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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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Irland, die dasselbe zu einer unabhängigen Republik machen sollte. Man
trat mit dem pariser Convent in Verbindung und arbeitete an einer Be¬
waffnung des Volkes. Das Erscheinen eines französischen Heeres sollte das
Zeichen zu einem allgemeinen Aufstande sein. Zunächst aber forderten die
Katholiken 1792 auf einer großen Versammlung zu Dublin völlige Rechts¬
gleichheit mit den Protestanten. Das britische Parlament gewährte dieses
Verlangen nur zum Theil. Der Bund, jetzt über eine halbe Million Theil-
nehmer zählend, kehrte darauf seine revolutionären Absichten kühner heraus,
und die englische Regierung antwortete darauf damit, daß sie die 1782 ein¬
geführte Habeas - Corpus-Acte wieder aufhob und den Bund auflöste.
Französische Expeditionen zur Unterstützung der Jrländer mißlangen und be¬
wirkten nur, daß die ganze Insel unter Kriegsrecht gestellt wurde. 1797
traten die Uniteä IrisKnisn zu neuer geheimer Thätigkeit zusammen, und be¬
gannen sich abermals zum Aufstande zu rüsten. 1798 erhielt die Regierung
Aufschluß hierüber, und es erfolgte die Verhaftung mehrerer Häupter der Ver¬
schwörung, was indeß nicht hinderte, daß im Mai an verschiedenen Punkten
des Landes die Empörung losbrach. Dieselbe mißlang jedoch vollständig. Flie¬
gende Colonnen englischer Truppen durchzogen die Insel und erstickten den
Aufstand im eigentlichsten Sinne in Blut -- es sollen damals 30.000 Men¬
schen durch die Waffen umgekommen sein. Die britischen Machthaber faßten
nach dieser Katastrophe den Entschluß, eine Vereinigung des irischen Parla¬
ments mit dem englischen einzuleiten, da die Selbständigkeit der Gesetzgebung
den Unabhängigkeitssinn der Jrländer nothwendig nährte und begünstigte,
und mit Hülfe großartiger Bestechungen wurde diese legislative Union zwischen
Irland und Großbritannien im Jahre 1800 durchgesetzt.

Die Bildung geheimer politischer Secten hörte aber damit nicht aus.
Die "Ilmteä IrMwen" hatten eine schwere Niederlage erlitten, aber die Ge¬
sellschaft lebte fort und machte noch geraume Zeit unter dem Namen der
"Ribdov wen" von sich reden, die ihrerseits im dritten Jahrzehnt unsres
Säculums die "8g,me VatrieK-do^s" zu Nachfolgern hatten.

Alle diese Gesellschaften besaßen mehr oder minder ausgebildete Statuten,
alle erkannten sich an geheimen Zeichen, die Ribdonmen z. B. an gewissen
Bändern, alle verpflichteten sich durch schwere Eidschwüre zur Treue gegen den
Verein und zur Geheimhaltung seiner Gesetze und Zwecke, alle wurden trotzdem
verrathen. Die Laivt r^triek-do?" z. B. sahen 1833 ihre Statuten in die
Hände der Regierung gelangen und veröffentlicht werden. Wir lesen darin,
daß die Mitglieder der Gesellschaft sich einander durch ein feststehendes Zwie¬
gespräch zu erkennen gaben, welches folgendermaßen lautete: "Ein schöner Tag
heute." -- "Es wird ein noch schönerer kommen." -- "Die Straße ist sehr
schlecht." -- "Sie wird ausgebessert werden." -- "Womit?" -- "Mit den


Irland, die dasselbe zu einer unabhängigen Republik machen sollte. Man
trat mit dem pariser Convent in Verbindung und arbeitete an einer Be¬
waffnung des Volkes. Das Erscheinen eines französischen Heeres sollte das
Zeichen zu einem allgemeinen Aufstande sein. Zunächst aber forderten die
Katholiken 1792 auf einer großen Versammlung zu Dublin völlige Rechts¬
gleichheit mit den Protestanten. Das britische Parlament gewährte dieses
Verlangen nur zum Theil. Der Bund, jetzt über eine halbe Million Theil-
nehmer zählend, kehrte darauf seine revolutionären Absichten kühner heraus,
und die englische Regierung antwortete darauf damit, daß sie die 1782 ein¬
geführte Habeas - Corpus-Acte wieder aufhob und den Bund auflöste.
Französische Expeditionen zur Unterstützung der Jrländer mißlangen und be¬
wirkten nur, daß die ganze Insel unter Kriegsrecht gestellt wurde. 1797
traten die Uniteä IrisKnisn zu neuer geheimer Thätigkeit zusammen, und be¬
gannen sich abermals zum Aufstande zu rüsten. 1798 erhielt die Regierung
Aufschluß hierüber, und es erfolgte die Verhaftung mehrerer Häupter der Ver¬
schwörung, was indeß nicht hinderte, daß im Mai an verschiedenen Punkten
des Landes die Empörung losbrach. Dieselbe mißlang jedoch vollständig. Flie¬
gende Colonnen englischer Truppen durchzogen die Insel und erstickten den
Aufstand im eigentlichsten Sinne in Blut — es sollen damals 30.000 Men¬
schen durch die Waffen umgekommen sein. Die britischen Machthaber faßten
nach dieser Katastrophe den Entschluß, eine Vereinigung des irischen Parla¬
ments mit dem englischen einzuleiten, da die Selbständigkeit der Gesetzgebung
den Unabhängigkeitssinn der Jrländer nothwendig nährte und begünstigte,
und mit Hülfe großartiger Bestechungen wurde diese legislative Union zwischen
Irland und Großbritannien im Jahre 1800 durchgesetzt.

Die Bildung geheimer politischer Secten hörte aber damit nicht aus.
Die „Ilmteä IrMwen" hatten eine schwere Niederlage erlitten, aber die Ge¬
sellschaft lebte fort und machte noch geraume Zeit unter dem Namen der
„Ribdov wen" von sich reden, die ihrerseits im dritten Jahrzehnt unsres
Säculums die „8g,me VatrieK-do^s" zu Nachfolgern hatten.

Alle diese Gesellschaften besaßen mehr oder minder ausgebildete Statuten,
alle erkannten sich an geheimen Zeichen, die Ribdonmen z. B. an gewissen
Bändern, alle verpflichteten sich durch schwere Eidschwüre zur Treue gegen den
Verein und zur Geheimhaltung seiner Gesetze und Zwecke, alle wurden trotzdem
verrathen. Die Laivt r^triek-do?« z. B. sahen 1833 ihre Statuten in die
Hände der Regierung gelangen und veröffentlicht werden. Wir lesen darin,
daß die Mitglieder der Gesellschaft sich einander durch ein feststehendes Zwie¬
gespräch zu erkennen gaben, welches folgendermaßen lautete: „Ein schöner Tag
heute." — „Es wird ein noch schönerer kommen." — „Die Straße ist sehr
schlecht." — „Sie wird ausgebessert werden." — „Womit?" — „Mit den


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[0424] Irland, die dasselbe zu einer unabhängigen Republik machen sollte. Man trat mit dem pariser Convent in Verbindung und arbeitete an einer Be¬ waffnung des Volkes. Das Erscheinen eines französischen Heeres sollte das Zeichen zu einem allgemeinen Aufstande sein. Zunächst aber forderten die Katholiken 1792 auf einer großen Versammlung zu Dublin völlige Rechts¬ gleichheit mit den Protestanten. Das britische Parlament gewährte dieses Verlangen nur zum Theil. Der Bund, jetzt über eine halbe Million Theil- nehmer zählend, kehrte darauf seine revolutionären Absichten kühner heraus, und die englische Regierung antwortete darauf damit, daß sie die 1782 ein¬ geführte Habeas - Corpus-Acte wieder aufhob und den Bund auflöste. Französische Expeditionen zur Unterstützung der Jrländer mißlangen und be¬ wirkten nur, daß die ganze Insel unter Kriegsrecht gestellt wurde. 1797 traten die Uniteä IrisKnisn zu neuer geheimer Thätigkeit zusammen, und be¬ gannen sich abermals zum Aufstande zu rüsten. 1798 erhielt die Regierung Aufschluß hierüber, und es erfolgte die Verhaftung mehrerer Häupter der Ver¬ schwörung, was indeß nicht hinderte, daß im Mai an verschiedenen Punkten des Landes die Empörung losbrach. Dieselbe mißlang jedoch vollständig. Flie¬ gende Colonnen englischer Truppen durchzogen die Insel und erstickten den Aufstand im eigentlichsten Sinne in Blut — es sollen damals 30.000 Men¬ schen durch die Waffen umgekommen sein. Die britischen Machthaber faßten nach dieser Katastrophe den Entschluß, eine Vereinigung des irischen Parla¬ ments mit dem englischen einzuleiten, da die Selbständigkeit der Gesetzgebung den Unabhängigkeitssinn der Jrländer nothwendig nährte und begünstigte, und mit Hülfe großartiger Bestechungen wurde diese legislative Union zwischen Irland und Großbritannien im Jahre 1800 durchgesetzt. Die Bildung geheimer politischer Secten hörte aber damit nicht aus. Die „Ilmteä IrMwen" hatten eine schwere Niederlage erlitten, aber die Ge¬ sellschaft lebte fort und machte noch geraume Zeit unter dem Namen der „Ribdov wen" von sich reden, die ihrerseits im dritten Jahrzehnt unsres Säculums die „8g,me VatrieK-do^s" zu Nachfolgern hatten. Alle diese Gesellschaften besaßen mehr oder minder ausgebildete Statuten, alle erkannten sich an geheimen Zeichen, die Ribdonmen z. B. an gewissen Bändern, alle verpflichteten sich durch schwere Eidschwüre zur Treue gegen den Verein und zur Geheimhaltung seiner Gesetze und Zwecke, alle wurden trotzdem verrathen. Die Laivt r^triek-do?« z. B. sahen 1833 ihre Statuten in die Hände der Regierung gelangen und veröffentlicht werden. Wir lesen darin, daß die Mitglieder der Gesellschaft sich einander durch ein feststehendes Zwie¬ gespräch zu erkennen gaben, welches folgendermaßen lautete: „Ein schöner Tag heute." — „Es wird ein noch schönerer kommen." — „Die Straße ist sehr schlecht." — „Sie wird ausgebessert werden." — „Womit?" — „Mit den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/424>, abgerufen am 22.07.2024.