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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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Klumpen von Materie? Nein, selbst nur unbedeutende Wesen auf dem Schau-
platze der Schöpfung, haben wir das Unendliche unter uns in der mikrosko¬
pischen Welt der lebenden Organismen und ebenso über uns in den tele¬
skopischer Welten des Himmels. Wie es unter dem Menschen eine zahllose
Menge Geschöpfe giebt, auf deren Vorhandensein wir schließen, ohne uns
durch die Sinne überzeugen zu können, so ist auch der unermeßliche Him¬
mel mit Welten und Wesen bevölkert, die wir nie mit Augen schauen
werden.

Die uns unbekannten, in jenen verschiedenen Himmelsstätten gebornen
Menschen unterscheiden sich wie gesagt, von uns ohne Zweifel in ihrer phy¬
sischen Organisation, im Zustand ihrer Einsicht und Willensrichtung, in der
Entwicklung ihres Einzellebens und in der Fortbildung ihrer Gesammtheit,
d. h. in ihrer Geschichte. In dem engen Beobachtungskreise, in den wir ge¬
bannt sind, wäre es thöricht, die Organisation der Bewohner des Mars, der
Venus, des Jupiter u. s. w. sich als nach dem Grade geordnet vorzustellen,
in welchem diese Planeten dem unsern ähnlich sind. Unsre Betrachtung zielt
nur auf den allgemeinen Organismus, der auch auf der Erde verwirklicht ist, und
der sicher auf andern Weltkörpern unter glücklicherer Vereinigung der zu seiner
Herausbildung erforderlichen Verhältnisse einen entsprechenderen Ausdruck
erhalten hat.

Je länger und gleichmäßiger die Jahre und Jahreszeiten auf einem Pla¬
neten sind, desto günstigere Bedingungen bietet er den auf ihm lebenden Or¬
ganismen für die Verlängerung ihres Lebens, und umgekehrt, je kürzer jene
Perioden auf einander folgen, desto schneller werden diese Organismen ihre
Lebenskräfte verbrauchen. Von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet, steht die
Erde hinter mehreren andern Planeten zurück. Bekanntlich sind bei den um
die erleuchtende und erwärmende Sonne kreisenden Planeten die Dauer der
Jahreszeiten, die Klimate und die Länge der Tage und Nächte von der
Stellung abhängig, welche die Achse der täglichen Umdrehung der Erde zur
Ebne der Jahresbahn hat. Wenn diese Achse senkrecht auf der Ebne der
Bahn steht, wird das Maß der Erleuchtung und Erwärmung an jedem Orte
des Planeten das ganze Jahr hindurch dasselbe sein, die heiße Zone wird sich
auf die Aequatorlinie, die kalten Zonen werden sich auf Pole beschränken, und
es wird vom Aequator bis an die Pole eine den Breiten entsprechende Ab¬
stufung der täglichen Wärmemenge statthaben, sodaß an jedem Orte das ganze
Jahr hindurch eine und dieselbe Temperatur herrscht. Der dem Leben der
Pflanzen und Thiere nachtheilige Temperaturwechsel wird also hier nie ein¬
treten , vielmehr werden Gewächse und Thiere, die am Aequator entstanden
sind, unaufhörlich in der ihnen zuträglichen Hitze, die in mittleren Breiten
erzeugten ununterbrochen in der ihrer Natur entsprechenden mittleren Wärme,


Klumpen von Materie? Nein, selbst nur unbedeutende Wesen auf dem Schau-
platze der Schöpfung, haben wir das Unendliche unter uns in der mikrosko¬
pischen Welt der lebenden Organismen und ebenso über uns in den tele¬
skopischer Welten des Himmels. Wie es unter dem Menschen eine zahllose
Menge Geschöpfe giebt, auf deren Vorhandensein wir schließen, ohne uns
durch die Sinne überzeugen zu können, so ist auch der unermeßliche Him¬
mel mit Welten und Wesen bevölkert, die wir nie mit Augen schauen
werden.

Die uns unbekannten, in jenen verschiedenen Himmelsstätten gebornen
Menschen unterscheiden sich wie gesagt, von uns ohne Zweifel in ihrer phy¬
sischen Organisation, im Zustand ihrer Einsicht und Willensrichtung, in der
Entwicklung ihres Einzellebens und in der Fortbildung ihrer Gesammtheit,
d. h. in ihrer Geschichte. In dem engen Beobachtungskreise, in den wir ge¬
bannt sind, wäre es thöricht, die Organisation der Bewohner des Mars, der
Venus, des Jupiter u. s. w. sich als nach dem Grade geordnet vorzustellen,
in welchem diese Planeten dem unsern ähnlich sind. Unsre Betrachtung zielt
nur auf den allgemeinen Organismus, der auch auf der Erde verwirklicht ist, und
der sicher auf andern Weltkörpern unter glücklicherer Vereinigung der zu seiner
Herausbildung erforderlichen Verhältnisse einen entsprechenderen Ausdruck
erhalten hat.

Je länger und gleichmäßiger die Jahre und Jahreszeiten auf einem Pla¬
neten sind, desto günstigere Bedingungen bietet er den auf ihm lebenden Or¬
ganismen für die Verlängerung ihres Lebens, und umgekehrt, je kürzer jene
Perioden auf einander folgen, desto schneller werden diese Organismen ihre
Lebenskräfte verbrauchen. Von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet, steht die
Erde hinter mehreren andern Planeten zurück. Bekanntlich sind bei den um
die erleuchtende und erwärmende Sonne kreisenden Planeten die Dauer der
Jahreszeiten, die Klimate und die Länge der Tage und Nächte von der
Stellung abhängig, welche die Achse der täglichen Umdrehung der Erde zur
Ebne der Jahresbahn hat. Wenn diese Achse senkrecht auf der Ebne der
Bahn steht, wird das Maß der Erleuchtung und Erwärmung an jedem Orte
des Planeten das ganze Jahr hindurch dasselbe sein, die heiße Zone wird sich
auf die Aequatorlinie, die kalten Zonen werden sich auf Pole beschränken, und
es wird vom Aequator bis an die Pole eine den Breiten entsprechende Ab¬
stufung der täglichen Wärmemenge statthaben, sodaß an jedem Orte das ganze
Jahr hindurch eine und dieselbe Temperatur herrscht. Der dem Leben der
Pflanzen und Thiere nachtheilige Temperaturwechsel wird also hier nie ein¬
treten , vielmehr werden Gewächse und Thiere, die am Aequator entstanden
sind, unaufhörlich in der ihnen zuträglichen Hitze, die in mittleren Breiten
erzeugten ununterbrochen in der ihrer Natur entsprechenden mittleren Wärme,


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[0340] Klumpen von Materie? Nein, selbst nur unbedeutende Wesen auf dem Schau- platze der Schöpfung, haben wir das Unendliche unter uns in der mikrosko¬ pischen Welt der lebenden Organismen und ebenso über uns in den tele¬ skopischer Welten des Himmels. Wie es unter dem Menschen eine zahllose Menge Geschöpfe giebt, auf deren Vorhandensein wir schließen, ohne uns durch die Sinne überzeugen zu können, so ist auch der unermeßliche Him¬ mel mit Welten und Wesen bevölkert, die wir nie mit Augen schauen werden. Die uns unbekannten, in jenen verschiedenen Himmelsstätten gebornen Menschen unterscheiden sich wie gesagt, von uns ohne Zweifel in ihrer phy¬ sischen Organisation, im Zustand ihrer Einsicht und Willensrichtung, in der Entwicklung ihres Einzellebens und in der Fortbildung ihrer Gesammtheit, d. h. in ihrer Geschichte. In dem engen Beobachtungskreise, in den wir ge¬ bannt sind, wäre es thöricht, die Organisation der Bewohner des Mars, der Venus, des Jupiter u. s. w. sich als nach dem Grade geordnet vorzustellen, in welchem diese Planeten dem unsern ähnlich sind. Unsre Betrachtung zielt nur auf den allgemeinen Organismus, der auch auf der Erde verwirklicht ist, und der sicher auf andern Weltkörpern unter glücklicherer Vereinigung der zu seiner Herausbildung erforderlichen Verhältnisse einen entsprechenderen Ausdruck erhalten hat. Je länger und gleichmäßiger die Jahre und Jahreszeiten auf einem Pla¬ neten sind, desto günstigere Bedingungen bietet er den auf ihm lebenden Or¬ ganismen für die Verlängerung ihres Lebens, und umgekehrt, je kürzer jene Perioden auf einander folgen, desto schneller werden diese Organismen ihre Lebenskräfte verbrauchen. Von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet, steht die Erde hinter mehreren andern Planeten zurück. Bekanntlich sind bei den um die erleuchtende und erwärmende Sonne kreisenden Planeten die Dauer der Jahreszeiten, die Klimate und die Länge der Tage und Nächte von der Stellung abhängig, welche die Achse der täglichen Umdrehung der Erde zur Ebne der Jahresbahn hat. Wenn diese Achse senkrecht auf der Ebne der Bahn steht, wird das Maß der Erleuchtung und Erwärmung an jedem Orte des Planeten das ganze Jahr hindurch dasselbe sein, die heiße Zone wird sich auf die Aequatorlinie, die kalten Zonen werden sich auf Pole beschränken, und es wird vom Aequator bis an die Pole eine den Breiten entsprechende Ab¬ stufung der täglichen Wärmemenge statthaben, sodaß an jedem Orte das ganze Jahr hindurch eine und dieselbe Temperatur herrscht. Der dem Leben der Pflanzen und Thiere nachtheilige Temperaturwechsel wird also hier nie ein¬ treten , vielmehr werden Gewächse und Thiere, die am Aequator entstanden sind, unaufhörlich in der ihnen zuträglichen Hitze, die in mittleren Breiten erzeugten ununterbrochen in der ihrer Natur entsprechenden mittleren Wärme,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/340>, abgerufen am 22.07.2024.