Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

das uralte Heerhorn der Urner, der sogenannte "Uri-Stier". -- Als allge¬
meines Feldzeichen unterschied die Eidgenossen das weiße Kreuz.

Seit dem Ende des 13. Jahrhunderts wurde die Kriegsgemeinde nur
noch sehr selten zusammenberufen, um über den Gang der Operationen zu
berathschlagen; fast ausschließlich bestimmt nun der Kriegsrath, der aus
sämmtlichen Hauptleuten bestand, den Gang der vorzunehmenden Kriegshand-
lungen und bezeichnete, nach Festsetzung der Zug- und Schlachtordnung, wer
die Vorhut, wer den Gewalthaufen, die Nachhut und die Freiknechte zu
führen habe. -- In dem Kriegsrath der Hauptleute entschied die Mehrheit der
Stimmen. Die Minderzahl mußte sich unweigerlich dem Beschluß der Mehr¬
heit fügen. Dieser Gebrauch wurde am Anfang des 15. Jahrhunderts zum
Gesetz erhoben und damit die Macht des Feldherrn ganz außerordentlich be¬
schränkt.

Wie im Alterthum in den Republiken Griechenlands und Roms so wur¬
den im 13. und 14. Jahrhundert Anführer und Kriegsbeamtete der Eidge¬
nossen nur bei stattfindenden Auszuge und bloß auf die Dauer des Krieges
ernannt. Gleich dem Soldaten kehrt auch der Anführer nach beendigtem Krieg
wieder in die Reihen der Bürger oder Landleute zurück, und zuweilen fand
man den Befehlshaber, der im vorhergehenden Feldzuge den Feldherrn¬
stab geführt, im nächstfolgenden mit dem Spieß oder der Hellebarde in der
Hand in den Reihen der Krieger. -- Dieses Verhältniß änderte sich erst, als
im 16. Jahrhundert in allen Orten der schweizerischen Eidgenossenschaft üblich
wurde, die wehrpflichtige Mannschaft jährlich nach verschiedenen Aufgeboten
in die Kriegsrödel einzutragen und zu denselben die nöthigen Kriegsbeamteten
zu verordnen. Die Anführerstellen und Kriegsämter erhielten nunmehr wie
die politischen Staatsämter bei dem Uebergang zur aristokratischen Regierungs¬
form einen mehr bleibenden Charakter.

In Bezug auf die Art der Besetzung der Anführerstellen galt
bei den Schweizern im 14. und 15. Jahrhundert kein unabänderlicher Modus-
Ursprünglich wurden die "Aemter" allerdings, wie schon erwähnt, überall
von der Kriegsgemeinde gewählt! die mit einer solchen Wahl verbundenen
Unzuträglichkeiten haben aber wohl schon früh dahin geführt, wenigstens die
höheren Stellen anders zu besetzen, und da bot sich die Beibehaltung der
(allerdings auch gewählten) oberen Magistrate als Führer im Felde gewiß
zunächst willkommen dar. Wie innig diese Verbindung mit der Zeit wurde,
habe ich bereits erwähnt. Neben diesem Modus bestand indessen offenbar für
mittlere und untere Chargen die Wahl fort, und es herrschte überhaupt große
Mannigfaltigkeit und Verschiedenheit.

In welcher Weise man aber auch bei der Besetzung der Anführerstellen


das uralte Heerhorn der Urner, der sogenannte „Uri-Stier". — Als allge¬
meines Feldzeichen unterschied die Eidgenossen das weiße Kreuz.

Seit dem Ende des 13. Jahrhunderts wurde die Kriegsgemeinde nur
noch sehr selten zusammenberufen, um über den Gang der Operationen zu
berathschlagen; fast ausschließlich bestimmt nun der Kriegsrath, der aus
sämmtlichen Hauptleuten bestand, den Gang der vorzunehmenden Kriegshand-
lungen und bezeichnete, nach Festsetzung der Zug- und Schlachtordnung, wer
die Vorhut, wer den Gewalthaufen, die Nachhut und die Freiknechte zu
führen habe. — In dem Kriegsrath der Hauptleute entschied die Mehrheit der
Stimmen. Die Minderzahl mußte sich unweigerlich dem Beschluß der Mehr¬
heit fügen. Dieser Gebrauch wurde am Anfang des 15. Jahrhunderts zum
Gesetz erhoben und damit die Macht des Feldherrn ganz außerordentlich be¬
schränkt.

Wie im Alterthum in den Republiken Griechenlands und Roms so wur¬
den im 13. und 14. Jahrhundert Anführer und Kriegsbeamtete der Eidge¬
nossen nur bei stattfindenden Auszuge und bloß auf die Dauer des Krieges
ernannt. Gleich dem Soldaten kehrt auch der Anführer nach beendigtem Krieg
wieder in die Reihen der Bürger oder Landleute zurück, und zuweilen fand
man den Befehlshaber, der im vorhergehenden Feldzuge den Feldherrn¬
stab geführt, im nächstfolgenden mit dem Spieß oder der Hellebarde in der
Hand in den Reihen der Krieger. — Dieses Verhältniß änderte sich erst, als
im 16. Jahrhundert in allen Orten der schweizerischen Eidgenossenschaft üblich
wurde, die wehrpflichtige Mannschaft jährlich nach verschiedenen Aufgeboten
in die Kriegsrödel einzutragen und zu denselben die nöthigen Kriegsbeamteten
zu verordnen. Die Anführerstellen und Kriegsämter erhielten nunmehr wie
die politischen Staatsämter bei dem Uebergang zur aristokratischen Regierungs¬
form einen mehr bleibenden Charakter.

In Bezug auf die Art der Besetzung der Anführerstellen galt
bei den Schweizern im 14. und 15. Jahrhundert kein unabänderlicher Modus-
Ursprünglich wurden die „Aemter" allerdings, wie schon erwähnt, überall
von der Kriegsgemeinde gewählt! die mit einer solchen Wahl verbundenen
Unzuträglichkeiten haben aber wohl schon früh dahin geführt, wenigstens die
höheren Stellen anders zu besetzen, und da bot sich die Beibehaltung der
(allerdings auch gewählten) oberen Magistrate als Führer im Felde gewiß
zunächst willkommen dar. Wie innig diese Verbindung mit der Zeit wurde,
habe ich bereits erwähnt. Neben diesem Modus bestand indessen offenbar für
mittlere und untere Chargen die Wahl fort, und es herrschte überhaupt große
Mannigfaltigkeit und Verschiedenheit.

In welcher Weise man aber auch bei der Besetzung der Anführerstellen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0376" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/134722"/>
          <p xml:id="ID_1135" prev="#ID_1134"> das uralte Heerhorn der Urner, der sogenannte &#x201E;Uri-Stier". &#x2014; Als allge¬<lb/>
meines Feldzeichen unterschied die Eidgenossen das weiße Kreuz.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1136"> Seit dem Ende des 13. Jahrhunderts wurde die Kriegsgemeinde nur<lb/>
noch sehr selten zusammenberufen, um über den Gang der Operationen zu<lb/>
berathschlagen; fast ausschließlich bestimmt nun der Kriegsrath, der aus<lb/>
sämmtlichen Hauptleuten bestand, den Gang der vorzunehmenden Kriegshand-<lb/>
lungen und bezeichnete, nach Festsetzung der Zug- und Schlachtordnung, wer<lb/>
die Vorhut, wer den Gewalthaufen, die Nachhut und die Freiknechte zu<lb/>
führen habe. &#x2014; In dem Kriegsrath der Hauptleute entschied die Mehrheit der<lb/>
Stimmen. Die Minderzahl mußte sich unweigerlich dem Beschluß der Mehr¬<lb/>
heit fügen. Dieser Gebrauch wurde am Anfang des 15. Jahrhunderts zum<lb/>
Gesetz erhoben und damit die Macht des Feldherrn ganz außerordentlich be¬<lb/>
schränkt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1137"> Wie im Alterthum in den Republiken Griechenlands und Roms so wur¬<lb/>
den im 13. und 14. Jahrhundert Anführer und Kriegsbeamtete der Eidge¬<lb/>
nossen nur bei stattfindenden Auszuge und bloß auf die Dauer des Krieges<lb/>
ernannt. Gleich dem Soldaten kehrt auch der Anführer nach beendigtem Krieg<lb/>
wieder in die Reihen der Bürger oder Landleute zurück, und zuweilen fand<lb/>
man den Befehlshaber, der im vorhergehenden Feldzuge den Feldherrn¬<lb/>
stab geführt, im nächstfolgenden mit dem Spieß oder der Hellebarde in der<lb/>
Hand in den Reihen der Krieger. &#x2014; Dieses Verhältniß änderte sich erst, als<lb/>
im 16. Jahrhundert in allen Orten der schweizerischen Eidgenossenschaft üblich<lb/>
wurde, die wehrpflichtige Mannschaft jährlich nach verschiedenen Aufgeboten<lb/>
in die Kriegsrödel einzutragen und zu denselben die nöthigen Kriegsbeamteten<lb/>
zu verordnen. Die Anführerstellen und Kriegsämter erhielten nunmehr wie<lb/>
die politischen Staatsämter bei dem Uebergang zur aristokratischen Regierungs¬<lb/>
form einen mehr bleibenden Charakter.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1138"> In Bezug auf die Art der Besetzung der Anführerstellen galt<lb/>
bei den Schweizern im 14. und 15. Jahrhundert kein unabänderlicher Modus-<lb/>
Ursprünglich wurden die &#x201E;Aemter" allerdings, wie schon erwähnt, überall<lb/>
von der Kriegsgemeinde gewählt! die mit einer solchen Wahl verbundenen<lb/>
Unzuträglichkeiten haben aber wohl schon früh dahin geführt, wenigstens die<lb/>
höheren Stellen anders zu besetzen, und da bot sich die Beibehaltung der<lb/>
(allerdings auch gewählten) oberen Magistrate als Führer im Felde gewiß<lb/>
zunächst willkommen dar. Wie innig diese Verbindung mit der Zeit wurde,<lb/>
habe ich bereits erwähnt. Neben diesem Modus bestand indessen offenbar für<lb/>
mittlere und untere Chargen die Wahl fort, und es herrschte überhaupt große<lb/>
Mannigfaltigkeit und Verschiedenheit.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1139" next="#ID_1140"> In welcher Weise man aber auch bei der Besetzung der Anführerstellen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0376] das uralte Heerhorn der Urner, der sogenannte „Uri-Stier". — Als allge¬ meines Feldzeichen unterschied die Eidgenossen das weiße Kreuz. Seit dem Ende des 13. Jahrhunderts wurde die Kriegsgemeinde nur noch sehr selten zusammenberufen, um über den Gang der Operationen zu berathschlagen; fast ausschließlich bestimmt nun der Kriegsrath, der aus sämmtlichen Hauptleuten bestand, den Gang der vorzunehmenden Kriegshand- lungen und bezeichnete, nach Festsetzung der Zug- und Schlachtordnung, wer die Vorhut, wer den Gewalthaufen, die Nachhut und die Freiknechte zu führen habe. — In dem Kriegsrath der Hauptleute entschied die Mehrheit der Stimmen. Die Minderzahl mußte sich unweigerlich dem Beschluß der Mehr¬ heit fügen. Dieser Gebrauch wurde am Anfang des 15. Jahrhunderts zum Gesetz erhoben und damit die Macht des Feldherrn ganz außerordentlich be¬ schränkt. Wie im Alterthum in den Republiken Griechenlands und Roms so wur¬ den im 13. und 14. Jahrhundert Anführer und Kriegsbeamtete der Eidge¬ nossen nur bei stattfindenden Auszuge und bloß auf die Dauer des Krieges ernannt. Gleich dem Soldaten kehrt auch der Anführer nach beendigtem Krieg wieder in die Reihen der Bürger oder Landleute zurück, und zuweilen fand man den Befehlshaber, der im vorhergehenden Feldzuge den Feldherrn¬ stab geführt, im nächstfolgenden mit dem Spieß oder der Hellebarde in der Hand in den Reihen der Krieger. — Dieses Verhältniß änderte sich erst, als im 16. Jahrhundert in allen Orten der schweizerischen Eidgenossenschaft üblich wurde, die wehrpflichtige Mannschaft jährlich nach verschiedenen Aufgeboten in die Kriegsrödel einzutragen und zu denselben die nöthigen Kriegsbeamteten zu verordnen. Die Anführerstellen und Kriegsämter erhielten nunmehr wie die politischen Staatsämter bei dem Uebergang zur aristokratischen Regierungs¬ form einen mehr bleibenden Charakter. In Bezug auf die Art der Besetzung der Anführerstellen galt bei den Schweizern im 14. und 15. Jahrhundert kein unabänderlicher Modus- Ursprünglich wurden die „Aemter" allerdings, wie schon erwähnt, überall von der Kriegsgemeinde gewählt! die mit einer solchen Wahl verbundenen Unzuträglichkeiten haben aber wohl schon früh dahin geführt, wenigstens die höheren Stellen anders zu besetzen, und da bot sich die Beibehaltung der (allerdings auch gewählten) oberen Magistrate als Führer im Felde gewiß zunächst willkommen dar. Wie innig diese Verbindung mit der Zeit wurde, habe ich bereits erwähnt. Neben diesem Modus bestand indessen offenbar für mittlere und untere Chargen die Wahl fort, und es herrschte überhaupt große Mannigfaltigkeit und Verschiedenheit. In welcher Weise man aber auch bei der Besetzung der Anführerstellen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/376
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/376>, abgerufen am 22.07.2024.