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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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Auge des Erdenmenschen, damit dieselben das Licht der auf sie wegen der
größeren Entfernung schwächer wirkenden Sonnenstrahlen ebenso stark empfän¬
den als wir. Aus dem Verhältnisse zwischen den Entfernungen des Jupiter
und der Erde von der Sonne folgerte er die Größe der Pupille, und aus
dieser wieder die Größe der Jupitermenschen, wobei sich ihm herausstellte, daß
dieselbe dreizehn und einen halben Fuß betragen müsse. Man darf wohl be¬
haupten, daß jeder, der im Ernste beabsichtigt, die Bewohner eines andern
Planeten zu bestimmen, ihre Existenzbedingungen aufzuzählen und ihren
körperlichen oder geistigen Zustand darzustellen, ein Ding der Unmög¬
lichkeit unternimmt. Er wird immer nur den Erdenmenschen als Riesen oder
Zwerg, als leichter oder schwerer, luftiger oder dichter, feiner oder gröber
wiederfinden, und das ist eben eine falsche Vorstellung. Um über die Schöpfung
auf den Planeten etwas Begründetes sagen, um über die Formen, welche
das Leben auf ihnen annehmen kann, ein Urtheil fällen zu können, müßte
man ein allgemeines und für alle gültiges Prinzip zur Grundlage haben.
Mittelst dieses absoluten Princips könnte man dann innerhalb gewisser Grenzen
vergleichen und folgern. Aber was besitzen wir Absolutes im ganzen Bereich
unseres Willen?

Wir können in dieser Beziehung nur mit Flammarion auf den ganz all¬
gemeinen Satz zurückkommen, daß die Natur der Planetenbewohner immer
der Natur ihres besondern Planeten entsprechen muß. Selbst wenn die ado¬
nischen Elemente für verschiedene Gestirne dieselben wären, selbst wenn es für
alle Himmelskörper eine Einheit der Substanz gäbe. so würden die Verbin¬
dungen derselben nicht auf jedem Planeten gleichmäßig erfolgt sein, denn die
zur Bildung der letzten erforderlichen Kräfte konnten bei jedem entstehenden
Gestirne sich in andern Verhältnissen und unter andern Bedingungen bethätigen.
Hier wurde dadurch die Wärme der Sonne, dort die innere Wärme des Pla¬
neten vorherrschend, hier gewann die Macht des Feuers, dort die des Wassers
die Herrschaft, hier gestatteten chemische Verbindungen die gleichzeitige Wirkung
der Elektricität, der Gase und Dünste, dort konnten diese Verbindungen nicht vor
sich gehen, und es traten an ihrer Stelle Kämpfe von Elementen ganz andrer Natur
ein. hier verbanden sich Sauerstoff und Stickstoff zu einer großen atmosphärischen
Hülle, und es entstanden Wesen, die unter dieser Umhüllung leben konnten,
dort herrschte die Kohlensäure vor, anderwärts bildeten andere Gase den atmos¬
phärischen Mantel des Planeten, und infolge dessen erschien die ganze Schöpfung
vom Mineral bis hinauf zum Vernunftwesen in andern Formen.

Schwierig scheint schließlich nur noch, sich eine von der unsrigen verschie¬
dene menschliche Urform für alle Planetenbewohner zu denken. Erwägen wir
jedoch. daß die menschliche Organisation die Summe aller thierischen Organi¬
sationen, welche nach einer bestimmten Stufenfolge bis zu ihr hinaufsteigen.


Auge des Erdenmenschen, damit dieselben das Licht der auf sie wegen der
größeren Entfernung schwächer wirkenden Sonnenstrahlen ebenso stark empfän¬
den als wir. Aus dem Verhältnisse zwischen den Entfernungen des Jupiter
und der Erde von der Sonne folgerte er die Größe der Pupille, und aus
dieser wieder die Größe der Jupitermenschen, wobei sich ihm herausstellte, daß
dieselbe dreizehn und einen halben Fuß betragen müsse. Man darf wohl be¬
haupten, daß jeder, der im Ernste beabsichtigt, die Bewohner eines andern
Planeten zu bestimmen, ihre Existenzbedingungen aufzuzählen und ihren
körperlichen oder geistigen Zustand darzustellen, ein Ding der Unmög¬
lichkeit unternimmt. Er wird immer nur den Erdenmenschen als Riesen oder
Zwerg, als leichter oder schwerer, luftiger oder dichter, feiner oder gröber
wiederfinden, und das ist eben eine falsche Vorstellung. Um über die Schöpfung
auf den Planeten etwas Begründetes sagen, um über die Formen, welche
das Leben auf ihnen annehmen kann, ein Urtheil fällen zu können, müßte
man ein allgemeines und für alle gültiges Prinzip zur Grundlage haben.
Mittelst dieses absoluten Princips könnte man dann innerhalb gewisser Grenzen
vergleichen und folgern. Aber was besitzen wir Absolutes im ganzen Bereich
unseres Willen?

Wir können in dieser Beziehung nur mit Flammarion auf den ganz all¬
gemeinen Satz zurückkommen, daß die Natur der Planetenbewohner immer
der Natur ihres besondern Planeten entsprechen muß. Selbst wenn die ado¬
nischen Elemente für verschiedene Gestirne dieselben wären, selbst wenn es für
alle Himmelskörper eine Einheit der Substanz gäbe. so würden die Verbin¬
dungen derselben nicht auf jedem Planeten gleichmäßig erfolgt sein, denn die
zur Bildung der letzten erforderlichen Kräfte konnten bei jedem entstehenden
Gestirne sich in andern Verhältnissen und unter andern Bedingungen bethätigen.
Hier wurde dadurch die Wärme der Sonne, dort die innere Wärme des Pla¬
neten vorherrschend, hier gewann die Macht des Feuers, dort die des Wassers
die Herrschaft, hier gestatteten chemische Verbindungen die gleichzeitige Wirkung
der Elektricität, der Gase und Dünste, dort konnten diese Verbindungen nicht vor
sich gehen, und es traten an ihrer Stelle Kämpfe von Elementen ganz andrer Natur
ein. hier verbanden sich Sauerstoff und Stickstoff zu einer großen atmosphärischen
Hülle, und es entstanden Wesen, die unter dieser Umhüllung leben konnten,
dort herrschte die Kohlensäure vor, anderwärts bildeten andere Gase den atmos¬
phärischen Mantel des Planeten, und infolge dessen erschien die ganze Schöpfung
vom Mineral bis hinauf zum Vernunftwesen in andern Formen.

Schwierig scheint schließlich nur noch, sich eine von der unsrigen verschie¬
dene menschliche Urform für alle Planetenbewohner zu denken. Erwägen wir
jedoch. daß die menschliche Organisation die Summe aller thierischen Organi¬
sationen, welche nach einer bestimmten Stufenfolge bis zu ihr hinaufsteigen.


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[0343] Auge des Erdenmenschen, damit dieselben das Licht der auf sie wegen der größeren Entfernung schwächer wirkenden Sonnenstrahlen ebenso stark empfän¬ den als wir. Aus dem Verhältnisse zwischen den Entfernungen des Jupiter und der Erde von der Sonne folgerte er die Größe der Pupille, und aus dieser wieder die Größe der Jupitermenschen, wobei sich ihm herausstellte, daß dieselbe dreizehn und einen halben Fuß betragen müsse. Man darf wohl be¬ haupten, daß jeder, der im Ernste beabsichtigt, die Bewohner eines andern Planeten zu bestimmen, ihre Existenzbedingungen aufzuzählen und ihren körperlichen oder geistigen Zustand darzustellen, ein Ding der Unmög¬ lichkeit unternimmt. Er wird immer nur den Erdenmenschen als Riesen oder Zwerg, als leichter oder schwerer, luftiger oder dichter, feiner oder gröber wiederfinden, und das ist eben eine falsche Vorstellung. Um über die Schöpfung auf den Planeten etwas Begründetes sagen, um über die Formen, welche das Leben auf ihnen annehmen kann, ein Urtheil fällen zu können, müßte man ein allgemeines und für alle gültiges Prinzip zur Grundlage haben. Mittelst dieses absoluten Princips könnte man dann innerhalb gewisser Grenzen vergleichen und folgern. Aber was besitzen wir Absolutes im ganzen Bereich unseres Willen? Wir können in dieser Beziehung nur mit Flammarion auf den ganz all¬ gemeinen Satz zurückkommen, daß die Natur der Planetenbewohner immer der Natur ihres besondern Planeten entsprechen muß. Selbst wenn die ado¬ nischen Elemente für verschiedene Gestirne dieselben wären, selbst wenn es für alle Himmelskörper eine Einheit der Substanz gäbe. so würden die Verbin¬ dungen derselben nicht auf jedem Planeten gleichmäßig erfolgt sein, denn die zur Bildung der letzten erforderlichen Kräfte konnten bei jedem entstehenden Gestirne sich in andern Verhältnissen und unter andern Bedingungen bethätigen. Hier wurde dadurch die Wärme der Sonne, dort die innere Wärme des Pla¬ neten vorherrschend, hier gewann die Macht des Feuers, dort die des Wassers die Herrschaft, hier gestatteten chemische Verbindungen die gleichzeitige Wirkung der Elektricität, der Gase und Dünste, dort konnten diese Verbindungen nicht vor sich gehen, und es traten an ihrer Stelle Kämpfe von Elementen ganz andrer Natur ein. hier verbanden sich Sauerstoff und Stickstoff zu einer großen atmosphärischen Hülle, und es entstanden Wesen, die unter dieser Umhüllung leben konnten, dort herrschte die Kohlensäure vor, anderwärts bildeten andere Gase den atmos¬ phärischen Mantel des Planeten, und infolge dessen erschien die ganze Schöpfung vom Mineral bis hinauf zum Vernunftwesen in andern Formen. Schwierig scheint schließlich nur noch, sich eine von der unsrigen verschie¬ dene menschliche Urform für alle Planetenbewohner zu denken. Erwägen wir jedoch. daß die menschliche Organisation die Summe aller thierischen Organi¬ sationen, welche nach einer bestimmten Stufenfolge bis zu ihr hinaufsteigen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/343>, abgerufen am 25.08.2024.