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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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horsam zu sein, nirgends hin zu laufen, noch etwas anzufangen, weder einen
Zug noch Antrag zu thun, als mit des Hauptmanns Wissen oder Willen."
Der Hauptmann dagegen schwor, "das Volk, so ihm befohlen, getreulich zu
führen und in guter Ordnung zu halten und in so ferne in seiner Vernunft
und Macht ist, solches vor Schaden und Verlust zu bewahren und dasselbe
nicht von einander sondern, noch theilen zu lassen." Bei dieser Eidesformel
fällt das soldatische derselben auf. Das gesammte Kriegsvolk mußte dem
Hauptmann schwören, die Landesobrigkeit ist nur am Schlüsse flüchtig
berührt. In dem Eid der Hauptleute wird dagegen die Pflicht gegen den
Staat voran gestellt. Das erscheint durchaus angemessen; denn der Soldat
erfüllt seine Pflicht lediglich durch den Gehorsam, der Hauptmann dagegen
muß über die Lösung der ihm auferlegten Pflichten seinem Gewissen und dem
Staate Rechenschaft ablegen. -- Nach der Vereidigung schritten die Haupt¬
leute zur Organisation des Auszuges. Die Pannerherrn. Verner und
Borvenner waren ihnen dabei behilflich. -- In dem Auszuge bildeten die
Städte, Gesellschaften, Zünfte, Aemter und Herrschaften, welche berechtigt
waren, eigene Zeichen (Panner oder Fähnlein) zu führen, die taktischen Ein¬
heiten. Diese wurden nach Maßgabe ihrer Stärke wieder in "Zileten" d. h.
w kleinere Genossenschaften oder Rotten von 6 bis 10 Mann eingetheilt.
Die Mannschaft ein und derselben Rotte war gewöhnlich gleich bewaffnet;
w den Hellebardier-Rotten kommt niemals noch eine andere Bewaffnung vor;
nur Spießer und Schützen sind zuweilen derselben Rotte vereint. Jede
Zunst der Gemeinde stellte in der Regel eine Rotte Schützen, eine Rotte
Spießer und eine oder mehrere Rotten Hellebardiere.")

Die Rangordnung wurde von dem rechten gegen den linken Flügel ge¬
macht . so daß das Panner der herrschenden Stadt oder des herrschenden Lan¬
des auf dem rechten und die Zeichen der zugewandten Orte auf dem linken Flügel
ZU stehen kamen. Die Mannschaft der Aemter und Herrschaften (also der
untertänigen Gebiete) stand zwischen beiden in der Mitte.

Der Pannerherr oder Verner war der nächste Gehülfe und nöthi-
gen Falls der Stellvertreter des Hauptmanns. Er schwur bei dem Auszug,
.,das Panner aufrecht zu erhalten, so lange er es vermöge und sich davon
nicht drängen zu lassen, bis in den Tod." Pannerherrn und Verner zogen
Zu Pferd ins Feld, doch fochten sie, wenn die Schlachthaufen gebildet wur¬
den und zum Angriff schritten, zu Fuß. Die Spielleute zum Banner be¬
soldete die Obrigkeit. Bei den Bernern waren es "Trummenschlaher" und
Pfeifer, welche das "Schwägle" (die Querpfeife) bliesen. -- Die Luzernerund
Unterwaldner führten von alten Zeiten her "Harsthörner", und berühmt war



") Rüstow a. a. O.

horsam zu sein, nirgends hin zu laufen, noch etwas anzufangen, weder einen
Zug noch Antrag zu thun, als mit des Hauptmanns Wissen oder Willen."
Der Hauptmann dagegen schwor, „das Volk, so ihm befohlen, getreulich zu
führen und in guter Ordnung zu halten und in so ferne in seiner Vernunft
und Macht ist, solches vor Schaden und Verlust zu bewahren und dasselbe
nicht von einander sondern, noch theilen zu lassen." Bei dieser Eidesformel
fällt das soldatische derselben auf. Das gesammte Kriegsvolk mußte dem
Hauptmann schwören, die Landesobrigkeit ist nur am Schlüsse flüchtig
berührt. In dem Eid der Hauptleute wird dagegen die Pflicht gegen den
Staat voran gestellt. Das erscheint durchaus angemessen; denn der Soldat
erfüllt seine Pflicht lediglich durch den Gehorsam, der Hauptmann dagegen
muß über die Lösung der ihm auferlegten Pflichten seinem Gewissen und dem
Staate Rechenschaft ablegen. — Nach der Vereidigung schritten die Haupt¬
leute zur Organisation des Auszuges. Die Pannerherrn. Verner und
Borvenner waren ihnen dabei behilflich. — In dem Auszuge bildeten die
Städte, Gesellschaften, Zünfte, Aemter und Herrschaften, welche berechtigt
waren, eigene Zeichen (Panner oder Fähnlein) zu führen, die taktischen Ein¬
heiten. Diese wurden nach Maßgabe ihrer Stärke wieder in „Zileten" d. h.
w kleinere Genossenschaften oder Rotten von 6 bis 10 Mann eingetheilt.
Die Mannschaft ein und derselben Rotte war gewöhnlich gleich bewaffnet;
w den Hellebardier-Rotten kommt niemals noch eine andere Bewaffnung vor;
nur Spießer und Schützen sind zuweilen derselben Rotte vereint. Jede
Zunst der Gemeinde stellte in der Regel eine Rotte Schützen, eine Rotte
Spießer und eine oder mehrere Rotten Hellebardiere.")

Die Rangordnung wurde von dem rechten gegen den linken Flügel ge¬
macht . so daß das Panner der herrschenden Stadt oder des herrschenden Lan¬
des auf dem rechten und die Zeichen der zugewandten Orte auf dem linken Flügel
ZU stehen kamen. Die Mannschaft der Aemter und Herrschaften (also der
untertänigen Gebiete) stand zwischen beiden in der Mitte.

Der Pannerherr oder Verner war der nächste Gehülfe und nöthi-
gen Falls der Stellvertreter des Hauptmanns. Er schwur bei dem Auszug,
.,das Panner aufrecht zu erhalten, so lange er es vermöge und sich davon
nicht drängen zu lassen, bis in den Tod." Pannerherrn und Verner zogen
Zu Pferd ins Feld, doch fochten sie, wenn die Schlachthaufen gebildet wur¬
den und zum Angriff schritten, zu Fuß. Die Spielleute zum Banner be¬
soldete die Obrigkeit. Bei den Bernern waren es „Trummenschlaher" und
Pfeifer, welche das „Schwägle" (die Querpfeife) bliesen. — Die Luzernerund
Unterwaldner führten von alten Zeiten her „Harsthörner", und berühmt war



") Rüstow a. a. O.
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[0375] horsam zu sein, nirgends hin zu laufen, noch etwas anzufangen, weder einen Zug noch Antrag zu thun, als mit des Hauptmanns Wissen oder Willen." Der Hauptmann dagegen schwor, „das Volk, so ihm befohlen, getreulich zu führen und in guter Ordnung zu halten und in so ferne in seiner Vernunft und Macht ist, solches vor Schaden und Verlust zu bewahren und dasselbe nicht von einander sondern, noch theilen zu lassen." Bei dieser Eidesformel fällt das soldatische derselben auf. Das gesammte Kriegsvolk mußte dem Hauptmann schwören, die Landesobrigkeit ist nur am Schlüsse flüchtig berührt. In dem Eid der Hauptleute wird dagegen die Pflicht gegen den Staat voran gestellt. Das erscheint durchaus angemessen; denn der Soldat erfüllt seine Pflicht lediglich durch den Gehorsam, der Hauptmann dagegen muß über die Lösung der ihm auferlegten Pflichten seinem Gewissen und dem Staate Rechenschaft ablegen. — Nach der Vereidigung schritten die Haupt¬ leute zur Organisation des Auszuges. Die Pannerherrn. Verner und Borvenner waren ihnen dabei behilflich. — In dem Auszuge bildeten die Städte, Gesellschaften, Zünfte, Aemter und Herrschaften, welche berechtigt waren, eigene Zeichen (Panner oder Fähnlein) zu führen, die taktischen Ein¬ heiten. Diese wurden nach Maßgabe ihrer Stärke wieder in „Zileten" d. h. w kleinere Genossenschaften oder Rotten von 6 bis 10 Mann eingetheilt. Die Mannschaft ein und derselben Rotte war gewöhnlich gleich bewaffnet; w den Hellebardier-Rotten kommt niemals noch eine andere Bewaffnung vor; nur Spießer und Schützen sind zuweilen derselben Rotte vereint. Jede Zunst der Gemeinde stellte in der Regel eine Rotte Schützen, eine Rotte Spießer und eine oder mehrere Rotten Hellebardiere.") Die Rangordnung wurde von dem rechten gegen den linken Flügel ge¬ macht . so daß das Panner der herrschenden Stadt oder des herrschenden Lan¬ des auf dem rechten und die Zeichen der zugewandten Orte auf dem linken Flügel ZU stehen kamen. Die Mannschaft der Aemter und Herrschaften (also der untertänigen Gebiete) stand zwischen beiden in der Mitte. Der Pannerherr oder Verner war der nächste Gehülfe und nöthi- gen Falls der Stellvertreter des Hauptmanns. Er schwur bei dem Auszug, .,das Panner aufrecht zu erhalten, so lange er es vermöge und sich davon nicht drängen zu lassen, bis in den Tod." Pannerherrn und Verner zogen Zu Pferd ins Feld, doch fochten sie, wenn die Schlachthaufen gebildet wur¬ den und zum Angriff schritten, zu Fuß. Die Spielleute zum Banner be¬ soldete die Obrigkeit. Bei den Bernern waren es „Trummenschlaher" und Pfeifer, welche das „Schwägle" (die Querpfeife) bliesen. — Die Luzernerund Unterwaldner führten von alten Zeiten her „Harsthörner", und berühmt war ") Rüstow a. a. O.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/375>, abgerufen am 22.07.2024.