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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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kann. Der Bewohner des Neptun wird ein ganz anders Wesen sein, als der
des Merkur oder der Erdenmensch, aber Bewohner überhaupt werden diese
und alle andern Gestirne haben oder gehabt haben. Wenn wir eine richtige
Vorstellung von dem Wirken der Naturkraft haben, so wissen wir. daß die
der Sonne am fernsten stehenden Planeten im Verhältniß zu der ihnen eigen¬
thümlichen Organisation genau so viel Licht und Wärme empfangen, als dem
Merkur und der Erde im Verhältniß zu ihrer Beschaffenheit zu Theil wird,
und daß wir also durchaus nicht berechtigt sind, von weiter Entfernung von
der Sonne auf Unbewohntheit zu schließen. Wir erkennen serner, daß die in
der Masse dieses oder jenes Planeten vorhandenen Grundbestandtheile ver
Bewohnbarkeit ebenso wenig widerstreiten können, als die Elemente der Erde
unsre Existenz ausschließen. Sagt man, das Wasser würde in manchen Welten
nur als Dampf, in andern nur als Eis vorhanden sein können, die Mine¬
ralien würden dort geschmolzen, hier so hart sein, daß von Ackerbau und
Künsten nicht die Rede sein könne, so hätten solche Einwürfe nur Anspruch
auf Geltung, wenn sich auf allen Planeten die Bestandtheile der Erde wieder¬
fänden, was wissenschaftlich nicht erwiesen ist. Mögen die Untersuchungen
mittelst der Spectralanalyse aber auch in den Planeten Grundbestandtheile
zeigen, die den Substanzen der Erde gleichen, immer dürfen wir überzeugt
bleiben, daß auch die fernsten Planeten solche Elemente besitzen, die gemäß
ihrer Beschaffenheit organische Geschöpfe entstehen und bestehen lassen. Nur
seien wir vorsichtig hierbei; denn die Natur kann Gestirne haben, die aus¬
schließlich zum Dienst für andere da sind, und sie kann Welten enthalten,
die sich erst zur Bewohnbarkeit herausbilden oder dieselbe bereits wieder
verloren haben.

Das Meer bietet nach Humboldt bei tieferer Ergründung seines Innern
vielleicht eine reichere Fülle des organischen Lebens dar als das Land. Unsre
Wälder bergen nicht so viele Thiere als die niedrige Waldregion des Oceans;
in Tiefen, welche die Höhe unsrer mächtigsten Gebirgsketten übersteigen, ist
jede der aufeinander gelagerten Wasserschichten mit polygastrischen Seegewür¬
men, Cyklidien und Ophrydien belebt. Ein Sonnenblick genügt, um in einem
Tropfen ^Süßwassers Schwärme von winzigen Thierchen zu beleben. Im
Mineralreiche wimmeln Legionen von Wesen; auf den Blättern des Pflanzen¬
reiches weiden andere Legionen, selbst auf Thieren nähren sich zahllose Thiere,
und während auf Erden allenthalben das Leben in Ueberfülle quillt und
fluthet, sollten die Regionen der Planetenwelt, obwohl denselben astrono¬
mischen Gesetzen unterworfen, wie die Fluren unsrer Erde, düstere, lautleere,
frucht, und zwecklose Wüsten sein? Alle Wunder der Schöpfung wären auf
den Punkt gehäuft, den man Erde nennt, alle Weltkörper außerhalb dieses
Punktes wären nur ein Haufe trag und todt durch den Raum schwebender


kann. Der Bewohner des Neptun wird ein ganz anders Wesen sein, als der
des Merkur oder der Erdenmensch, aber Bewohner überhaupt werden diese
und alle andern Gestirne haben oder gehabt haben. Wenn wir eine richtige
Vorstellung von dem Wirken der Naturkraft haben, so wissen wir. daß die
der Sonne am fernsten stehenden Planeten im Verhältniß zu der ihnen eigen¬
thümlichen Organisation genau so viel Licht und Wärme empfangen, als dem
Merkur und der Erde im Verhältniß zu ihrer Beschaffenheit zu Theil wird,
und daß wir also durchaus nicht berechtigt sind, von weiter Entfernung von
der Sonne auf Unbewohntheit zu schließen. Wir erkennen serner, daß die in
der Masse dieses oder jenes Planeten vorhandenen Grundbestandtheile ver
Bewohnbarkeit ebenso wenig widerstreiten können, als die Elemente der Erde
unsre Existenz ausschließen. Sagt man, das Wasser würde in manchen Welten
nur als Dampf, in andern nur als Eis vorhanden sein können, die Mine¬
ralien würden dort geschmolzen, hier so hart sein, daß von Ackerbau und
Künsten nicht die Rede sein könne, so hätten solche Einwürfe nur Anspruch
auf Geltung, wenn sich auf allen Planeten die Bestandtheile der Erde wieder¬
fänden, was wissenschaftlich nicht erwiesen ist. Mögen die Untersuchungen
mittelst der Spectralanalyse aber auch in den Planeten Grundbestandtheile
zeigen, die den Substanzen der Erde gleichen, immer dürfen wir überzeugt
bleiben, daß auch die fernsten Planeten solche Elemente besitzen, die gemäß
ihrer Beschaffenheit organische Geschöpfe entstehen und bestehen lassen. Nur
seien wir vorsichtig hierbei; denn die Natur kann Gestirne haben, die aus¬
schließlich zum Dienst für andere da sind, und sie kann Welten enthalten,
die sich erst zur Bewohnbarkeit herausbilden oder dieselbe bereits wieder
verloren haben.

Das Meer bietet nach Humboldt bei tieferer Ergründung seines Innern
vielleicht eine reichere Fülle des organischen Lebens dar als das Land. Unsre
Wälder bergen nicht so viele Thiere als die niedrige Waldregion des Oceans;
in Tiefen, welche die Höhe unsrer mächtigsten Gebirgsketten übersteigen, ist
jede der aufeinander gelagerten Wasserschichten mit polygastrischen Seegewür¬
men, Cyklidien und Ophrydien belebt. Ein Sonnenblick genügt, um in einem
Tropfen ^Süßwassers Schwärme von winzigen Thierchen zu beleben. Im
Mineralreiche wimmeln Legionen von Wesen; auf den Blättern des Pflanzen¬
reiches weiden andere Legionen, selbst auf Thieren nähren sich zahllose Thiere,
und während auf Erden allenthalben das Leben in Ueberfülle quillt und
fluthet, sollten die Regionen der Planetenwelt, obwohl denselben astrono¬
mischen Gesetzen unterworfen, wie die Fluren unsrer Erde, düstere, lautleere,
frucht, und zwecklose Wüsten sein? Alle Wunder der Schöpfung wären auf
den Punkt gehäuft, den man Erde nennt, alle Weltkörper außerhalb dieses
Punktes wären nur ein Haufe trag und todt durch den Raum schwebender


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/339>, abgerufen am 22.07.2024.