestantischen Thronfolge und des Lebens so¬
wie des Eigenthums der Afsiliirten sei. Um dem Geiste der Zeit ein Zu-
geständniß zu machen, bekannte man sich zu religiöser Duldsamkeit, aber die
Thatsachen haben gezeigt, daß dieß eine Täuschung war; denn wiederholt
stand der Bund in erster Reihe bei Katholikenhetzen. Von England verbrei¬
teten sich die Ol'kMß'sinen nach Schottland, nach den Colonien und nach Ca¬
nada. Auch in der Armee entstanden Orangistenlogen. und die Zahl der¬
selben belief sich in den vierziger Jahren hier auf einige fünfzig. Die poli¬
tische Wirksamkeit derselben ist bekannt: sie beeinflußten namentlich die Wahlen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0425" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/134771"/>
          <p xml:id="ID_1308" prev="#ID_1307"> Gebeinen der Protestanten." &#x2014; &#x201E;Wie lautet Dein Glaubensbekenntniß?" &#x2014;<lb/>
&#x201E;Vertilgung der Philister." &#x2014; &#x201E;Wie lang ist dein Stab?" - &#x201E;Lang genug,<lb/>
um meine Feinde damit zu erreichen." &#x2014; &#x201E;Von welchem Stamme ist das<lb/>
Holz genommen?" &#x2014; &#x201E;Von ehren französischen Stamme, der in Amerika blüht,<lb/>
und dessen Blätter die Söhne Erins vor der Sonne schützen werden." Der<lb/>
Eid aber, den die Mitglieder dieses B&gt; ndes schwuren, lautete: &#x201E;Ich schwöre,<lb/>
daß ich mir lieber die rechte Hand avyauen und an die Thür des Gefäng¬<lb/>
nisses zu Armagh nageln lassen. als einen Bruder täuschen oder verrathen<lb/>
will, daß ich getreulich der Sache anhangen will, der ich mich wohlüberlegt<lb/>
weihe, und daß ich weder Geschlecht noch Alter schonen will, wenn es meiner<lb/>
Rache an den Orangemännern im Wege stehen sollte."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1309" next="#ID_1310"> Die &#x201E;Orangemänner", denen die S^int?atrid:-do^s so furchtbare<lb/>
Rache drohten, waren eine nur halb geheime protestantische Gesellschaft, die<lb/>
ursprünglich blos den Zweck verfolgte. ihre Mitglieder gegen die Angriffe<lb/>
der katholischen geheimen Vereine zu schützen. Ihr Name schreibt sich von<lb/>
dem der Oranier her. Lei ihrer ersten regelmäßigen Versammlung, die am<lb/>
21. September 1795 im Dorfe Loughgal stattfand. vereinigten sich die<lb/>
obenerwähnten LreaK-ok-va^-doz's mit dem Bunde. und man errichtete eine<lb/>
Großloge, welche befugt sein sollte. Töchterlogen zu gründen. Anfangs recru-<lb/>
tirte sich der Verein lediglich aus den niedern Ständen, aber bald traten ihm<lb/>
auch Personen der höheren bei, und er verbreitete sich rasch über die ganze<lb/>
Insel und allmählich auch über England, besonders über dessen Fabrikdistricte.<lb/>
Die englische Großloge war erst in Manchester, dann in London, wo der<lb/>
Herzog von York, später der Herzog von Cumberland, der nachherige König<lb/>
Ernst August von Hannover, als Großmeister an der Spitze des Bundes stän¬<lb/>
den. Der letztere hatte inzwischen sein Programm erweitert, wie die 1833 ver¬<lb/>
öffentlichten revidirten Statuten lehren. Die Gesellschaft hatte früher ihre<lb/>
Mitglieder die Suprematie Roms und das Dogma der Transsubstantiation ab¬<lb/>
schwören lassen. Jetzt blieb dieß weg. aber der Bund verpflichtete die ihm<lb/>
Beitretenden, die königliche Familie so lange zu vertheidigen, als sie den pro-<lb/>
testantischen Grundsätzen getreu bliebe. Er erklärte ferner, daß sein Ziel die<lb/>
Erhaltung der Staatskirche, der protestantischen Thronfolge und des Lebens so¬<lb/>
wie des Eigenthums der Afsiliirten sei. Um dem Geiste der Zeit ein Zu-<lb/>
geständniß zu machen, bekannte man sich zu religiöser Duldsamkeit, aber die<lb/>
Thatsachen haben gezeigt, daß dieß eine Täuschung war; denn wiederholt<lb/>
stand der Bund in erster Reihe bei Katholikenhetzen. Von England verbrei¬<lb/>
teten sich die Ol'kMß'sinen nach Schottland, nach den Colonien und nach Ca¬<lb/>
nada. Auch in der Armee entstanden Orangistenlogen. und die Zahl der¬<lb/>
selben belief sich in den vierziger Jahren hier auf einige fünfzig. Die poli¬<lb/>
tische Wirksamkeit derselben ist bekannt: sie beeinflußten namentlich die Wahlen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0425] Gebeinen der Protestanten." — „Wie lautet Dein Glaubensbekenntniß?" — „Vertilgung der Philister." — „Wie lang ist dein Stab?" - „Lang genug, um meine Feinde damit zu erreichen." — „Von welchem Stamme ist das Holz genommen?" — „Von ehren französischen Stamme, der in Amerika blüht, und dessen Blätter die Söhne Erins vor der Sonne schützen werden." Der Eid aber, den die Mitglieder dieses B> ndes schwuren, lautete: „Ich schwöre, daß ich mir lieber die rechte Hand avyauen und an die Thür des Gefäng¬ nisses zu Armagh nageln lassen. als einen Bruder täuschen oder verrathen will, daß ich getreulich der Sache anhangen will, der ich mich wohlüberlegt weihe, und daß ich weder Geschlecht noch Alter schonen will, wenn es meiner Rache an den Orangemännern im Wege stehen sollte." Die „Orangemänner", denen die S^int?atrid:-do^s so furchtbare Rache drohten, waren eine nur halb geheime protestantische Gesellschaft, die ursprünglich blos den Zweck verfolgte. ihre Mitglieder gegen die Angriffe der katholischen geheimen Vereine zu schützen. Ihr Name schreibt sich von dem der Oranier her. Lei ihrer ersten regelmäßigen Versammlung, die am 21. September 1795 im Dorfe Loughgal stattfand. vereinigten sich die obenerwähnten LreaK-ok-va^-doz's mit dem Bunde. und man errichtete eine Großloge, welche befugt sein sollte. Töchterlogen zu gründen. Anfangs recru- tirte sich der Verein lediglich aus den niedern Ständen, aber bald traten ihm auch Personen der höheren bei, und er verbreitete sich rasch über die ganze Insel und allmählich auch über England, besonders über dessen Fabrikdistricte. Die englische Großloge war erst in Manchester, dann in London, wo der Herzog von York, später der Herzog von Cumberland, der nachherige König Ernst August von Hannover, als Großmeister an der Spitze des Bundes stän¬ den. Der letztere hatte inzwischen sein Programm erweitert, wie die 1833 ver¬ öffentlichten revidirten Statuten lehren. Die Gesellschaft hatte früher ihre Mitglieder die Suprematie Roms und das Dogma der Transsubstantiation ab¬ schwören lassen. Jetzt blieb dieß weg. aber der Bund verpflichtete die ihm Beitretenden, die königliche Familie so lange zu vertheidigen, als sie den pro- testantischen Grundsätzen getreu bliebe. Er erklärte ferner, daß sein Ziel die Erhaltung der Staatskirche, der protestantischen Thronfolge und des Lebens so¬ wie des Eigenthums der Afsiliirten sei. Um dem Geiste der Zeit ein Zu- geständniß zu machen, bekannte man sich zu religiöser Duldsamkeit, aber die Thatsachen haben gezeigt, daß dieß eine Täuschung war; denn wiederholt stand der Bund in erster Reihe bei Katholikenhetzen. Von England verbrei¬ teten sich die Ol'kMß'sinen nach Schottland, nach den Colonien und nach Ca¬ nada. Auch in der Armee entstanden Orangistenlogen. und die Zahl der¬ selben belief sich in den vierziger Jahren hier auf einige fünfzig. Die poli¬ tische Wirksamkeit derselben ist bekannt: sie beeinflußten namentlich die Wahlen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/425
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/425>, abgerufen am 22.07.2024.