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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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und der des Priesterstandes im Besonderen zum katholischen
Glauben gehöre?

Der Apostel Petrus (Matth. 8. 14. Marc. 1. 29. Luc. 4. 38) war
verheirathet, nach Paulus (1. Korinth. 9. 5) sämmtliche"), wohl zu
merken, alle Apostel.

Ebenso waren natürlich, wie auch im alten Bunde, alle Geistlichen im
Christenthume verheirathet, durften sich verheirathen.

Erst im 2. und 3. Jahrhunderte ließ übertriebener Eifer für die Be¬
zähmung und Ertödtung der Sinnlichkeit der heidnischen viehischen Versunken-
heit gegenüber die Enthaltsamkeit von der Ehe als eine besondere christliche
Tugend, ja als eine höhere Tugend erscheinen. zusammenhängend ebenso mit
den Schmerzen der Verfolgungen, welche alles Irdische als unsicher, vergänglich
und nichtig empfinden ließen, als mit dem oben bezeichneten asketischen Geiste
der Zeit, der in dem Opfer der Befriedigung der sinnlichen Triebe ein höheres
christliches Verdienst sah und allmählich das Mönchthum gebar. Aufgebracht
wurde diese selbstgemachte Heiligkeit übrigens nicht von den Geistlichen, sondern
von Laien (eontmölltss, 7r"?A^<", Männer, wie Weiber), aber es war nur
natürlich, daß. wenn Laien, um Alles für Christus (in seiner wahren Nach¬
folge) zu opfern, alle ihre Güter den Armen gaben und ehelos lebten (um
den Brüdern zu dienen), man diese höhere Tugend auch von den Geistlichen
forderte. Freilich rächte sich früh genug die Verirrung durch Sünde, indem
sie nun zur höheren Tugendübung mit Jungfrauen in angeblich geschwister¬
lichen Verhältnisse zusammenlebten (sororss sudiuti-oäuetaö, <5^ses"xr<",
Schwestern, Gehülfinnen, ohne Gattinnen zu sein), aber die einmal eingeleitete
Verirrung in dem Begriffe einer höheren Tugend des ehelosen Lebens wurde
dadurch nicht aufgehalten. So wurde denn mehr und mehr auf kleineren wie
größeren Kirchenversammlungen der Versuch gemacht, den Geistlichen das Joch
des Cölibats aufzulegen, aber lange umsonst.

Für immer bezeichnend bleibt die Aeußerung des greisen achtzigjähriger
Bischofs Paphnutius, der auf dem Concil zu Nicäa 325 so vor dem
Weitergehen der Verirrung warnte: er habe nie ein Weib berührt, wenn man
aber den Geistlichen ihre Weiber nehme, so werde bald keine Frau in den
Gemeinden vor ihnen sicher sein.

Indessen gingen nicht nur einzelne Bischöfe, sondern auch einzelne Sy¬
noden mit dem Verbote der Priesterehe weiter, ohne daß gleichwohl ein Recht,



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Herren und selbst Petrus? Wer wagt bei gesundem Verstände zu sagen, daß die eheliche Ver¬
bindung sich nicht mit der Predigt des Evangeliums, mit dem geistlichen Stande ver¬
trage? --

und der des Priesterstandes im Besonderen zum katholischen
Glauben gehöre?

Der Apostel Petrus (Matth. 8. 14. Marc. 1. 29. Luc. 4. 38) war
verheirathet, nach Paulus (1. Korinth. 9. 5) sämmtliche"), wohl zu
merken, alle Apostel.

Ebenso waren natürlich, wie auch im alten Bunde, alle Geistlichen im
Christenthume verheirathet, durften sich verheirathen.

Erst im 2. und 3. Jahrhunderte ließ übertriebener Eifer für die Be¬
zähmung und Ertödtung der Sinnlichkeit der heidnischen viehischen Versunken-
heit gegenüber die Enthaltsamkeit von der Ehe als eine besondere christliche
Tugend, ja als eine höhere Tugend erscheinen. zusammenhängend ebenso mit
den Schmerzen der Verfolgungen, welche alles Irdische als unsicher, vergänglich
und nichtig empfinden ließen, als mit dem oben bezeichneten asketischen Geiste
der Zeit, der in dem Opfer der Befriedigung der sinnlichen Triebe ein höheres
christliches Verdienst sah und allmählich das Mönchthum gebar. Aufgebracht
wurde diese selbstgemachte Heiligkeit übrigens nicht von den Geistlichen, sondern
von Laien (eontmölltss, 7r«?A^<», Männer, wie Weiber), aber es war nur
natürlich, daß. wenn Laien, um Alles für Christus (in seiner wahren Nach¬
folge) zu opfern, alle ihre Güter den Armen gaben und ehelos lebten (um
den Brüdern zu dienen), man diese höhere Tugend auch von den Geistlichen
forderte. Freilich rächte sich früh genug die Verirrung durch Sünde, indem
sie nun zur höheren Tugendübung mit Jungfrauen in angeblich geschwister¬
lichen Verhältnisse zusammenlebten (sororss sudiuti-oäuetaö, <5^ses«xr<»,
Schwestern, Gehülfinnen, ohne Gattinnen zu sein), aber die einmal eingeleitete
Verirrung in dem Begriffe einer höheren Tugend des ehelosen Lebens wurde
dadurch nicht aufgehalten. So wurde denn mehr und mehr auf kleineren wie
größeren Kirchenversammlungen der Versuch gemacht, den Geistlichen das Joch
des Cölibats aufzulegen, aber lange umsonst.

Für immer bezeichnend bleibt die Aeußerung des greisen achtzigjähriger
Bischofs Paphnutius, der auf dem Concil zu Nicäa 325 so vor dem
Weitergehen der Verirrung warnte: er habe nie ein Weib berührt, wenn man
aber den Geistlichen ihre Weiber nehme, so werde bald keine Frau in den
Gemeinden vor ihnen sicher sein.

Indessen gingen nicht nur einzelne Bischöfe, sondern auch einzelne Sy¬
noden mit dem Verbote der Priesterehe weiter, ohne daß gleichwohl ein Recht,



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«^o-r-ro^ — die übrigen Mpostel. und zwar auch M Epexegese) die Brüder des
Herren und selbst Petrus? Wer wagt bei gesundem Verstände zu sagen, daß die eheliche Ver¬
bindung sich nicht mit der Predigt des Evangeliums, mit dem geistlichen Stande ver¬
trage? —
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/409>, abgerufen am 22.07.2024.