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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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Berlin am Hofe Ränke spann, und der schließlich mit beispielloser Indis¬
kretion seinem ungehörigen Thun die Krone aufsetzte, indem er, um sich weiß-
zu brennen und zu rächen, mit Schriftstücken an die Oeffentlichkeit trat, die
derselben unter allen Umständen verborgen bleiben mußten. Und andrerseits
ersehen wir aus der Broschüre, trotz aller Verzerrung und Verdunkelung der
Thatsachen in Betreff des Reichskanzlers nur, daß er ein solches Treiben nicht
in der Ordnung fand, es nicht duldete und ohne Rücksicht auf die hohe
Stellung der Pariser Excellenz und deren Gönner, nach Gebühr strafte. Da¬
für aber können wir ihm nur unsern tiefempfundenen Dank sagen. Er hat
mit der alten preußischen Tradition, die noch unter den letzten seiner Vor¬
gänger, wie mancher andere Unfug fortlebte, gebrochen. Er hat mit rücksichts¬
loser Strenge und Festigkeit seine Stellung als allein verantwortlicher
Minister und damit das e onstitutionelle Princip für die auswärtigen An¬
gelegenheiten des deutschen Reichs zur Geltung gebracht und gegen die auf ab¬
solutistische Behandlung derselben abzielenden Schritte Arnim's zum Siege
geführt. Er hat, wie er sich im Erlasse vom 19. Juli 1873 selbst ausdrückt.
"Anträge an Seine Majestät, den Kaiser gerichtet, welche nothwendig waren,
um die Einheit und Disciplin im auswärtigen Dienste zu erhalten und die
Interessen des Reiches vor verfassungsmäßig unberechtigter Schädigung sicher
Zu stellen."

Der Herr Graf nennt das "Ministerialdespotismus". Wir nennen es
unbedingt erforderliche, streng aufrecht zu erhaltende Subordination. Jener
nimmt Anstoß daran, daß der Reichskanzler einmal gesagt hat: "Meine Bot¬
schafter müssen einschwenken auf Commando wie die Unteroffiziere, ohne zu
wissen, warum." Wir dagegen finden, daß dieß ganz vortrefflich das Ver¬
hältniß bezeichnet, das zwischen dem leitenden Geiste im Auswärtigen Amte
und seinen Filialen an den fremden Höfen immer bestehen sollte. namentlich
aber jetzt, wo ein ureignes Genie wie der Fürst Bismarck in diesem Amte
waltet. Wir hätten, mit Erlaubniß der Excellenzen und Großkreuze, um die
sich's handelt, auch nichts dagegen gehabt, wenn sie in jener Aeußerung als
die expedirenden Secretäre des Reichskanzlers bezeichnet worden wären. Je
mehr sie, ihren eignen Willen und ihr Selbstgefühl unterordnend, sich als Un¬
teroffiziere , als expedirende Secretäre betrachten und verhalten, je mehr sie
"dienen", desto besser werden sie arbeiten, und sind sie dazu noch unbefangene,
scharfblickende Beobachter und fleißige Berichterstatter -- dem Grafen Arnim
läßt sich beiläufig von diesen Eigenschaften nur ein breitwandelnder Fleiß
nachrühmen -- so werden sie so ziemlich alles erfüllen, was man billigerweise
von ihnen erwarten kann.

Vereitelte Strebsamkeit schlägt häufig in bittern Haß gegen den Störer
der betreffenden Pläne um. Je größer der Haß dann ist, desto heißer wird


Grenzboten IV. 187S. ^

Berlin am Hofe Ränke spann, und der schließlich mit beispielloser Indis¬
kretion seinem ungehörigen Thun die Krone aufsetzte, indem er, um sich weiß-
zu brennen und zu rächen, mit Schriftstücken an die Oeffentlichkeit trat, die
derselben unter allen Umständen verborgen bleiben mußten. Und andrerseits
ersehen wir aus der Broschüre, trotz aller Verzerrung und Verdunkelung der
Thatsachen in Betreff des Reichskanzlers nur, daß er ein solches Treiben nicht
in der Ordnung fand, es nicht duldete und ohne Rücksicht auf die hohe
Stellung der Pariser Excellenz und deren Gönner, nach Gebühr strafte. Da¬
für aber können wir ihm nur unsern tiefempfundenen Dank sagen. Er hat
mit der alten preußischen Tradition, die noch unter den letzten seiner Vor¬
gänger, wie mancher andere Unfug fortlebte, gebrochen. Er hat mit rücksichts¬
loser Strenge und Festigkeit seine Stellung als allein verantwortlicher
Minister und damit das e onstitutionelle Princip für die auswärtigen An¬
gelegenheiten des deutschen Reichs zur Geltung gebracht und gegen die auf ab¬
solutistische Behandlung derselben abzielenden Schritte Arnim's zum Siege
geführt. Er hat, wie er sich im Erlasse vom 19. Juli 1873 selbst ausdrückt.
„Anträge an Seine Majestät, den Kaiser gerichtet, welche nothwendig waren,
um die Einheit und Disciplin im auswärtigen Dienste zu erhalten und die
Interessen des Reiches vor verfassungsmäßig unberechtigter Schädigung sicher
Zu stellen."

Der Herr Graf nennt das „Ministerialdespotismus". Wir nennen es
unbedingt erforderliche, streng aufrecht zu erhaltende Subordination. Jener
nimmt Anstoß daran, daß der Reichskanzler einmal gesagt hat: „Meine Bot¬
schafter müssen einschwenken auf Commando wie die Unteroffiziere, ohne zu
wissen, warum." Wir dagegen finden, daß dieß ganz vortrefflich das Ver¬
hältniß bezeichnet, das zwischen dem leitenden Geiste im Auswärtigen Amte
und seinen Filialen an den fremden Höfen immer bestehen sollte. namentlich
aber jetzt, wo ein ureignes Genie wie der Fürst Bismarck in diesem Amte
waltet. Wir hätten, mit Erlaubniß der Excellenzen und Großkreuze, um die
sich's handelt, auch nichts dagegen gehabt, wenn sie in jener Aeußerung als
die expedirenden Secretäre des Reichskanzlers bezeichnet worden wären. Je
mehr sie, ihren eignen Willen und ihr Selbstgefühl unterordnend, sich als Un¬
teroffiziere , als expedirende Secretäre betrachten und verhalten, je mehr sie
„dienen", desto besser werden sie arbeiten, und sind sie dazu noch unbefangene,
scharfblickende Beobachter und fleißige Berichterstatter — dem Grafen Arnim
läßt sich beiläufig von diesen Eigenschaften nur ein breitwandelnder Fleiß
nachrühmen — so werden sie so ziemlich alles erfüllen, was man billigerweise
von ihnen erwarten kann.

Vereitelte Strebsamkeit schlägt häufig in bittern Haß gegen den Störer
der betreffenden Pläne um. Je größer der Haß dann ist, desto heißer wird


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[0317] Berlin am Hofe Ränke spann, und der schließlich mit beispielloser Indis¬ kretion seinem ungehörigen Thun die Krone aufsetzte, indem er, um sich weiß- zu brennen und zu rächen, mit Schriftstücken an die Oeffentlichkeit trat, die derselben unter allen Umständen verborgen bleiben mußten. Und andrerseits ersehen wir aus der Broschüre, trotz aller Verzerrung und Verdunkelung der Thatsachen in Betreff des Reichskanzlers nur, daß er ein solches Treiben nicht in der Ordnung fand, es nicht duldete und ohne Rücksicht auf die hohe Stellung der Pariser Excellenz und deren Gönner, nach Gebühr strafte. Da¬ für aber können wir ihm nur unsern tiefempfundenen Dank sagen. Er hat mit der alten preußischen Tradition, die noch unter den letzten seiner Vor¬ gänger, wie mancher andere Unfug fortlebte, gebrochen. Er hat mit rücksichts¬ loser Strenge und Festigkeit seine Stellung als allein verantwortlicher Minister und damit das e onstitutionelle Princip für die auswärtigen An¬ gelegenheiten des deutschen Reichs zur Geltung gebracht und gegen die auf ab¬ solutistische Behandlung derselben abzielenden Schritte Arnim's zum Siege geführt. Er hat, wie er sich im Erlasse vom 19. Juli 1873 selbst ausdrückt. „Anträge an Seine Majestät, den Kaiser gerichtet, welche nothwendig waren, um die Einheit und Disciplin im auswärtigen Dienste zu erhalten und die Interessen des Reiches vor verfassungsmäßig unberechtigter Schädigung sicher Zu stellen." Der Herr Graf nennt das „Ministerialdespotismus". Wir nennen es unbedingt erforderliche, streng aufrecht zu erhaltende Subordination. Jener nimmt Anstoß daran, daß der Reichskanzler einmal gesagt hat: „Meine Bot¬ schafter müssen einschwenken auf Commando wie die Unteroffiziere, ohne zu wissen, warum." Wir dagegen finden, daß dieß ganz vortrefflich das Ver¬ hältniß bezeichnet, das zwischen dem leitenden Geiste im Auswärtigen Amte und seinen Filialen an den fremden Höfen immer bestehen sollte. namentlich aber jetzt, wo ein ureignes Genie wie der Fürst Bismarck in diesem Amte waltet. Wir hätten, mit Erlaubniß der Excellenzen und Großkreuze, um die sich's handelt, auch nichts dagegen gehabt, wenn sie in jener Aeußerung als die expedirenden Secretäre des Reichskanzlers bezeichnet worden wären. Je mehr sie, ihren eignen Willen und ihr Selbstgefühl unterordnend, sich als Un¬ teroffiziere , als expedirende Secretäre betrachten und verhalten, je mehr sie „dienen", desto besser werden sie arbeiten, und sind sie dazu noch unbefangene, scharfblickende Beobachter und fleißige Berichterstatter — dem Grafen Arnim läßt sich beiläufig von diesen Eigenschaften nur ein breitwandelnder Fleiß nachrühmen — so werden sie so ziemlich alles erfüllen, was man billigerweise von ihnen erwarten kann. Vereitelte Strebsamkeit schlägt häufig in bittern Haß gegen den Störer der betreffenden Pläne um. Je größer der Haß dann ist, desto heißer wird Grenzboten IV. 187S. ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/317>, abgerufen am 04.07.2024.