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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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gebiets, doch um 40 geographische Meilen abgekürzt, und sodann bekommt
durch diesen Zuwachs das langgestreckte Küstenland Dalmatien ein Hinter¬
land und wird dadurch mit dem Hauptkörper der Monarchie räumlich ver¬
bunden. Möchte doch Oesterreich sich nicht auch bei dieser Angelegenheit in
das Schlepptau der Magyaren nehmen und durch deren Geschrei sich verleiten
lassen, die gefährdete Position Dalmatien in seiner unglücklichen geographischen
Jsolirung zu lassen.

Die Herzegowina gehört naturgemäß zu Czerna g6ra, aber ebenso natur¬
gemäß gehört Ragusa zur Herzegowina. Der handelspolitische Werth dieser
ehemaligen Republik mit 25 Meilen ist nicht von solcher Bedeutung für
Oesterreich, daß letzteres nicht gern die Gelegenheit wahrnehmen müßte, das
widerhaarige weitabliegende Gebiet mit unverhältnißmäßig langen Grenzen
los zu werden und seinem südlichen Nachbar, der diese Meeresküste nicht ent¬
behren kann, mit wohlwollender Opferbereitschaft entgegen zu kommen.

Die böhmischen Landschaften östlich von der Bosra mit Novibazar werden
Serbien so abrunden, daß es wenigstens nach Westen und Süden seine natür¬
lichen Grenzen erreicht, aber sie werden Serbien deßhalb nicht zu einer Macht
zweiten Ranges und für Oesterreich furchtbar machen. Ob Serbien statt
790 ^Meilen künftig 1390 1^ Meilen haben wird, ist für alle Mächte, ins¬
besondere aber für die Nachbarn Oesterreich und Rumänien ganz gleich.
Oesterreich hat nicht im geringsten zu besorgen, daß seine serbische Bevölkerung
in der Woiwodina, die durch die mächtigen Wasseradern der Donau und save
von Serbien getrennt ist, später mehr nach Serbien gravitire als jetzt. Den
herrschsüchtigen und hochmüthigen Magyaren gegenüber ist es für Oesterreich
kein Schaden, wenn an der Südgrenze ein Wachtposten steht, der mehr auf
Wien als auf Pesth sieht.

Nun wird uns mancher Leser zwar zugeben, daß vorstehend angegebene
Lösung der böhmischen Frage die wünschenswertheste, aber er wird einwenden,
daß deren Realisirung nicht abzusehen sei. Wir glauben aber, daß zu der
Verwirklichung nur der erst ausgesprochene Wunsch der Großmächte gehört,
aß es so sein solle; das übrige werden sodann Serbien, Czerna g6ra und
" aufständische Bevölkerung sowie die Geldverlegenheit der Türken besorgen.
Hrerbei ist zu berücksichtigen, daß das ganze Mlayet Bosnien sür die Türkei
gar keinen reellen Werth hat und daß'es für sie stets ein Heerd der Unruhe,
es Aufstandes und der Verwicklungen war. Ueberdies ist es durch Serbien
und Montenegro fast ganz vom Hauptkörper der Monarchie abgeschnitten und
nur durch die Landzunge von Novibazar damit verbunden. Die Türkei hat
ve^i?"^""^^ °" Bosnien durch eine grauenhaft schlechte Verwaltung
selbst ^ Bosnien nicht halten und wird sich nicht halten,
> wenn die Großmächte auch diesmal so gleichgültig sein sollten, wie vor


gebiets, doch um 40 geographische Meilen abgekürzt, und sodann bekommt
durch diesen Zuwachs das langgestreckte Küstenland Dalmatien ein Hinter¬
land und wird dadurch mit dem Hauptkörper der Monarchie räumlich ver¬
bunden. Möchte doch Oesterreich sich nicht auch bei dieser Angelegenheit in
das Schlepptau der Magyaren nehmen und durch deren Geschrei sich verleiten
lassen, die gefährdete Position Dalmatien in seiner unglücklichen geographischen
Jsolirung zu lassen.

Die Herzegowina gehört naturgemäß zu Czerna g6ra, aber ebenso natur¬
gemäß gehört Ragusa zur Herzegowina. Der handelspolitische Werth dieser
ehemaligen Republik mit 25 Meilen ist nicht von solcher Bedeutung für
Oesterreich, daß letzteres nicht gern die Gelegenheit wahrnehmen müßte, das
widerhaarige weitabliegende Gebiet mit unverhältnißmäßig langen Grenzen
los zu werden und seinem südlichen Nachbar, der diese Meeresküste nicht ent¬
behren kann, mit wohlwollender Opferbereitschaft entgegen zu kommen.

Die böhmischen Landschaften östlich von der Bosra mit Novibazar werden
Serbien so abrunden, daß es wenigstens nach Westen und Süden seine natür¬
lichen Grenzen erreicht, aber sie werden Serbien deßhalb nicht zu einer Macht
zweiten Ranges und für Oesterreich furchtbar machen. Ob Serbien statt
790 ^Meilen künftig 1390 1^ Meilen haben wird, ist für alle Mächte, ins¬
besondere aber für die Nachbarn Oesterreich und Rumänien ganz gleich.
Oesterreich hat nicht im geringsten zu besorgen, daß seine serbische Bevölkerung
in der Woiwodina, die durch die mächtigen Wasseradern der Donau und save
von Serbien getrennt ist, später mehr nach Serbien gravitire als jetzt. Den
herrschsüchtigen und hochmüthigen Magyaren gegenüber ist es für Oesterreich
kein Schaden, wenn an der Südgrenze ein Wachtposten steht, der mehr auf
Wien als auf Pesth sieht.

Nun wird uns mancher Leser zwar zugeben, daß vorstehend angegebene
Lösung der böhmischen Frage die wünschenswertheste, aber er wird einwenden,
daß deren Realisirung nicht abzusehen sei. Wir glauben aber, daß zu der
Verwirklichung nur der erst ausgesprochene Wunsch der Großmächte gehört,
aß es so sein solle; das übrige werden sodann Serbien, Czerna g6ra und
" aufständische Bevölkerung sowie die Geldverlegenheit der Türken besorgen.
Hrerbei ist zu berücksichtigen, daß das ganze Mlayet Bosnien sür die Türkei
gar keinen reellen Werth hat und daß'es für sie stets ein Heerd der Unruhe,
es Aufstandes und der Verwicklungen war. Ueberdies ist es durch Serbien
und Montenegro fast ganz vom Hauptkörper der Monarchie abgeschnitten und
nur durch die Landzunge von Novibazar damit verbunden. Die Türkei hat
ve^i?"^""^^ °" Bosnien durch eine grauenhaft schlechte Verwaltung
selbst ^ Bosnien nicht halten und wird sich nicht halten,
> wenn die Großmächte auch diesmal so gleichgültig sein sollten, wie vor


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[0347] gebiets, doch um 40 geographische Meilen abgekürzt, und sodann bekommt durch diesen Zuwachs das langgestreckte Küstenland Dalmatien ein Hinter¬ land und wird dadurch mit dem Hauptkörper der Monarchie räumlich ver¬ bunden. Möchte doch Oesterreich sich nicht auch bei dieser Angelegenheit in das Schlepptau der Magyaren nehmen und durch deren Geschrei sich verleiten lassen, die gefährdete Position Dalmatien in seiner unglücklichen geographischen Jsolirung zu lassen. Die Herzegowina gehört naturgemäß zu Czerna g6ra, aber ebenso natur¬ gemäß gehört Ragusa zur Herzegowina. Der handelspolitische Werth dieser ehemaligen Republik mit 25 Meilen ist nicht von solcher Bedeutung für Oesterreich, daß letzteres nicht gern die Gelegenheit wahrnehmen müßte, das widerhaarige weitabliegende Gebiet mit unverhältnißmäßig langen Grenzen los zu werden und seinem südlichen Nachbar, der diese Meeresküste nicht ent¬ behren kann, mit wohlwollender Opferbereitschaft entgegen zu kommen. Die böhmischen Landschaften östlich von der Bosra mit Novibazar werden Serbien so abrunden, daß es wenigstens nach Westen und Süden seine natür¬ lichen Grenzen erreicht, aber sie werden Serbien deßhalb nicht zu einer Macht zweiten Ranges und für Oesterreich furchtbar machen. Ob Serbien statt 790 ^Meilen künftig 1390 1^ Meilen haben wird, ist für alle Mächte, ins¬ besondere aber für die Nachbarn Oesterreich und Rumänien ganz gleich. Oesterreich hat nicht im geringsten zu besorgen, daß seine serbische Bevölkerung in der Woiwodina, die durch die mächtigen Wasseradern der Donau und save von Serbien getrennt ist, später mehr nach Serbien gravitire als jetzt. Den herrschsüchtigen und hochmüthigen Magyaren gegenüber ist es für Oesterreich kein Schaden, wenn an der Südgrenze ein Wachtposten steht, der mehr auf Wien als auf Pesth sieht. Nun wird uns mancher Leser zwar zugeben, daß vorstehend angegebene Lösung der böhmischen Frage die wünschenswertheste, aber er wird einwenden, daß deren Realisirung nicht abzusehen sei. Wir glauben aber, daß zu der Verwirklichung nur der erst ausgesprochene Wunsch der Großmächte gehört, aß es so sein solle; das übrige werden sodann Serbien, Czerna g6ra und " aufständische Bevölkerung sowie die Geldverlegenheit der Türken besorgen. Hrerbei ist zu berücksichtigen, daß das ganze Mlayet Bosnien sür die Türkei gar keinen reellen Werth hat und daß'es für sie stets ein Heerd der Unruhe, es Aufstandes und der Verwicklungen war. Ueberdies ist es durch Serbien und Montenegro fast ganz vom Hauptkörper der Monarchie abgeschnitten und nur durch die Landzunge von Novibazar damit verbunden. Die Türkei hat ve^i?"^""^^ °" Bosnien durch eine grauenhaft schlechte Verwaltung selbst ^ Bosnien nicht halten und wird sich nicht halten, > wenn die Großmächte auch diesmal so gleichgültig sein sollten, wie vor

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/347>, abgerufen am 22.07.2024.