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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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von den Gerichten, sondern auch von der öffentlichen Meinung fast ohne
Gegenstimmen verurtheilr. in seiner ganzen Blöße als dünkelhafter, selbst¬
süchtiger und überdies) sentimentaler Streber erkannt, dann der Vergessenheit
anheimgefallen, hat er, wo ein halbwegs schamhafter die Flügel der Morgen¬
röthe genommen hätte und nach dem äußersten Meere geflogen wäre, um
seine unrühmliche Nacktheit zu verstecken, die Dreistigkeit, nicht nur die Welt
an seine Person zu erinnern, sondern in einer breiten Broschüre wie er leibt
und lebt, in unsere reinliche Mitte zu treten.

Seine Freunde in den Kreisen der kaltgestellten Diplomatie werden das
den Muth der verkannten und verfolgten Unschuld nennen. Wir gewahren
in diesem Verhalten nur eine zweite hervorragende Eigenschaft des Herrn Ex-
Botschafters: unerhörte Naivetät. Diese Naivetät muthet uns zunächst zu, zu
glauben, daß hier ein Freund der Wahrheit und der gekränkten Gerechtigkeit
uneigennützig und mitleidig die Sache des falsch Beurtheilten führe und nicht
dessen bester Freund, er, der Graf Harry Arnim Plaidire, während doch jedem
der auch nur einige der früheren Elaborate des letzteren vor Augen gehabt
hat, über allem Zweifel klar sein muß, daß er selbst und nur er selbst von
Anfang bis zu Ende der Schrift die Feder geführt hat. In der That, einzig
und allein der Name fehlt, sonst haben wir hier die ganze Witzelet und Geist-
Macherei, die Neigung zu häufiger Anwendung von Bildern und Citaten, den
Hang, in superfeinen Phrasen, die aber gewöhnlich ohne erheblichen Inhalt
sind, sich zu expectoriren. endlich die aristokratisch klingen sollende Menschen¬
verachtung vor uns. die den Arnim'schen Stil dort charakterisieren. Nur
das Gesicht verbirgt sich, so möchten wir in diesem Stile sagen; sonst sieht
der ganze übrige Mensch aus diesem Gewirr von Verdrehungen, Vertuschungen
und Selbstberäucherungen hervor. Daß die letzteren sich unter diesen Um¬
ständen ganz besonders unschön ausnehmen, blieb jener naiven Kühnheit
ebenfalls unerfindlich, und so nimmt sie keinen Anstand, sich und ihre Leist¬
ungen bei jeder Gelegenheit, die sich bietet, mit einem Füllhorn von Lobes¬
erhebungen zu überschütten. "Durch dreißigjährige Dienstzeit bewährte Ge-
schicklichkeit", "Geschäftskunde", "diplomatischer Tact", "ruhiges Benehmen",
"feiner Verstand" sind noch keineswegs die größten und glänzendsten der
Lorbeerblätter, die der Graf Arnim hier der Büste des Grafen Arnim vor
aller Welt zum Kranze flicht. Nachdem der Verfasser seinen hohen Geist und
seinen Seherblick in vorausschauender Beurtheilung der Verhältnisse im Ver¬
ruf seiner Schrift wiederholt hat bewundern lassen, sagt er am Schlüsse:
"Graf Arnim hat sich während seiner dreißigjährigen Dienstzeit durch gewissen¬
hafte und geschickte Amtsführung die Anerkennung des Monarchen, der Ne¬
uerung, des Landes und, bevor seine Verdienste öffentlich gerühmt wurden,
sogar die des Reichskanzlers erworben. Wie sich aus der vorstehenden Dar-


von den Gerichten, sondern auch von der öffentlichen Meinung fast ohne
Gegenstimmen verurtheilr. in seiner ganzen Blöße als dünkelhafter, selbst¬
süchtiger und überdies) sentimentaler Streber erkannt, dann der Vergessenheit
anheimgefallen, hat er, wo ein halbwegs schamhafter die Flügel der Morgen¬
röthe genommen hätte und nach dem äußersten Meere geflogen wäre, um
seine unrühmliche Nacktheit zu verstecken, die Dreistigkeit, nicht nur die Welt
an seine Person zu erinnern, sondern in einer breiten Broschüre wie er leibt
und lebt, in unsere reinliche Mitte zu treten.

Seine Freunde in den Kreisen der kaltgestellten Diplomatie werden das
den Muth der verkannten und verfolgten Unschuld nennen. Wir gewahren
in diesem Verhalten nur eine zweite hervorragende Eigenschaft des Herrn Ex-
Botschafters: unerhörte Naivetät. Diese Naivetät muthet uns zunächst zu, zu
glauben, daß hier ein Freund der Wahrheit und der gekränkten Gerechtigkeit
uneigennützig und mitleidig die Sache des falsch Beurtheilten führe und nicht
dessen bester Freund, er, der Graf Harry Arnim Plaidire, während doch jedem
der auch nur einige der früheren Elaborate des letzteren vor Augen gehabt
hat, über allem Zweifel klar sein muß, daß er selbst und nur er selbst von
Anfang bis zu Ende der Schrift die Feder geführt hat. In der That, einzig
und allein der Name fehlt, sonst haben wir hier die ganze Witzelet und Geist-
Macherei, die Neigung zu häufiger Anwendung von Bildern und Citaten, den
Hang, in superfeinen Phrasen, die aber gewöhnlich ohne erheblichen Inhalt
sind, sich zu expectoriren. endlich die aristokratisch klingen sollende Menschen¬
verachtung vor uns. die den Arnim'schen Stil dort charakterisieren. Nur
das Gesicht verbirgt sich, so möchten wir in diesem Stile sagen; sonst sieht
der ganze übrige Mensch aus diesem Gewirr von Verdrehungen, Vertuschungen
und Selbstberäucherungen hervor. Daß die letzteren sich unter diesen Um¬
ständen ganz besonders unschön ausnehmen, blieb jener naiven Kühnheit
ebenfalls unerfindlich, und so nimmt sie keinen Anstand, sich und ihre Leist¬
ungen bei jeder Gelegenheit, die sich bietet, mit einem Füllhorn von Lobes¬
erhebungen zu überschütten. „Durch dreißigjährige Dienstzeit bewährte Ge-
schicklichkeit", „Geschäftskunde", „diplomatischer Tact", „ruhiges Benehmen",
»feiner Verstand" sind noch keineswegs die größten und glänzendsten der
Lorbeerblätter, die der Graf Arnim hier der Büste des Grafen Arnim vor
aller Welt zum Kranze flicht. Nachdem der Verfasser seinen hohen Geist und
seinen Seherblick in vorausschauender Beurtheilung der Verhältnisse im Ver¬
ruf seiner Schrift wiederholt hat bewundern lassen, sagt er am Schlüsse:
"Graf Arnim hat sich während seiner dreißigjährigen Dienstzeit durch gewissen¬
hafte und geschickte Amtsführung die Anerkennung des Monarchen, der Ne¬
uerung, des Landes und, bevor seine Verdienste öffentlich gerühmt wurden,
sogar die des Reichskanzlers erworben. Wie sich aus der vorstehenden Dar-


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[0315] von den Gerichten, sondern auch von der öffentlichen Meinung fast ohne Gegenstimmen verurtheilr. in seiner ganzen Blöße als dünkelhafter, selbst¬ süchtiger und überdies) sentimentaler Streber erkannt, dann der Vergessenheit anheimgefallen, hat er, wo ein halbwegs schamhafter die Flügel der Morgen¬ röthe genommen hätte und nach dem äußersten Meere geflogen wäre, um seine unrühmliche Nacktheit zu verstecken, die Dreistigkeit, nicht nur die Welt an seine Person zu erinnern, sondern in einer breiten Broschüre wie er leibt und lebt, in unsere reinliche Mitte zu treten. Seine Freunde in den Kreisen der kaltgestellten Diplomatie werden das den Muth der verkannten und verfolgten Unschuld nennen. Wir gewahren in diesem Verhalten nur eine zweite hervorragende Eigenschaft des Herrn Ex- Botschafters: unerhörte Naivetät. Diese Naivetät muthet uns zunächst zu, zu glauben, daß hier ein Freund der Wahrheit und der gekränkten Gerechtigkeit uneigennützig und mitleidig die Sache des falsch Beurtheilten führe und nicht dessen bester Freund, er, der Graf Harry Arnim Plaidire, während doch jedem der auch nur einige der früheren Elaborate des letzteren vor Augen gehabt hat, über allem Zweifel klar sein muß, daß er selbst und nur er selbst von Anfang bis zu Ende der Schrift die Feder geführt hat. In der That, einzig und allein der Name fehlt, sonst haben wir hier die ganze Witzelet und Geist- Macherei, die Neigung zu häufiger Anwendung von Bildern und Citaten, den Hang, in superfeinen Phrasen, die aber gewöhnlich ohne erheblichen Inhalt sind, sich zu expectoriren. endlich die aristokratisch klingen sollende Menschen¬ verachtung vor uns. die den Arnim'schen Stil dort charakterisieren. Nur das Gesicht verbirgt sich, so möchten wir in diesem Stile sagen; sonst sieht der ganze übrige Mensch aus diesem Gewirr von Verdrehungen, Vertuschungen und Selbstberäucherungen hervor. Daß die letzteren sich unter diesen Um¬ ständen ganz besonders unschön ausnehmen, blieb jener naiven Kühnheit ebenfalls unerfindlich, und so nimmt sie keinen Anstand, sich und ihre Leist¬ ungen bei jeder Gelegenheit, die sich bietet, mit einem Füllhorn von Lobes¬ erhebungen zu überschütten. „Durch dreißigjährige Dienstzeit bewährte Ge- schicklichkeit", „Geschäftskunde", „diplomatischer Tact", „ruhiges Benehmen", »feiner Verstand" sind noch keineswegs die größten und glänzendsten der Lorbeerblätter, die der Graf Arnim hier der Büste des Grafen Arnim vor aller Welt zum Kranze flicht. Nachdem der Verfasser seinen hohen Geist und seinen Seherblick in vorausschauender Beurtheilung der Verhältnisse im Ver¬ ruf seiner Schrift wiederholt hat bewundern lassen, sagt er am Schlüsse: "Graf Arnim hat sich während seiner dreißigjährigen Dienstzeit durch gewissen¬ hafte und geschickte Amtsführung die Anerkennung des Monarchen, der Ne¬ uerung, des Landes und, bevor seine Verdienste öffentlich gerühmt wurden, sogar die des Reichskanzlers erworben. Wie sich aus der vorstehenden Dar-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/315>, abgerufen am 05.07.2024.