Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

ihm allenthalben stets von gleicher Dauer, die jeder Breite zugetheilten Kli¬
mate herrschen in harmonischen Abstufungen vom Aequator bis zu den Polen-
Dieser riesige Himmelskörper zeigt sich in dieser Beziehung als im hohen
Grade begünstigt, er ist die Verwirklichung des Traumes, welchen unsre
Dichter träumten, wenn sie in der Vergangenheit der Erde oder in der fernen
Zukunft derselben sich ein goldnes Zeitalter ewigen Frühlings mit tausend
Wonnen dachten.

Die Erde ist nicht das Jammerthal, zu der sie manche machen, sie ist
aber auch nicht die beste der Welten. Von verschiedenen Seiten her kämpft
hier die Natur gegen den Menschen, und wenn es wahr ist, daß derselbe
hierdurch zur Arbeit getrieben wird und die Arbeit erzieht und veredelt, so
ist doch auch nicht zu leugnen, daß die Arbeit, die auf bloße Gewinnung des
Lebensunterhaltes verwendet werden muß, von der höheren Arbeit, die das
Wahre zu ergründen und das Schöne zu schaffen hat, abzieht. Vielfach ist
der Mensch, den man als das höchste Erzeugniß der Welt zu betrachten ge¬
wohnt war, gezwungen, sich mit niederem Thun zu beschäftigen, und Sklaven¬
dienste zu verrichten, statt sich der Ausbildung edler Menschlichkeit, wie sie die
hellenische Welt in einzelnen Kreisen verwirklichte, widmen zu können. Die
Pflanzen, die ihn nähren, müssen von ihm gesät, gepflegt und schließlich zu¬
bereitet werden, die Thiere, die zur Befriedigung seiner zahlreichen Bedürf¬
nisse dienen, muß er gegen die nachtheiligen Wittevungsverhältnisse schützen,
er muß sich und ihnen Behausungen bauen u. s. w. Er empfängt von der
Natur nur sehr wenig unmittelbare Unterstützung, er benutzt soviel wie mög¬
lich ihre blinden Kräfte, und wenn er seinen Unterhalt auf Erden findet, so
geschieht es nur infolge unablässiger, immer wiederkehrender Arbeit. Wie jene
Kräfte der Natur den Menschen, der arbeitet, nähren, so verschlingen sie auch
Tausende seines Geschlechtes, so vernichten sie durch Gluthhitze, durch Gewitter,
Sturm und Hagel, durch Wolkenbrüche und Überschwemmungen seine Ar¬
beiten. Mit einem Worte, immer kommt man wieder auf den Schluß zurück,
daß die Erde zwar nicht das am schlechtesten gestellte Gestirn des Sonnen¬
systems, daß sie aber auch noch weit davon entfernt ist, dasjenige zu sein,
welches der Entwickelung des Jdealwesens die günstigsten Bedingungen dar¬
bietet, und daß andere Planeten, namentlich der Jupiter, in dieser Hinsicht
weit höher stehen.

Einige Forscher haben nun versucht, die Art der Existenz, den Grad der
Bildung, ja selbst die Größe der uns unbekannten Planetenmenschen zu bestim¬
men. So verirrte sich Christian Wolff im Anfang des vorigen Jahrhunderts
in das Gebiet solcher Muthmaßungen. Er setzte bet den Bewohnern des Ju¬
piter voraus, daß die Pupille im Auge derselben größer sein müsse als im


ihm allenthalben stets von gleicher Dauer, die jeder Breite zugetheilten Kli¬
mate herrschen in harmonischen Abstufungen vom Aequator bis zu den Polen-
Dieser riesige Himmelskörper zeigt sich in dieser Beziehung als im hohen
Grade begünstigt, er ist die Verwirklichung des Traumes, welchen unsre
Dichter träumten, wenn sie in der Vergangenheit der Erde oder in der fernen
Zukunft derselben sich ein goldnes Zeitalter ewigen Frühlings mit tausend
Wonnen dachten.

Die Erde ist nicht das Jammerthal, zu der sie manche machen, sie ist
aber auch nicht die beste der Welten. Von verschiedenen Seiten her kämpft
hier die Natur gegen den Menschen, und wenn es wahr ist, daß derselbe
hierdurch zur Arbeit getrieben wird und die Arbeit erzieht und veredelt, so
ist doch auch nicht zu leugnen, daß die Arbeit, die auf bloße Gewinnung des
Lebensunterhaltes verwendet werden muß, von der höheren Arbeit, die das
Wahre zu ergründen und das Schöne zu schaffen hat, abzieht. Vielfach ist
der Mensch, den man als das höchste Erzeugniß der Welt zu betrachten ge¬
wohnt war, gezwungen, sich mit niederem Thun zu beschäftigen, und Sklaven¬
dienste zu verrichten, statt sich der Ausbildung edler Menschlichkeit, wie sie die
hellenische Welt in einzelnen Kreisen verwirklichte, widmen zu können. Die
Pflanzen, die ihn nähren, müssen von ihm gesät, gepflegt und schließlich zu¬
bereitet werden, die Thiere, die zur Befriedigung seiner zahlreichen Bedürf¬
nisse dienen, muß er gegen die nachtheiligen Wittevungsverhältnisse schützen,
er muß sich und ihnen Behausungen bauen u. s. w. Er empfängt von der
Natur nur sehr wenig unmittelbare Unterstützung, er benutzt soviel wie mög¬
lich ihre blinden Kräfte, und wenn er seinen Unterhalt auf Erden findet, so
geschieht es nur infolge unablässiger, immer wiederkehrender Arbeit. Wie jene
Kräfte der Natur den Menschen, der arbeitet, nähren, so verschlingen sie auch
Tausende seines Geschlechtes, so vernichten sie durch Gluthhitze, durch Gewitter,
Sturm und Hagel, durch Wolkenbrüche und Überschwemmungen seine Ar¬
beiten. Mit einem Worte, immer kommt man wieder auf den Schluß zurück,
daß die Erde zwar nicht das am schlechtesten gestellte Gestirn des Sonnen¬
systems, daß sie aber auch noch weit davon entfernt ist, dasjenige zu sein,
welches der Entwickelung des Jdealwesens die günstigsten Bedingungen dar¬
bietet, und daß andere Planeten, namentlich der Jupiter, in dieser Hinsicht
weit höher stehen.

Einige Forscher haben nun versucht, die Art der Existenz, den Grad der
Bildung, ja selbst die Größe der uns unbekannten Planetenmenschen zu bestim¬
men. So verirrte sich Christian Wolff im Anfang des vorigen Jahrhunderts
in das Gebiet solcher Muthmaßungen. Er setzte bet den Bewohnern des Ju¬
piter voraus, daß die Pupille im Auge derselben größer sein müsse als im


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0342" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/134688"/>
          <p xml:id="ID_1023" prev="#ID_1022"> ihm allenthalben stets von gleicher Dauer, die jeder Breite zugetheilten Kli¬<lb/>
mate herrschen in harmonischen Abstufungen vom Aequator bis zu den Polen-<lb/>
Dieser riesige Himmelskörper zeigt sich in dieser Beziehung als im hohen<lb/>
Grade begünstigt, er ist die Verwirklichung des Traumes, welchen unsre<lb/>
Dichter träumten, wenn sie in der Vergangenheit der Erde oder in der fernen<lb/>
Zukunft derselben sich ein goldnes Zeitalter ewigen Frühlings mit tausend<lb/>
Wonnen dachten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1024"> Die Erde ist nicht das Jammerthal, zu der sie manche machen, sie ist<lb/>
aber auch nicht die beste der Welten. Von verschiedenen Seiten her kämpft<lb/>
hier die Natur gegen den Menschen, und wenn es wahr ist, daß derselbe<lb/>
hierdurch zur Arbeit getrieben wird und die Arbeit erzieht und veredelt, so<lb/>
ist doch auch nicht zu leugnen, daß die Arbeit, die auf bloße Gewinnung des<lb/>
Lebensunterhaltes verwendet werden muß, von der höheren Arbeit, die das<lb/>
Wahre zu ergründen und das Schöne zu schaffen hat, abzieht. Vielfach ist<lb/>
der Mensch, den man als das höchste Erzeugniß der Welt zu betrachten ge¬<lb/>
wohnt war, gezwungen, sich mit niederem Thun zu beschäftigen, und Sklaven¬<lb/>
dienste zu verrichten, statt sich der Ausbildung edler Menschlichkeit, wie sie die<lb/>
hellenische Welt in einzelnen Kreisen verwirklichte, widmen zu können. Die<lb/>
Pflanzen, die ihn nähren, müssen von ihm gesät, gepflegt und schließlich zu¬<lb/>
bereitet werden, die Thiere, die zur Befriedigung seiner zahlreichen Bedürf¬<lb/>
nisse dienen, muß er gegen die nachtheiligen Wittevungsverhältnisse schützen,<lb/>
er muß sich und ihnen Behausungen bauen u. s. w. Er empfängt von der<lb/>
Natur nur sehr wenig unmittelbare Unterstützung, er benutzt soviel wie mög¬<lb/>
lich ihre blinden Kräfte, und wenn er seinen Unterhalt auf Erden findet, so<lb/>
geschieht es nur infolge unablässiger, immer wiederkehrender Arbeit. Wie jene<lb/>
Kräfte der Natur den Menschen, der arbeitet, nähren, so verschlingen sie auch<lb/>
Tausende seines Geschlechtes, so vernichten sie durch Gluthhitze, durch Gewitter,<lb/>
Sturm und Hagel, durch Wolkenbrüche und Überschwemmungen seine Ar¬<lb/>
beiten. Mit einem Worte, immer kommt man wieder auf den Schluß zurück,<lb/>
daß die Erde zwar nicht das am schlechtesten gestellte Gestirn des Sonnen¬<lb/>
systems, daß sie aber auch noch weit davon entfernt ist, dasjenige zu sein,<lb/>
welches der Entwickelung des Jdealwesens die günstigsten Bedingungen dar¬<lb/>
bietet, und daß andere Planeten, namentlich der Jupiter, in dieser Hinsicht<lb/>
weit höher stehen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1025" next="#ID_1026"> Einige Forscher haben nun versucht, die Art der Existenz, den Grad der<lb/>
Bildung, ja selbst die Größe der uns unbekannten Planetenmenschen zu bestim¬<lb/>
men. So verirrte sich Christian Wolff im Anfang des vorigen Jahrhunderts<lb/>
in das Gebiet solcher Muthmaßungen. Er setzte bet den Bewohnern des Ju¬<lb/>
piter voraus, daß die Pupille im Auge derselben größer sein müsse als im</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0342] ihm allenthalben stets von gleicher Dauer, die jeder Breite zugetheilten Kli¬ mate herrschen in harmonischen Abstufungen vom Aequator bis zu den Polen- Dieser riesige Himmelskörper zeigt sich in dieser Beziehung als im hohen Grade begünstigt, er ist die Verwirklichung des Traumes, welchen unsre Dichter träumten, wenn sie in der Vergangenheit der Erde oder in der fernen Zukunft derselben sich ein goldnes Zeitalter ewigen Frühlings mit tausend Wonnen dachten. Die Erde ist nicht das Jammerthal, zu der sie manche machen, sie ist aber auch nicht die beste der Welten. Von verschiedenen Seiten her kämpft hier die Natur gegen den Menschen, und wenn es wahr ist, daß derselbe hierdurch zur Arbeit getrieben wird und die Arbeit erzieht und veredelt, so ist doch auch nicht zu leugnen, daß die Arbeit, die auf bloße Gewinnung des Lebensunterhaltes verwendet werden muß, von der höheren Arbeit, die das Wahre zu ergründen und das Schöne zu schaffen hat, abzieht. Vielfach ist der Mensch, den man als das höchste Erzeugniß der Welt zu betrachten ge¬ wohnt war, gezwungen, sich mit niederem Thun zu beschäftigen, und Sklaven¬ dienste zu verrichten, statt sich der Ausbildung edler Menschlichkeit, wie sie die hellenische Welt in einzelnen Kreisen verwirklichte, widmen zu können. Die Pflanzen, die ihn nähren, müssen von ihm gesät, gepflegt und schließlich zu¬ bereitet werden, die Thiere, die zur Befriedigung seiner zahlreichen Bedürf¬ nisse dienen, muß er gegen die nachtheiligen Wittevungsverhältnisse schützen, er muß sich und ihnen Behausungen bauen u. s. w. Er empfängt von der Natur nur sehr wenig unmittelbare Unterstützung, er benutzt soviel wie mög¬ lich ihre blinden Kräfte, und wenn er seinen Unterhalt auf Erden findet, so geschieht es nur infolge unablässiger, immer wiederkehrender Arbeit. Wie jene Kräfte der Natur den Menschen, der arbeitet, nähren, so verschlingen sie auch Tausende seines Geschlechtes, so vernichten sie durch Gluthhitze, durch Gewitter, Sturm und Hagel, durch Wolkenbrüche und Überschwemmungen seine Ar¬ beiten. Mit einem Worte, immer kommt man wieder auf den Schluß zurück, daß die Erde zwar nicht das am schlechtesten gestellte Gestirn des Sonnen¬ systems, daß sie aber auch noch weit davon entfernt ist, dasjenige zu sein, welches der Entwickelung des Jdealwesens die günstigsten Bedingungen dar¬ bietet, und daß andere Planeten, namentlich der Jupiter, in dieser Hinsicht weit höher stehen. Einige Forscher haben nun versucht, die Art der Existenz, den Grad der Bildung, ja selbst die Größe der uns unbekannten Planetenmenschen zu bestim¬ men. So verirrte sich Christian Wolff im Anfang des vorigen Jahrhunderts in das Gebiet solcher Muthmaßungen. Er setzte bet den Bewohnern des Ju¬ piter voraus, daß die Pupille im Auge derselben größer sein müsse als im

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/342
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/342>, abgerufen am 22.07.2024.