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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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die Krieger im Felde führte, den stellten sie auch im Frieden an die Spitze
der Geschäfte, und wer im Frieden diese leitete, den wählten sie auch im Kriege
gewöhnlich zum Anführer. Aehnlich war es in den Städten; die Einrich¬
tungen des Staates waren hier ebenfalls durchaus zugleich auf den Krieg be¬
rechnet, und erst in späterer Zeit wurde der Rücksicht auf ruhige Entwickelung
des materiellen Wohlstandes das Hauptaugenmerk zugewendet. -- Außer den
schon genannten Beamten waren der Zeugherr, der Bauherr und der Stadt¬
oder Landesseckelmeister mit den einzelnen Zweigen der Kriegsverwaltung
beschäftigt.

Wenn die oberste Landesbehörde nicht aus Kriegsmännern bestand, so
wurden die Hauptleute und Verner ihren Berathungen beigegeben oder ihr
zum Zweck der Leitung und Beaufsichtigung des Kriegswesens ein Kriegsrath
beigeordnet. Im 14. Jahrhundert hatten z. B. in Bern die Verner allen
Verhandlungen des Raths beizuwohnen, und in Unterwalden ward noch 1S87
festgesetzt: "Wenn ein Hauptmann und Pannerherr gesetzt werde, sollen sie
auch zu allen Räthen gehen und bei denselben handeln oder rathschlagen
helfen, es sei daheim oder im Feld, wie's an andern Orten auch geschehe."
In Uri wurde ebenfalls zu Ende des 16. Jahrhunderts ein Kriegsrath ge¬
bildet, welcher aus allen Vorsitzenden Herren und geheimen Räthen, den beiden
Oberst-Landes - Wachtmeistern, Rottenhauptleuten und den Proviant-Stück-
(Artillerie) und Troßhauptleuten bestand und welcher alle die Kriegssachen
betreffenden Beschlüsse zu fassen hatte. Diese Daten aus verschiedenen
Jahrhunderten zeigen deutlich, wie die Durchdringung der bürgerlichen Ver¬
waltungsmaßregeln mit der militärischen Intelligenz geschulter Soldaten den
Schweizern zur Zeit ihrer kriegerischen und europäischen Wirksamkeit durchaus
nothwendig erschien.

Einer so innigen Verschmelzung der bürgerlichen und militärischen Be¬
hörden entsprach es, daß die kriegerischen Einrichtungen mit den politischen
zusammenfielen. -- Jedes Land und jede Stadt, jede Herrschaft und jedes Amt,
ja jede Zunft hatte ein eigenes Zeichen (Panner oder Fähnlein) und die
Mannschaft derselben bildete eine besondere Rotte. Weitere Unterabtheil¬
ungen fanden nicht statt, wohl aber wurde die Mannschaft sehr kleiner Land¬
gemeinden zuweilen vereinigt.*) Innerhalb jener engen, scharf abgegrenzten
Kreise wurde nun eigentlich Alles erledigt, was sich auf die personellen Ver¬
hältnisse des Kriegswesens bezieht.

In den Städten waren es die Zunft- oder Quartiermeister, in
den Ländern die Viertelsmeister, in Glarus die Vorsteher der Tagwen,
in Appenzell die Gemeinderäthe, welche die wehrfähige Mannschaft auf-



') Rüstow a. a. O.

die Krieger im Felde führte, den stellten sie auch im Frieden an die Spitze
der Geschäfte, und wer im Frieden diese leitete, den wählten sie auch im Kriege
gewöhnlich zum Anführer. Aehnlich war es in den Städten; die Einrich¬
tungen des Staates waren hier ebenfalls durchaus zugleich auf den Krieg be¬
rechnet, und erst in späterer Zeit wurde der Rücksicht auf ruhige Entwickelung
des materiellen Wohlstandes das Hauptaugenmerk zugewendet. — Außer den
schon genannten Beamten waren der Zeugherr, der Bauherr und der Stadt¬
oder Landesseckelmeister mit den einzelnen Zweigen der Kriegsverwaltung
beschäftigt.

Wenn die oberste Landesbehörde nicht aus Kriegsmännern bestand, so
wurden die Hauptleute und Verner ihren Berathungen beigegeben oder ihr
zum Zweck der Leitung und Beaufsichtigung des Kriegswesens ein Kriegsrath
beigeordnet. Im 14. Jahrhundert hatten z. B. in Bern die Verner allen
Verhandlungen des Raths beizuwohnen, und in Unterwalden ward noch 1S87
festgesetzt: „Wenn ein Hauptmann und Pannerherr gesetzt werde, sollen sie
auch zu allen Räthen gehen und bei denselben handeln oder rathschlagen
helfen, es sei daheim oder im Feld, wie's an andern Orten auch geschehe."
In Uri wurde ebenfalls zu Ende des 16. Jahrhunderts ein Kriegsrath ge¬
bildet, welcher aus allen Vorsitzenden Herren und geheimen Räthen, den beiden
Oberst-Landes - Wachtmeistern, Rottenhauptleuten und den Proviant-Stück-
(Artillerie) und Troßhauptleuten bestand und welcher alle die Kriegssachen
betreffenden Beschlüsse zu fassen hatte. Diese Daten aus verschiedenen
Jahrhunderten zeigen deutlich, wie die Durchdringung der bürgerlichen Ver¬
waltungsmaßregeln mit der militärischen Intelligenz geschulter Soldaten den
Schweizern zur Zeit ihrer kriegerischen und europäischen Wirksamkeit durchaus
nothwendig erschien.

Einer so innigen Verschmelzung der bürgerlichen und militärischen Be¬
hörden entsprach es, daß die kriegerischen Einrichtungen mit den politischen
zusammenfielen. — Jedes Land und jede Stadt, jede Herrschaft und jedes Amt,
ja jede Zunft hatte ein eigenes Zeichen (Panner oder Fähnlein) und die
Mannschaft derselben bildete eine besondere Rotte. Weitere Unterabtheil¬
ungen fanden nicht statt, wohl aber wurde die Mannschaft sehr kleiner Land¬
gemeinden zuweilen vereinigt.*) Innerhalb jener engen, scharf abgegrenzten
Kreise wurde nun eigentlich Alles erledigt, was sich auf die personellen Ver¬
hältnisse des Kriegswesens bezieht.

In den Städten waren es die Zunft- oder Quartiermeister, in
den Ländern die Viertelsmeister, in Glarus die Vorsteher der Tagwen,
in Appenzell die Gemeinderäthe, welche die wehrfähige Mannschaft auf-



') Rüstow a. a. O.
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[0368] die Krieger im Felde führte, den stellten sie auch im Frieden an die Spitze der Geschäfte, und wer im Frieden diese leitete, den wählten sie auch im Kriege gewöhnlich zum Anführer. Aehnlich war es in den Städten; die Einrich¬ tungen des Staates waren hier ebenfalls durchaus zugleich auf den Krieg be¬ rechnet, und erst in späterer Zeit wurde der Rücksicht auf ruhige Entwickelung des materiellen Wohlstandes das Hauptaugenmerk zugewendet. — Außer den schon genannten Beamten waren der Zeugherr, der Bauherr und der Stadt¬ oder Landesseckelmeister mit den einzelnen Zweigen der Kriegsverwaltung beschäftigt. Wenn die oberste Landesbehörde nicht aus Kriegsmännern bestand, so wurden die Hauptleute und Verner ihren Berathungen beigegeben oder ihr zum Zweck der Leitung und Beaufsichtigung des Kriegswesens ein Kriegsrath beigeordnet. Im 14. Jahrhundert hatten z. B. in Bern die Verner allen Verhandlungen des Raths beizuwohnen, und in Unterwalden ward noch 1S87 festgesetzt: „Wenn ein Hauptmann und Pannerherr gesetzt werde, sollen sie auch zu allen Räthen gehen und bei denselben handeln oder rathschlagen helfen, es sei daheim oder im Feld, wie's an andern Orten auch geschehe." In Uri wurde ebenfalls zu Ende des 16. Jahrhunderts ein Kriegsrath ge¬ bildet, welcher aus allen Vorsitzenden Herren und geheimen Räthen, den beiden Oberst-Landes - Wachtmeistern, Rottenhauptleuten und den Proviant-Stück- (Artillerie) und Troßhauptleuten bestand und welcher alle die Kriegssachen betreffenden Beschlüsse zu fassen hatte. Diese Daten aus verschiedenen Jahrhunderten zeigen deutlich, wie die Durchdringung der bürgerlichen Ver¬ waltungsmaßregeln mit der militärischen Intelligenz geschulter Soldaten den Schweizern zur Zeit ihrer kriegerischen und europäischen Wirksamkeit durchaus nothwendig erschien. Einer so innigen Verschmelzung der bürgerlichen und militärischen Be¬ hörden entsprach es, daß die kriegerischen Einrichtungen mit den politischen zusammenfielen. — Jedes Land und jede Stadt, jede Herrschaft und jedes Amt, ja jede Zunft hatte ein eigenes Zeichen (Panner oder Fähnlein) und die Mannschaft derselben bildete eine besondere Rotte. Weitere Unterabtheil¬ ungen fanden nicht statt, wohl aber wurde die Mannschaft sehr kleiner Land¬ gemeinden zuweilen vereinigt.*) Innerhalb jener engen, scharf abgegrenzten Kreise wurde nun eigentlich Alles erledigt, was sich auf die personellen Ver¬ hältnisse des Kriegswesens bezieht. In den Städten waren es die Zunft- oder Quartiermeister, in den Ländern die Viertelsmeister, in Glarus die Vorsteher der Tagwen, in Appenzell die Gemeinderäthe, welche die wehrfähige Mannschaft auf- ') Rüstow a. a. O.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/368>, abgerufen am 22.07.2024.