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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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die Schwäche der Staatsregierungen durchgesetzt, und, soviel uns bekannt, bei
den katholischen Regierungen bis jetzt behauptet.

Aus allem Bisherigen ist nun wohl klar, daß der Cölibat, das Verbot
der Priesterehe, mit dem katholischen Glauben gar nichts zu thun hat. Es
ist ein Diseiplinargebot, von allen menschlichen Rücksichten, welche man bei
der katholischen Bestimmung der 5 Sacramente. erfunden hat, daß alle nicht
gleich nothwendig, daher nicht alle gleicher Dignität seien, daß 3 Sacramente,
Taufe, Firmelung und Priesterweihe einen enarketsr inäelsdilis eindrücken,
u. s. w. -- die menschlichste, aus rein hierarchischen Grunde: Non Uborari
potest eeolösis. s, serviwte leüeorum, visi liberentur derlei ab uxoridus,
Gregor VIl.

Aber der Cölibat, das Verbot der Priesterehe, hat nicht nur mit dem
katholischen Glauben nichts zu thun, und ist nicht nur eine menschliche Er¬
findung aus hierarchischen Grunde, sondern es ist eine große Sünde gegen
Gott, gegen die heilige Schrift, gegen die Kirche selbst, die in den Augen der
urtheilsfähigem verständigen Gläubigen tief in ihrem Ansehen geschädigt wird,
und am meisten gegen die Opfer der Herrschsucht, die Priester selbst.

Daß das Alles so ist, wird durch Folgendes noch mehr erkannt, aber
auch mehr als hinreichend bewiesen.

Die Kirche giebt die Ehe für ein Heiligungsmittel aus, gleichwohl soll
die Entsagung aus Zwang Gott wohlgefällig sein, die Kirche zerstört damit
jeden Begriff von Moralität.

Das Gebot ist weiter darum Sünde, weil die Kirche, nach ihren eigenen
Principien gegen die Rechte der Natur nur einen Rath, nimmermehr ein
Gebot geben darf.

Löllarmiu ä"z mouaekis cap. 7: inawrig. prasesM suintg, est ex prin-
eixiis "atuiAe, eng-tsrig. oonsilü suxsrat naturam: so verkehrt dann seine
Ansicht von dem größern Werthe des oonsilü ist, immer folgt, daß die Kirche
kein Gebot gegen die xrinoiM natulÄk geben darf, höchstens einen Rath.

Weiter: die römische Curie erkennt die Ehen der Geistlichen in der grie¬
chischen Kirche an, wie kann sie dort billigen, was sie ihren Geistlichen ver¬
bietet? Wer sieht nicht den Handel mit Glauben und Moral, um die Griechen
herüberzuziehen?

Wohl zu beachten ist ferner der Ausspruch von Pius II. (1438--1464),
dem letzten großen Papste: das priesterliche Cölibatgesetz sei wohlbegründet,
aber noch begründeter seine Aufhebung. Nach der neuen römischen Doctrin
wäre dieser Papst doch auch infallibel gewesen, und folgt somit, da von dem
Glauben als Lehre Christi nichts aufgehoben werden kann, daß das Cölibat¬
gesetz mit dem katholischen Glauben gar nichts zu thun hat.

Ja das hat das Tridentinum in seiner Bestrafung des Concubinats der


die Schwäche der Staatsregierungen durchgesetzt, und, soviel uns bekannt, bei
den katholischen Regierungen bis jetzt behauptet.

Aus allem Bisherigen ist nun wohl klar, daß der Cölibat, das Verbot
der Priesterehe, mit dem katholischen Glauben gar nichts zu thun hat. Es
ist ein Diseiplinargebot, von allen menschlichen Rücksichten, welche man bei
der katholischen Bestimmung der 5 Sacramente. erfunden hat, daß alle nicht
gleich nothwendig, daher nicht alle gleicher Dignität seien, daß 3 Sacramente,
Taufe, Firmelung und Priesterweihe einen enarketsr inäelsdilis eindrücken,
u. s. w. — die menschlichste, aus rein hierarchischen Grunde: Non Uborari
potest eeolösis. s, serviwte leüeorum, visi liberentur derlei ab uxoridus,
Gregor VIl.

Aber der Cölibat, das Verbot der Priesterehe, hat nicht nur mit dem
katholischen Glauben nichts zu thun, und ist nicht nur eine menschliche Er¬
findung aus hierarchischen Grunde, sondern es ist eine große Sünde gegen
Gott, gegen die heilige Schrift, gegen die Kirche selbst, die in den Augen der
urtheilsfähigem verständigen Gläubigen tief in ihrem Ansehen geschädigt wird,
und am meisten gegen die Opfer der Herrschsucht, die Priester selbst.

Daß das Alles so ist, wird durch Folgendes noch mehr erkannt, aber
auch mehr als hinreichend bewiesen.

Die Kirche giebt die Ehe für ein Heiligungsmittel aus, gleichwohl soll
die Entsagung aus Zwang Gott wohlgefällig sein, die Kirche zerstört damit
jeden Begriff von Moralität.

Das Gebot ist weiter darum Sünde, weil die Kirche, nach ihren eigenen
Principien gegen die Rechte der Natur nur einen Rath, nimmermehr ein
Gebot geben darf.

Löllarmiu ä«z mouaekis cap. 7: inawrig. prasesM suintg, est ex prin-
eixiis »atuiAe, eng-tsrig. oonsilü suxsrat naturam: so verkehrt dann seine
Ansicht von dem größern Werthe des oonsilü ist, immer folgt, daß die Kirche
kein Gebot gegen die xrinoiM natulÄk geben darf, höchstens einen Rath.

Weiter: die römische Curie erkennt die Ehen der Geistlichen in der grie¬
chischen Kirche an, wie kann sie dort billigen, was sie ihren Geistlichen ver¬
bietet? Wer sieht nicht den Handel mit Glauben und Moral, um die Griechen
herüberzuziehen?

Wohl zu beachten ist ferner der Ausspruch von Pius II. (1438—1464),
dem letzten großen Papste: das priesterliche Cölibatgesetz sei wohlbegründet,
aber noch begründeter seine Aufhebung. Nach der neuen römischen Doctrin
wäre dieser Papst doch auch infallibel gewesen, und folgt somit, da von dem
Glauben als Lehre Christi nichts aufgehoben werden kann, daß das Cölibat¬
gesetz mit dem katholischen Glauben gar nichts zu thun hat.

Ja das hat das Tridentinum in seiner Bestrafung des Concubinats der


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[0418] die Schwäche der Staatsregierungen durchgesetzt, und, soviel uns bekannt, bei den katholischen Regierungen bis jetzt behauptet. Aus allem Bisherigen ist nun wohl klar, daß der Cölibat, das Verbot der Priesterehe, mit dem katholischen Glauben gar nichts zu thun hat. Es ist ein Diseiplinargebot, von allen menschlichen Rücksichten, welche man bei der katholischen Bestimmung der 5 Sacramente. erfunden hat, daß alle nicht gleich nothwendig, daher nicht alle gleicher Dignität seien, daß 3 Sacramente, Taufe, Firmelung und Priesterweihe einen enarketsr inäelsdilis eindrücken, u. s. w. — die menschlichste, aus rein hierarchischen Grunde: Non Uborari potest eeolösis. s, serviwte leüeorum, visi liberentur derlei ab uxoridus, Gregor VIl. Aber der Cölibat, das Verbot der Priesterehe, hat nicht nur mit dem katholischen Glauben nichts zu thun, und ist nicht nur eine menschliche Er¬ findung aus hierarchischen Grunde, sondern es ist eine große Sünde gegen Gott, gegen die heilige Schrift, gegen die Kirche selbst, die in den Augen der urtheilsfähigem verständigen Gläubigen tief in ihrem Ansehen geschädigt wird, und am meisten gegen die Opfer der Herrschsucht, die Priester selbst. Daß das Alles so ist, wird durch Folgendes noch mehr erkannt, aber auch mehr als hinreichend bewiesen. Die Kirche giebt die Ehe für ein Heiligungsmittel aus, gleichwohl soll die Entsagung aus Zwang Gott wohlgefällig sein, die Kirche zerstört damit jeden Begriff von Moralität. Das Gebot ist weiter darum Sünde, weil die Kirche, nach ihren eigenen Principien gegen die Rechte der Natur nur einen Rath, nimmermehr ein Gebot geben darf. Löllarmiu ä«z mouaekis cap. 7: inawrig. prasesM suintg, est ex prin- eixiis »atuiAe, eng-tsrig. oonsilü suxsrat naturam: so verkehrt dann seine Ansicht von dem größern Werthe des oonsilü ist, immer folgt, daß die Kirche kein Gebot gegen die xrinoiM natulÄk geben darf, höchstens einen Rath. Weiter: die römische Curie erkennt die Ehen der Geistlichen in der grie¬ chischen Kirche an, wie kann sie dort billigen, was sie ihren Geistlichen ver¬ bietet? Wer sieht nicht den Handel mit Glauben und Moral, um die Griechen herüberzuziehen? Wohl zu beachten ist ferner der Ausspruch von Pius II. (1438—1464), dem letzten großen Papste: das priesterliche Cölibatgesetz sei wohlbegründet, aber noch begründeter seine Aufhebung. Nach der neuen römischen Doctrin wäre dieser Papst doch auch infallibel gewesen, und folgt somit, da von dem Glauben als Lehre Christi nichts aufgehoben werden kann, daß das Cölibat¬ gesetz mit dem katholischen Glauben gar nichts zu thun hat. Ja das hat das Tridentinum in seiner Bestrafung des Concubinats der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/418>, abgerufen am 22.07.2024.