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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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und die Eigenthümlichkeit eines jeden Zeitalters dieses verlangt ze." -- Wenn
nun andere katholische Theologen und Rechtslehrer, namentlich in neuerer Zeit,
und auch Walter selbst (der in den neueren Ausgaben diesen Standpunkt ver¬
schleiert), anders lehren, so ist das nur eine Illustration, wie es mit der
Wahrheit des Satzes, daß die katholische Ansicht immer, überall und von
allen geglaubt werde, steht, -- aber nicht die katholische Wahrheit hat sich ver¬
ändert, sondern nur Walter ist ein Anderer geworden.

Daß der Papst (von dem in der Bibel kein Wort steht -- wie ja auch
Petrus nie Bischof in Rom gewesen ist, während die darauf ge¬
bauten Folgerungen gleich falsch sind), und die Curialisten (Papalisten) in und
außerhalb Roms, die Frage anders ansehen, das Papstthum und dessen ver¬
meintliche Rechte zu einem Glaubensartikel machen, ändert in der Sache nichts.

Das Tridentinum selbst hat den obigen Unterschied zwischen dem gött¬
lichen und menschlichen Rechte der Kirche durch die Trennung der äsersta as
nao und <1e retormatiolle dargestellt und sanctionirt, ja es konnte überhaupt nur
nach jenem Grundsatze reformiren, denn die nass konnte und durste es gar
nicht reformiren, sondern nur declariren.

Und so erklären sich nun auch die historischen Erscheinungen. Die katho¬
lischen Regierungen haben zwar die Decrete des Tridentinum cle nah (bis
auf das Vaticanum und dieses ausgeschlossen) angenommen, aber sie haben
(gut katholisch) zugleich die äeerotg, desselben Concils as Ziseixlma, s
as retormationL zurückgewiesen (selbst Philipp II.), weil man sie unge¬
nügend oder gegen die Majestätsrechte des Staates fand. Man vgl. darüber
in meiner Symbolik der kath. Kirche die Geschichte und Annahme des Trit.
Concils, auch Wessenberg, D. groß. Kirchenversamm. Bd. 3, 413. Bd. 4, 226 :c. :c.

Freilich suchte und sucht dann die römische Curie ihr (falsches) Princip
zu behaupten, z. B. wenn die weltliche Macht Bischöfe von ihren Sitzen ent¬
fernt (Portugal, Cöln :c.), ernennt nur Vicare, so daß die entfernten Bischöfe
llomillgliter die orümg-rü bleiben, aber sie konnte und kann doch die Bischöfe,
abgesehen von der Belobung, nicht weiter schützen.

Zweifellos ist aber nun, daß das Gebot des Cölibats, das Verbot der
Priesterehe, nicht zum katholischen Glauben, sondern nur zur wandel¬
baren äiseiMna, gehört.

Christus selbst hat den Priestern so wenig die Ehe verboten, als den
anderen Gläubigen, ebensowenig haben das die Apostel gethan, sie waren ja
selbst (nach Paulus sämmtliche) verheirathet. Matth. 19, 12 spricht Christus
nur die factische Erscheinung oder Erfahrung aus, daß manche sich, um höherer
Zwecke willen, der Ehe enthalten, was ja immer geschehen und jedem nach
seinem Gewissen erlaubt ist, aber es liegt darin weder ein Gebot noch ein
Verbot; Paulus aber hält es 1 Cor. 7, 7. 8. 32. 33. 34. 38. nur wegen


und die Eigenthümlichkeit eines jeden Zeitalters dieses verlangt ze." — Wenn
nun andere katholische Theologen und Rechtslehrer, namentlich in neuerer Zeit,
und auch Walter selbst (der in den neueren Ausgaben diesen Standpunkt ver¬
schleiert), anders lehren, so ist das nur eine Illustration, wie es mit der
Wahrheit des Satzes, daß die katholische Ansicht immer, überall und von
allen geglaubt werde, steht, — aber nicht die katholische Wahrheit hat sich ver¬
ändert, sondern nur Walter ist ein Anderer geworden.

Daß der Papst (von dem in der Bibel kein Wort steht — wie ja auch
Petrus nie Bischof in Rom gewesen ist, während die darauf ge¬
bauten Folgerungen gleich falsch sind), und die Curialisten (Papalisten) in und
außerhalb Roms, die Frage anders ansehen, das Papstthum und dessen ver¬
meintliche Rechte zu einem Glaubensartikel machen, ändert in der Sache nichts.

Das Tridentinum selbst hat den obigen Unterschied zwischen dem gött¬
lichen und menschlichen Rechte der Kirche durch die Trennung der äsersta as
nao und <1e retormatiolle dargestellt und sanctionirt, ja es konnte überhaupt nur
nach jenem Grundsatze reformiren, denn die nass konnte und durste es gar
nicht reformiren, sondern nur declariren.

Und so erklären sich nun auch die historischen Erscheinungen. Die katho¬
lischen Regierungen haben zwar die Decrete des Tridentinum cle nah (bis
auf das Vaticanum und dieses ausgeschlossen) angenommen, aber sie haben
(gut katholisch) zugleich die äeerotg, desselben Concils as Ziseixlma, s
as retormationL zurückgewiesen (selbst Philipp II.), weil man sie unge¬
nügend oder gegen die Majestätsrechte des Staates fand. Man vgl. darüber
in meiner Symbolik der kath. Kirche die Geschichte und Annahme des Trit.
Concils, auch Wessenberg, D. groß. Kirchenversamm. Bd. 3, 413. Bd. 4, 226 :c. :c.

Freilich suchte und sucht dann die römische Curie ihr (falsches) Princip
zu behaupten, z. B. wenn die weltliche Macht Bischöfe von ihren Sitzen ent¬
fernt (Portugal, Cöln :c.), ernennt nur Vicare, so daß die entfernten Bischöfe
llomillgliter die orümg-rü bleiben, aber sie konnte und kann doch die Bischöfe,
abgesehen von der Belobung, nicht weiter schützen.

Zweifellos ist aber nun, daß das Gebot des Cölibats, das Verbot der
Priesterehe, nicht zum katholischen Glauben, sondern nur zur wandel¬
baren äiseiMna, gehört.

Christus selbst hat den Priestern so wenig die Ehe verboten, als den
anderen Gläubigen, ebensowenig haben das die Apostel gethan, sie waren ja
selbst (nach Paulus sämmtliche) verheirathet. Matth. 19, 12 spricht Christus
nur die factische Erscheinung oder Erfahrung aus, daß manche sich, um höherer
Zwecke willen, der Ehe enthalten, was ja immer geschehen und jedem nach
seinem Gewissen erlaubt ist, aber es liegt darin weder ein Gebot noch ein
Verbot; Paulus aber hält es 1 Cor. 7, 7. 8. 32. 33. 34. 38. nur wegen


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[0412] und die Eigenthümlichkeit eines jeden Zeitalters dieses verlangt ze." — Wenn nun andere katholische Theologen und Rechtslehrer, namentlich in neuerer Zeit, und auch Walter selbst (der in den neueren Ausgaben diesen Standpunkt ver¬ schleiert), anders lehren, so ist das nur eine Illustration, wie es mit der Wahrheit des Satzes, daß die katholische Ansicht immer, überall und von allen geglaubt werde, steht, — aber nicht die katholische Wahrheit hat sich ver¬ ändert, sondern nur Walter ist ein Anderer geworden. Daß der Papst (von dem in der Bibel kein Wort steht — wie ja auch Petrus nie Bischof in Rom gewesen ist, während die darauf ge¬ bauten Folgerungen gleich falsch sind), und die Curialisten (Papalisten) in und außerhalb Roms, die Frage anders ansehen, das Papstthum und dessen ver¬ meintliche Rechte zu einem Glaubensartikel machen, ändert in der Sache nichts. Das Tridentinum selbst hat den obigen Unterschied zwischen dem gött¬ lichen und menschlichen Rechte der Kirche durch die Trennung der äsersta as nao und <1e retormatiolle dargestellt und sanctionirt, ja es konnte überhaupt nur nach jenem Grundsatze reformiren, denn die nass konnte und durste es gar nicht reformiren, sondern nur declariren. Und so erklären sich nun auch die historischen Erscheinungen. Die katho¬ lischen Regierungen haben zwar die Decrete des Tridentinum cle nah (bis auf das Vaticanum und dieses ausgeschlossen) angenommen, aber sie haben (gut katholisch) zugleich die äeerotg, desselben Concils as Ziseixlma, s as retormationL zurückgewiesen (selbst Philipp II.), weil man sie unge¬ nügend oder gegen die Majestätsrechte des Staates fand. Man vgl. darüber in meiner Symbolik der kath. Kirche die Geschichte und Annahme des Trit. Concils, auch Wessenberg, D. groß. Kirchenversamm. Bd. 3, 413. Bd. 4, 226 :c. :c. Freilich suchte und sucht dann die römische Curie ihr (falsches) Princip zu behaupten, z. B. wenn die weltliche Macht Bischöfe von ihren Sitzen ent¬ fernt (Portugal, Cöln :c.), ernennt nur Vicare, so daß die entfernten Bischöfe llomillgliter die orümg-rü bleiben, aber sie konnte und kann doch die Bischöfe, abgesehen von der Belobung, nicht weiter schützen. Zweifellos ist aber nun, daß das Gebot des Cölibats, das Verbot der Priesterehe, nicht zum katholischen Glauben, sondern nur zur wandel¬ baren äiseiMna, gehört. Christus selbst hat den Priestern so wenig die Ehe verboten, als den anderen Gläubigen, ebensowenig haben das die Apostel gethan, sie waren ja selbst (nach Paulus sämmtliche) verheirathet. Matth. 19, 12 spricht Christus nur die factische Erscheinung oder Erfahrung aus, daß manche sich, um höherer Zwecke willen, der Ehe enthalten, was ja immer geschehen und jedem nach seinem Gewissen erlaubt ist, aber es liegt darin weder ein Gebot noch ein Verbot; Paulus aber hält es 1 Cor. 7, 7. 8. 32. 33. 34. 38. nur wegen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/412>, abgerufen am 22.07.2024.