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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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den Polizeidienst zu versehen, Geleite zu geben und tgi. Im Fall eines
Kriegs scheint man jedoch die Zahl der Söldner durch Anwerbung Frei¬
williger oft nicht unbedeutend verstärkt zu haben; immerhin aber blieb ihre Zahl
auch bei wesentlicher Vermehrung, im Verhältniß zu der Gesammtmasse doch
nur gering; denn die Orte, welche die Eidgenossenschaft bildeten, waren wohl
geneigt, dem Vaterlande, wenn auch nur auf kurze Zeit, jedes nöthige per¬
sönliche Opfer zu bringen, welches den kriegerischen Erfolg sichern konnte,
aber nicht reich genug, um Soldheere zu unterhalten; thaten sie doch, um
Geld zu erwerben, dem Auslande bald selbst in ausgedehntester Weise Söld¬
nerdienst.

Die Hauptzahl der Streiter, welche in offenem Felde auftraten, bildeten
im 15. Jahrhundert die sogenannten "Aufgenommenen", d. h. die ausge¬
hobenen "Knechte". Die Art, wie die Orte ihre Aushebungen bewirkten,
war verschieden. In den Hochlanden strömten Viele freudig zu dem Land-
Panner, und ohne Zwang stellten diese Gebirgsorte meist ein weit zahlreicheres
Contingent, als ihnen vermöge ihrer Einwohnerzahl zugekommen wäre. An¬
ders war es in den Städten, wo die Bürgerschaft durch ihre Beschäftigungen
wehr gefesselt war, als die auf dem Gebirge umherziehenden Jäger und Hirten.
Da erschien der Kriegsdienst oft als eine Last, und das Gesetz bestimmte
die Art der Vertheilung derselben. Dies Gesetz aber war streng; denn die
Städte erschienen, schon um ihren eigenen Landgemeinden imponiren zu können,
gern so stark als möglich. Sie stellten daher meist die Hälfte bis zwei Drittel
ihrer waffenfähigen Mannschaft, während die von den Städten abhängigen
Landgemeinden nur durch ein Drittel vertreten waren.*)

Was die Form der Aushebung betrifft, so beauftragte der Rath
einige seiner Mitglieder, die Aushebung zu überwachen und die "Reiserödel"
anzufertigen. Solche Reiserödel enthielten die Namen der aufzuhebenden
Mannschaft und die Art der Bewaffnung. Dieselben wurden doppelt auf¬
gestellt; das eine Exemplar ward dem Hauptmann ins Feld mitgegeben, das
andere in die Kanzlei gelegt. -- Die Archive der meisten schweizerischen Orte
bergen noch viele alte Reise- und Auszugsrödel.

Ursprünglich wurden Rödel nur angefertigt, wenn ein Kriegsfall vorlag;
"n Laufe des 16. Jahrhunderts aber kam es auf, die Mannschaft jährlich,
mochte ein Auszug stattfinden oder nicht, in die Reiserödel einzutragen; und
um im Falle des Bedarfs ohne Weiteres in das Feld rücken zu können,
^urbe mit der Zeit die ganze Mannschaft der Orte bleibend in 2 Auszugs-
^ntingente eingetheilt, von welchen das erste, schwächer an Zahl, mit dem
"Fähnlein", das zweite, stärkere, mit dem "Panner" ins Feld zog.



bevölk"^ ^üstvw, der die Städter treffend mit den Spartiaten und die abhängige Land-
nung und den lakedämonischen Periöken vergleicht.

den Polizeidienst zu versehen, Geleite zu geben und tgi. Im Fall eines
Kriegs scheint man jedoch die Zahl der Söldner durch Anwerbung Frei¬
williger oft nicht unbedeutend verstärkt zu haben; immerhin aber blieb ihre Zahl
auch bei wesentlicher Vermehrung, im Verhältniß zu der Gesammtmasse doch
nur gering; denn die Orte, welche die Eidgenossenschaft bildeten, waren wohl
geneigt, dem Vaterlande, wenn auch nur auf kurze Zeit, jedes nöthige per¬
sönliche Opfer zu bringen, welches den kriegerischen Erfolg sichern konnte,
aber nicht reich genug, um Soldheere zu unterhalten; thaten sie doch, um
Geld zu erwerben, dem Auslande bald selbst in ausgedehntester Weise Söld¬
nerdienst.

Die Hauptzahl der Streiter, welche in offenem Felde auftraten, bildeten
im 15. Jahrhundert die sogenannten „Aufgenommenen", d. h. die ausge¬
hobenen „Knechte". Die Art, wie die Orte ihre Aushebungen bewirkten,
war verschieden. In den Hochlanden strömten Viele freudig zu dem Land-
Panner, und ohne Zwang stellten diese Gebirgsorte meist ein weit zahlreicheres
Contingent, als ihnen vermöge ihrer Einwohnerzahl zugekommen wäre. An¬
ders war es in den Städten, wo die Bürgerschaft durch ihre Beschäftigungen
wehr gefesselt war, als die auf dem Gebirge umherziehenden Jäger und Hirten.
Da erschien der Kriegsdienst oft als eine Last, und das Gesetz bestimmte
die Art der Vertheilung derselben. Dies Gesetz aber war streng; denn die
Städte erschienen, schon um ihren eigenen Landgemeinden imponiren zu können,
gern so stark als möglich. Sie stellten daher meist die Hälfte bis zwei Drittel
ihrer waffenfähigen Mannschaft, während die von den Städten abhängigen
Landgemeinden nur durch ein Drittel vertreten waren.*)

Was die Form der Aushebung betrifft, so beauftragte der Rath
einige seiner Mitglieder, die Aushebung zu überwachen und die „Reiserödel"
anzufertigen. Solche Reiserödel enthielten die Namen der aufzuhebenden
Mannschaft und die Art der Bewaffnung. Dieselben wurden doppelt auf¬
gestellt; das eine Exemplar ward dem Hauptmann ins Feld mitgegeben, das
andere in die Kanzlei gelegt. — Die Archive der meisten schweizerischen Orte
bergen noch viele alte Reise- und Auszugsrödel.

Ursprünglich wurden Rödel nur angefertigt, wenn ein Kriegsfall vorlag;
"n Laufe des 16. Jahrhunderts aber kam es auf, die Mannschaft jährlich,
mochte ein Auszug stattfinden oder nicht, in die Reiserödel einzutragen; und
um im Falle des Bedarfs ohne Weiteres in das Feld rücken zu können,
^urbe mit der Zeit die ganze Mannschaft der Orte bleibend in 2 Auszugs-
^ntingente eingetheilt, von welchen das erste, schwächer an Zahl, mit dem
"Fähnlein", das zweite, stärkere, mit dem „Panner" ins Feld zog.



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nung und den lakedämonischen Periöken vergleicht.
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[0371] den Polizeidienst zu versehen, Geleite zu geben und tgi. Im Fall eines Kriegs scheint man jedoch die Zahl der Söldner durch Anwerbung Frei¬ williger oft nicht unbedeutend verstärkt zu haben; immerhin aber blieb ihre Zahl auch bei wesentlicher Vermehrung, im Verhältniß zu der Gesammtmasse doch nur gering; denn die Orte, welche die Eidgenossenschaft bildeten, waren wohl geneigt, dem Vaterlande, wenn auch nur auf kurze Zeit, jedes nöthige per¬ sönliche Opfer zu bringen, welches den kriegerischen Erfolg sichern konnte, aber nicht reich genug, um Soldheere zu unterhalten; thaten sie doch, um Geld zu erwerben, dem Auslande bald selbst in ausgedehntester Weise Söld¬ nerdienst. Die Hauptzahl der Streiter, welche in offenem Felde auftraten, bildeten im 15. Jahrhundert die sogenannten „Aufgenommenen", d. h. die ausge¬ hobenen „Knechte". Die Art, wie die Orte ihre Aushebungen bewirkten, war verschieden. In den Hochlanden strömten Viele freudig zu dem Land- Panner, und ohne Zwang stellten diese Gebirgsorte meist ein weit zahlreicheres Contingent, als ihnen vermöge ihrer Einwohnerzahl zugekommen wäre. An¬ ders war es in den Städten, wo die Bürgerschaft durch ihre Beschäftigungen wehr gefesselt war, als die auf dem Gebirge umherziehenden Jäger und Hirten. Da erschien der Kriegsdienst oft als eine Last, und das Gesetz bestimmte die Art der Vertheilung derselben. Dies Gesetz aber war streng; denn die Städte erschienen, schon um ihren eigenen Landgemeinden imponiren zu können, gern so stark als möglich. Sie stellten daher meist die Hälfte bis zwei Drittel ihrer waffenfähigen Mannschaft, während die von den Städten abhängigen Landgemeinden nur durch ein Drittel vertreten waren.*) Was die Form der Aushebung betrifft, so beauftragte der Rath einige seiner Mitglieder, die Aushebung zu überwachen und die „Reiserödel" anzufertigen. Solche Reiserödel enthielten die Namen der aufzuhebenden Mannschaft und die Art der Bewaffnung. Dieselben wurden doppelt auf¬ gestellt; das eine Exemplar ward dem Hauptmann ins Feld mitgegeben, das andere in die Kanzlei gelegt. — Die Archive der meisten schweizerischen Orte bergen noch viele alte Reise- und Auszugsrödel. Ursprünglich wurden Rödel nur angefertigt, wenn ein Kriegsfall vorlag; "n Laufe des 16. Jahrhunderts aber kam es auf, die Mannschaft jährlich, mochte ein Auszug stattfinden oder nicht, in die Reiserödel einzutragen; und um im Falle des Bedarfs ohne Weiteres in das Feld rücken zu können, ^urbe mit der Zeit die ganze Mannschaft der Orte bleibend in 2 Auszugs- ^ntingente eingetheilt, von welchen das erste, schwächer an Zahl, mit dem "Fähnlein", das zweite, stärkere, mit dem „Panner" ins Feld zog. bevölk«^ ^üstvw, der die Städter treffend mit den Spartiaten und die abhängige Land- nung und den lakedämonischen Periöken vergleicht.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/371>, abgerufen am 22.07.2024.