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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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der Parusie Christi, deren baldiges Eintreten er erwartete, und wegen der
sicher bevorstehenden Leiden und der damit gesetzten Nothwendigkeit, sich ganz
dem Herrn zu weihen, für besser, nicht zu heirathen, für den, wer das vor¬
ziehe; er erklärt aber eben so entschieden, es sei besser zu heirathen. als zu
brennen, und verordnet nur, daß ein Bischof nicht mehr als Eine Frau habe.
Da nun seine Voraussetzung des baldigen Eintritts der Parusie als Grund
wegfällt, so fällt auch das Gewicht seiner Folgerung, des Vorzugs der Ehe¬
losigkeit; ein Verbot der Priesterehe kann aber kein verständiger Mensch bei
Paulus finden, der ja sagt: ein Bischof soll unsträflich sein, Eines Weibes
Mann.

Nun hat freilich das Tridentinum nach allem geschichtlichen Schwanken,
wie es oben erwähnt ist (Lessio XXIV us Sacramento inatrimomi) folgende Ge¬
bote, soweit sie hierher gehören, gemacht: 1) die Ehe sei ,ein Sacrament,
2) als evusummatum (nach ehelichen Zusammenleben) unauflöslich, 3) den
Geistlichen verboten, 4) der jungfräuliche Stand besser, seliger.

Zuerst ist aber Durchaus nicht gleichgültig, daß man lange in der Kirche
über Begriff und Zahl der Sacramente verschiedener Ansicht war. Die Be¬
stimmung Augustin's (384 -- 430), daß sie Zeichen einer heiligen Sache (siZnum
rei Laerav) seien, enthielt wohl schon den Gedanken einer besonderen Gnade,
aber ohne die Gnadenwirkung ex opere vxerato, die Ooneil. IM. VII, 1, 8
gelehrt wird, deren aber der sel. Möhler sich so geschämt hat, daß er, um die
zweifellos katholische Lehre als katholisches Dogma zu entfernen, das Mssivum
operaw für ein Äoponizns erklärte, also die katholische Lehre verleugnete oder
fälschte. Petrus Lombardus (1- 1164) faßte die Sacramente mehr als ge¬
heimnißvolle (gnadenreiche) Handlungen, und erst Thomas de Aquino ('I- 1274)
bildete den Begriff durch, daß sie siZna visidilig. AiÄtiae invisibilis wären, aber
<Zuae eonkerunt, yuoä siMitteemt"

Ebenso unsicher und noch unsicherer war man in der Bestimmung der
Zahl der Sacramente, Alles ein Beweis, wie es mit der Wahrheit des an¬
geblichen Kennzeichens der katholischen Lehre steht, daß die katholische Lehre
"immer", "überall" und "von allen" angenommen sei. indem dieses Kenn¬
zeichen sich folgenschwer gegen die römische Lehre wendet, die darnach nicht
katholisch sein kann, weil sie "nicht immer", "nicht überall" und "nicht von
allen" geglaubt worden ist.

Chrysostomus und der "heilige" Augustin nahmen nur zwei Sacramente
an, oder sahen nur in Taufe und Abendmahl die eigentlichen Sacramente,
Paschaschius Radbertus (844--864, Abt zu Corbie) und Rabanus Maurus
(847--856 Erzbischof von Mainz) zählen 2, 3, 4 Sacramente, Alexander ab
Hales (1- 1245) nur zwei "nach Christi Einsetzung", dagegen schon Dionysius
Areopagita (ein christlicher Platoniker aus dem 5 Jahrh.) 6, und Peter Damiani


Grenzboten IV. 1875. g2

der Parusie Christi, deren baldiges Eintreten er erwartete, und wegen der
sicher bevorstehenden Leiden und der damit gesetzten Nothwendigkeit, sich ganz
dem Herrn zu weihen, für besser, nicht zu heirathen, für den, wer das vor¬
ziehe; er erklärt aber eben so entschieden, es sei besser zu heirathen. als zu
brennen, und verordnet nur, daß ein Bischof nicht mehr als Eine Frau habe.
Da nun seine Voraussetzung des baldigen Eintritts der Parusie als Grund
wegfällt, so fällt auch das Gewicht seiner Folgerung, des Vorzugs der Ehe¬
losigkeit; ein Verbot der Priesterehe kann aber kein verständiger Mensch bei
Paulus finden, der ja sagt: ein Bischof soll unsträflich sein, Eines Weibes
Mann.

Nun hat freilich das Tridentinum nach allem geschichtlichen Schwanken,
wie es oben erwähnt ist (Lessio XXIV us Sacramento inatrimomi) folgende Ge¬
bote, soweit sie hierher gehören, gemacht: 1) die Ehe sei ,ein Sacrament,
2) als evusummatum (nach ehelichen Zusammenleben) unauflöslich, 3) den
Geistlichen verboten, 4) der jungfräuliche Stand besser, seliger.

Zuerst ist aber Durchaus nicht gleichgültig, daß man lange in der Kirche
über Begriff und Zahl der Sacramente verschiedener Ansicht war. Die Be¬
stimmung Augustin's (384 — 430), daß sie Zeichen einer heiligen Sache (siZnum
rei Laerav) seien, enthielt wohl schon den Gedanken einer besonderen Gnade,
aber ohne die Gnadenwirkung ex opere vxerato, die Ooneil. IM. VII, 1, 8
gelehrt wird, deren aber der sel. Möhler sich so geschämt hat, daß er, um die
zweifellos katholische Lehre als katholisches Dogma zu entfernen, das Mssivum
operaw für ein Äoponizns erklärte, also die katholische Lehre verleugnete oder
fälschte. Petrus Lombardus (1- 1164) faßte die Sacramente mehr als ge¬
heimnißvolle (gnadenreiche) Handlungen, und erst Thomas de Aquino ('I- 1274)
bildete den Begriff durch, daß sie siZna visidilig. AiÄtiae invisibilis wären, aber
<Zuae eonkerunt, yuoä siMitteemt»

Ebenso unsicher und noch unsicherer war man in der Bestimmung der
Zahl der Sacramente, Alles ein Beweis, wie es mit der Wahrheit des an¬
geblichen Kennzeichens der katholischen Lehre steht, daß die katholische Lehre
„immer", „überall" und „von allen" angenommen sei. indem dieses Kenn¬
zeichen sich folgenschwer gegen die römische Lehre wendet, die darnach nicht
katholisch sein kann, weil sie „nicht immer", „nicht überall" und „nicht von
allen" geglaubt worden ist.

Chrysostomus und der „heilige" Augustin nahmen nur zwei Sacramente
an, oder sahen nur in Taufe und Abendmahl die eigentlichen Sacramente,
Paschaschius Radbertus (844—864, Abt zu Corbie) und Rabanus Maurus
(847—856 Erzbischof von Mainz) zählen 2, 3, 4 Sacramente, Alexander ab
Hales (1- 1245) nur zwei „nach Christi Einsetzung", dagegen schon Dionysius
Areopagita (ein christlicher Platoniker aus dem 5 Jahrh.) 6, und Peter Damiani


Grenzboten IV. 1875. g2
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/413>, abgerufen am 22.07.2024.