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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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platze hatten. Zu ihrem nächsten; denn der letzte Act unseres Schauspiels
spielt vorwiegend in Amerika.

Die Lage Irlands nach den Schlachten am Boyne und bei Aughrim war
eine trostlose. Ein sehr großer Theil des Landbesitzes war confiscire, furcht¬
bar strenge, damals freilich nothwendige Gesetze hielten die katholischen und
nationalen Elemente nieder. Der katholische Unterricht war verboten, ebenso
die öffentliche Ausübung des katholischen Cultus, kein Katholik durfte Grund¬
eigenthum besitzen, für das irländische Parlament wählen oder ein Amt be¬
kleiden. Die Wollenmanufactur, vordem eine Hauptquelle des Nationalwohl¬
standes, war durch das englische Parlament mit Ausgangszöllen beschränkt
worden, die wie ein Verbot wirken mußten. Der Druck der protestantischen
Grundherren lastete schwer aus dem katholischen Landvolke. Es waren uner¬
trägliche Zustände. Im Jahre 1761 nahmen jene den Bauern sogar das
Recht der freien Weide, indem sie ihre liegenden Gründe einzäumten. Da
schlössen die Beraubten sich zu Banden zusammen, um Vergeltung zu üben.
Es entstand der Bund der "^Vtnw-doz^", so benannt nach den weißen Hemden,
die sie, um sich zu verhüllen, über ihre Kleider zogen. Es waren brodlose
Arbeiter und vertriebene Pächter, die sich des Nachts versammelten, um harte
Grundherren. Pfarrer zu strafen und zu morden, namentlich aber die ver¬
haßten Zäune niederzureißen, weshalb man sie auch I^villers nannte. Sie
verbreiteten sich vorzüglich über Münster und spukten fast ein Vierteljahr¬
hundert hindurch beinahe ungestraft, da kein Ire gegen sie vor Gericht zu
zeugen wagte.

Auch die Protestanten Irlands hatten unter der englischen Tyrannei zu
leiden. Namentlich hatten auch sie drückende Frohnden bet Straßenbauten zu
leisten. Ihre Vorstellungen dagegen wurden von den Gewalthabern hoch-
müthig zurückgewiesen, und so nahmen sie die Abhülfe selbst in die Hand. Dieß
war der Ursprung der "OeK-doxs", eine Bezeichnung, die von ihrem Hauptem¬
bleme, einem Eichenblatte, stammte. Außer der Abschaffung jener Dienst¬
leistungen hatten sie, die vornehmlich in Ulster sich ausbreiteten, vor Allem die
Verminderung der Macht der Geistlichen und die Beseitigung der unbilligen
Abgaben im Auge, welche diese erhoben."

Aehnliche Zwecke verfolgte der 1787 entstandene Bund der "KiZtit-do^s,
der wieder aus Katholiken zusammengesetzt war. Ein nicht unerheblicher
Theil der harten Gesetze, die auf letzteren lasteten, war inzwischen gemildert
oder aufgehoben worden, aber noch immer war viel zu tragen und zu wün¬
schen übrig. Besonders drückend waren für die Katholiken die Zehnten, die
sie an die protestantischen Pfarrer entrichten mußten, während sie zugleich für
ihre eigne Kirche zu sorgen hatten. Die Härte, mit welcher jene Steuer oft
eingetrieben wurde, war die Hauptursache der Entstehung dieser geheimen Ge-


platze hatten. Zu ihrem nächsten; denn der letzte Act unseres Schauspiels
spielt vorwiegend in Amerika.

Die Lage Irlands nach den Schlachten am Boyne und bei Aughrim war
eine trostlose. Ein sehr großer Theil des Landbesitzes war confiscire, furcht¬
bar strenge, damals freilich nothwendige Gesetze hielten die katholischen und
nationalen Elemente nieder. Der katholische Unterricht war verboten, ebenso
die öffentliche Ausübung des katholischen Cultus, kein Katholik durfte Grund¬
eigenthum besitzen, für das irländische Parlament wählen oder ein Amt be¬
kleiden. Die Wollenmanufactur, vordem eine Hauptquelle des Nationalwohl¬
standes, war durch das englische Parlament mit Ausgangszöllen beschränkt
worden, die wie ein Verbot wirken mußten. Der Druck der protestantischen
Grundherren lastete schwer aus dem katholischen Landvolke. Es waren uner¬
trägliche Zustände. Im Jahre 1761 nahmen jene den Bauern sogar das
Recht der freien Weide, indem sie ihre liegenden Gründe einzäumten. Da
schlössen die Beraubten sich zu Banden zusammen, um Vergeltung zu üben.
Es entstand der Bund der „^Vtnw-doz^", so benannt nach den weißen Hemden,
die sie, um sich zu verhüllen, über ihre Kleider zogen. Es waren brodlose
Arbeiter und vertriebene Pächter, die sich des Nachts versammelten, um harte
Grundherren. Pfarrer zu strafen und zu morden, namentlich aber die ver¬
haßten Zäune niederzureißen, weshalb man sie auch I^villers nannte. Sie
verbreiteten sich vorzüglich über Münster und spukten fast ein Vierteljahr¬
hundert hindurch beinahe ungestraft, da kein Ire gegen sie vor Gericht zu
zeugen wagte.

Auch die Protestanten Irlands hatten unter der englischen Tyrannei zu
leiden. Namentlich hatten auch sie drückende Frohnden bet Straßenbauten zu
leisten. Ihre Vorstellungen dagegen wurden von den Gewalthabern hoch-
müthig zurückgewiesen, und so nahmen sie die Abhülfe selbst in die Hand. Dieß
war der Ursprung der „OeK-doxs", eine Bezeichnung, die von ihrem Hauptem¬
bleme, einem Eichenblatte, stammte. Außer der Abschaffung jener Dienst¬
leistungen hatten sie, die vornehmlich in Ulster sich ausbreiteten, vor Allem die
Verminderung der Macht der Geistlichen und die Beseitigung der unbilligen
Abgaben im Auge, welche diese erhoben."

Aehnliche Zwecke verfolgte der 1787 entstandene Bund der „KiZtit-do^s,
der wieder aus Katholiken zusammengesetzt war. Ein nicht unerheblicher
Theil der harten Gesetze, die auf letzteren lasteten, war inzwischen gemildert
oder aufgehoben worden, aber noch immer war viel zu tragen und zu wün¬
schen übrig. Besonders drückend waren für die Katholiken die Zehnten, die
sie an die protestantischen Pfarrer entrichten mußten, während sie zugleich für
ihre eigne Kirche zu sorgen hatten. Die Härte, mit welcher jene Steuer oft
eingetrieben wurde, war die Hauptursache der Entstehung dieser geheimen Ge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/422>, abgerufen am 22.07.2024.