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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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so hervorragende Bedeutung giebt, das ist die hier zuerst stattfindende rationelle
Durchbildung der Jnsanterietakttk. Macchiavelli stellt hierüber in seinen
sieben Büchern über Kriegskunst folgende Betrachtungen an: "Es giebt
zweierlei Arten von Bewegungen in einem Heere, nämlich die des einzelnen
Mannes im Bataillon und die jedes einzelnen Bataillons in Verbindung
mit den andern. Wenn der Kriegsmann in den ersteren geübt ist, so dürften
die letzteren nicht schwierig sein; nie aber werden sie ausgeführt werden
können, wenn die ersteren unbekannt sind. Jeder Schlachthaufen muß lernen,
bei allen Arten von Bewegungen und in jedem Terrain Reih und Glied zu
halten, sich in Schlachtordnung aufzustellen, die Töne der Instrumente zu
unterscheiden, durch die im Gefecht die verschiedenen Befehle mitgetheilt werden
u. s. w____DieDeutschen und unter ihnen besonders die Schweizer
haben zuerst ihr Fußvolk auf diese Art zgeübt und es ent¬
sprechend bewaffnet. Die Schweizer, arm und auf ihre Freiheit eiser¬
süchtig, waren und sind noch jetzt stets gezwungen, dem Ehrgeiz der deutschen
Fürsten zu widerstehn, welche leicht eine zahlreiche Reiterei unterhalten können.
Die Armuth der Schweizer versagte ihnen dies Vertheidigungsmittel, und so
nahmen sie zu der Schlachtordnung der Alten ihre Zuflucht, welche, nach
dem Urtheil verständiger Männer, allein im Stande ist, dem Fußvolk das
Uebergewicht zu verschaffen."

Schlachtordnung und Marschordnung fielen bei den Schweizern
-- und das ist ein besonderer Vorzug -- grundsätzlich zusammen. -- Für
den Fall, daß das von einem Canton gestellte Panner auf sich selbst ange¬
wiesen blieb, war diese Ordnung von vornherein festgestellt.*) Und zwar
bildete dann die Hauptmasse (gewöhnlich die Hälfte der Mannschaft) einen
Gewalthaufen, bei dem sich das Banner befand und der deshalb auch
kurzweg "das Banner" genannt wurde. Seinen Grundstoff gaben die
Hellebarden ab. Unmittelbar um das Panner selbst ordneten sich die
Zileten (d. h. Rotten) der vornehmsten Zünfte, gewöhnlich die Constabler
oder Junker, und bei der ganzen Ausstellung wurde sorgsam danach gestrebt,
die als minder zuverlässig geltenden Rotten der Landgemeinden derart unter-
zusteckm, daß sie an jeder Stelle durchsetzt erschienen von den Rotten altbe¬
währter Bürgerzünste. -- Die gewöhnliche Tiefe der Aufstellung ist
20 Mann. -- Ein Theil der Spieße wird verwendet, um die Flanken des
Gewalthaufens einzurahmen; und eine Phalanx von 1200 Hellebardieren und
200 Pikenieren kann man sich also derart geordnet denken, daß im Centrum
60 Rotten Hellebardiere, auf jedem der beiden Flügel aber je 5 Rotten
Pikeniere stehn.



") Diese taktischen Elemente nach Rüstow. a. a. O.

so hervorragende Bedeutung giebt, das ist die hier zuerst stattfindende rationelle
Durchbildung der Jnsanterietakttk. Macchiavelli stellt hierüber in seinen
sieben Büchern über Kriegskunst folgende Betrachtungen an: „Es giebt
zweierlei Arten von Bewegungen in einem Heere, nämlich die des einzelnen
Mannes im Bataillon und die jedes einzelnen Bataillons in Verbindung
mit den andern. Wenn der Kriegsmann in den ersteren geübt ist, so dürften
die letzteren nicht schwierig sein; nie aber werden sie ausgeführt werden
können, wenn die ersteren unbekannt sind. Jeder Schlachthaufen muß lernen,
bei allen Arten von Bewegungen und in jedem Terrain Reih und Glied zu
halten, sich in Schlachtordnung aufzustellen, die Töne der Instrumente zu
unterscheiden, durch die im Gefecht die verschiedenen Befehle mitgetheilt werden
u. s. w____DieDeutschen und unter ihnen besonders die Schweizer
haben zuerst ihr Fußvolk auf diese Art zgeübt und es ent¬
sprechend bewaffnet. Die Schweizer, arm und auf ihre Freiheit eiser¬
süchtig, waren und sind noch jetzt stets gezwungen, dem Ehrgeiz der deutschen
Fürsten zu widerstehn, welche leicht eine zahlreiche Reiterei unterhalten können.
Die Armuth der Schweizer versagte ihnen dies Vertheidigungsmittel, und so
nahmen sie zu der Schlachtordnung der Alten ihre Zuflucht, welche, nach
dem Urtheil verständiger Männer, allein im Stande ist, dem Fußvolk das
Uebergewicht zu verschaffen."

Schlachtordnung und Marschordnung fielen bei den Schweizern
— und das ist ein besonderer Vorzug — grundsätzlich zusammen. — Für
den Fall, daß das von einem Canton gestellte Panner auf sich selbst ange¬
wiesen blieb, war diese Ordnung von vornherein festgestellt.*) Und zwar
bildete dann die Hauptmasse (gewöhnlich die Hälfte der Mannschaft) einen
Gewalthaufen, bei dem sich das Banner befand und der deshalb auch
kurzweg „das Banner" genannt wurde. Seinen Grundstoff gaben die
Hellebarden ab. Unmittelbar um das Panner selbst ordneten sich die
Zileten (d. h. Rotten) der vornehmsten Zünfte, gewöhnlich die Constabler
oder Junker, und bei der ganzen Ausstellung wurde sorgsam danach gestrebt,
die als minder zuverlässig geltenden Rotten der Landgemeinden derart unter-
zusteckm, daß sie an jeder Stelle durchsetzt erschienen von den Rotten altbe¬
währter Bürgerzünste. — Die gewöhnliche Tiefe der Aufstellung ist
20 Mann. — Ein Theil der Spieße wird verwendet, um die Flanken des
Gewalthaufens einzurahmen; und eine Phalanx von 1200 Hellebardieren und
200 Pikenieren kann man sich also derart geordnet denken, daß im Centrum
60 Rotten Hellebardiere, auf jedem der beiden Flügel aber je 5 Rotten
Pikeniere stehn.



") Diese taktischen Elemente nach Rüstow. a. a. O.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/380>, abgerufen am 22.07.2024.