Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.in der Regel die Sehnsucht nach Erfolg bei dem Strebenden gewesen sein. in der Regel die Sehnsucht nach Erfolg bei dem Strebenden gewesen sein. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0318" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/134664"/> <p xml:id="ID_962" prev="#ID_961" next="#ID_963"> in der Regel die Sehnsucht nach Erfolg bei dem Strebenden gewesen sein.<lb/> Hiernach zu schließen, muß die Sehnsucht nach baldigem Einzug in unser Aus¬<lb/> wärtiges Amt bei dem Grafen Arnim ungemein intensiv gewesen sein; denn<lb/> der Haß, den sein Buch ganze Seiten lang und immer und immer wieder<lb/> ganze lange Seiten athmet, riecht förmlich nach Brand und steigert sich bis¬<lb/> weilen geradezu zum Delirium. Die boshaftesten und geschmacklosesten I»'<lb/> vectiven werden in vollen Breitseiten gegen den Reichskanzler geschleudert, die<lb/> unsinnigsten Anklagen gegen seine Gemüthsart, seine Auffassung der Dinge<lb/> und seine ganze Politik erhoben. Wenn die Anspielung auf Herrn Bleichröder<lb/> S. 87 die Bedeutung hätte, die sie zu haben scheint, so würde darin ein un¬<lb/> erhört niederträchtiger Schmutzwurf nach dem Gehaßten zu rügen und zu<lb/> verachten sein. In andern Stellen dieser Sammlung von Ausfällen und Be¬<lb/> leidigungen heißt es vom Fürsten Bismarck: „Er findet die Wahrheit nicht,<lb/> er schafft sie" (S. 80); er will alle Regierungen und Nationen in chau¬<lb/> vinistischen Stile „Hofmeistern", und die Welt, die früher seiner Politik<lb/> herzlich wohlwollte, „betrachtet ihn jetzt mit dem Gefühl, mit welchem man<lb/> einen unliebenswürdigen Mann auf einem durchgehenden Pferde sieht" (S.114);<lb/> er ist, näher besehen, oft gegen seinen Willen und eigentlich nur durch un¬<lb/> gemeines Glück groß geworden (S. 131); er wird — el, wie unfein, hoch-<lb/> geborner Herr Gras! — S. 142 mit dem „nüchternen, phantasieloser<lb/> Elephanten" verglichen, „der mit demselben Instrumente Centner hebt und<lb/> Nadeln vom Boden aufliest", worauf wir erfahren, daß mit den Nadeln un¬<lb/> seres Bildermannes kleine Politiker wie Gerlach, Windthorst, Laster, Virchow<lb/> und — hier bricht wunderbarerweise einmal die Selbsterkenntniß bei dem Herrn<lb/> Exbotschafter durch — er selbst, Graf Arnim, gemeint sind. Der Reichs¬<lb/> kanzler ist endlich, um nicht zu viel Abgeschmacktheiten einer gallegeschwollenen<lb/> Seele nachzureden, wenn er in Varzin weilt, „Tibenus in Capri" (S. 143).<lb/> In diesem Tone geht es fort. Trumpf aus und Trumpf aus und noch einmal<lb/> Trumpf aus! Alle Parteien werden gegen den persönlichen unerträglichen<lb/> Despoten aufgehetzt, die Konservativen wider die Liberalen zur Rettung der<lb/> von ihm mit Füßen getretenen Freiheit (sollte heißen: Willkür und Anmaß-<lb/> lichkeit) zu den Waffen gerufen, selbst mit Sonnemann und der Centrums-<lb/> sraction wird geliebäugelt. Wo sich eine einflußreiche Persönlichkeit in den<lb/> Zusammenhang hereinziehen läßt, wird der Fürst als ihr Feind dargestellt.<lb/> Dem Kaiser aber soll er als der eigentliche Regent zuwider gemacht werden,<lb/> wenn die Schrift ihn S. 39 „den allmächtigsten Minister seit Stilichos und Pipins<lb/> Zeiten" nennt. Schließlich steht der schnaubende Ingrimm dieses mißkannten<lb/> edlen Angesichts vor der Majestät selbst nicht still, weil dieselbe der ungün¬<lb/> stigen Meinung seines obersten Rathes über den Grafen Arnim nach einigem<lb/> Zögern in echt konstitutionellem Sinne beizupflichten nicht umhin gekonnt</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0318]
in der Regel die Sehnsucht nach Erfolg bei dem Strebenden gewesen sein.
Hiernach zu schließen, muß die Sehnsucht nach baldigem Einzug in unser Aus¬
wärtiges Amt bei dem Grafen Arnim ungemein intensiv gewesen sein; denn
der Haß, den sein Buch ganze Seiten lang und immer und immer wieder
ganze lange Seiten athmet, riecht förmlich nach Brand und steigert sich bis¬
weilen geradezu zum Delirium. Die boshaftesten und geschmacklosesten I»'
vectiven werden in vollen Breitseiten gegen den Reichskanzler geschleudert, die
unsinnigsten Anklagen gegen seine Gemüthsart, seine Auffassung der Dinge
und seine ganze Politik erhoben. Wenn die Anspielung auf Herrn Bleichröder
S. 87 die Bedeutung hätte, die sie zu haben scheint, so würde darin ein un¬
erhört niederträchtiger Schmutzwurf nach dem Gehaßten zu rügen und zu
verachten sein. In andern Stellen dieser Sammlung von Ausfällen und Be¬
leidigungen heißt es vom Fürsten Bismarck: „Er findet die Wahrheit nicht,
er schafft sie" (S. 80); er will alle Regierungen und Nationen in chau¬
vinistischen Stile „Hofmeistern", und die Welt, die früher seiner Politik
herzlich wohlwollte, „betrachtet ihn jetzt mit dem Gefühl, mit welchem man
einen unliebenswürdigen Mann auf einem durchgehenden Pferde sieht" (S.114);
er ist, näher besehen, oft gegen seinen Willen und eigentlich nur durch un¬
gemeines Glück groß geworden (S. 131); er wird — el, wie unfein, hoch-
geborner Herr Gras! — S. 142 mit dem „nüchternen, phantasieloser
Elephanten" verglichen, „der mit demselben Instrumente Centner hebt und
Nadeln vom Boden aufliest", worauf wir erfahren, daß mit den Nadeln un¬
seres Bildermannes kleine Politiker wie Gerlach, Windthorst, Laster, Virchow
und — hier bricht wunderbarerweise einmal die Selbsterkenntniß bei dem Herrn
Exbotschafter durch — er selbst, Graf Arnim, gemeint sind. Der Reichs¬
kanzler ist endlich, um nicht zu viel Abgeschmacktheiten einer gallegeschwollenen
Seele nachzureden, wenn er in Varzin weilt, „Tibenus in Capri" (S. 143).
In diesem Tone geht es fort. Trumpf aus und Trumpf aus und noch einmal
Trumpf aus! Alle Parteien werden gegen den persönlichen unerträglichen
Despoten aufgehetzt, die Konservativen wider die Liberalen zur Rettung der
von ihm mit Füßen getretenen Freiheit (sollte heißen: Willkür und Anmaß-
lichkeit) zu den Waffen gerufen, selbst mit Sonnemann und der Centrums-
sraction wird geliebäugelt. Wo sich eine einflußreiche Persönlichkeit in den
Zusammenhang hereinziehen läßt, wird der Fürst als ihr Feind dargestellt.
Dem Kaiser aber soll er als der eigentliche Regent zuwider gemacht werden,
wenn die Schrift ihn S. 39 „den allmächtigsten Minister seit Stilichos und Pipins
Zeiten" nennt. Schließlich steht der schnaubende Ingrimm dieses mißkannten
edlen Angesichts vor der Majestät selbst nicht still, weil dieselbe der ungün¬
stigen Meinung seines obersten Rathes über den Grafen Arnim nach einigem
Zögern in echt konstitutionellem Sinne beizupflichten nicht umhin gekonnt
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |