Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.und herrschende*), woran er die nicht unbescheidne Bitte knüpfte, Sabbathaj So war denn die bunte Seifenblase geplatzt, das Judenreich mit seinem Andere Gläubiggebliebene zogen nach Polen und dem südwestlichen Nu߬ ") Dieß ist richtig, wenn man unter der "Schrift" nicht die heilige, sondern die jüdischen
Legendensammlungcn versteht, denen zufolge Ben Ephraim, auch Ben Joseph genannt, der in Rom unter den Aussätzigen gewirkt haben und später in einer Schlacht gefallen sein soll, zu Anfang des Messtasreichs auferweckt zu werden und die obige Rolle zu spielen bestimmt wäre. und herrschende*), woran er die nicht unbescheidne Bitte knüpfte, Sabbathaj So war denn die bunte Seifenblase geplatzt, das Judenreich mit seinem Andere Gläubiggebliebene zogen nach Polen und dem südwestlichen Nu߬ ") Dieß ist richtig, wenn man unter der „Schrift" nicht die heilige, sondern die jüdischen
Legendensammlungcn versteht, denen zufolge Ben Ephraim, auch Ben Joseph genannt, der in Rom unter den Aussätzigen gewirkt haben und später in einer Schlacht gefallen sein soll, zu Anfang des Messtasreichs auferweckt zu werden und die obige Rolle zu spielen bestimmt wäre. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0299" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/134645"/> <p xml:id="ID_911" prev="#ID_910"> und herrschende*), woran er die nicht unbescheidne Bitte knüpfte, Sabbathaj<lb/> möge Ben David sein und ihn den Ben Ephraim spielen lassen. Mit diesem<lb/> Antrag abgewiesen und aus der Synagoge gestoßen, ging Kober mit einigen<lb/> Gesinnungsgenossen nach Adrianopel zum Sultan und stellte diesem den<lb/> Messias als einen Betrüger dar, der ihn vom Throne zu stoßen vorhabe.<lb/> Der Sultan soll daraus Sabbathaj sich haben vorführen lassen, um ihn auf<lb/> seine Wunderkraft zu prüfen, indem er befohlen hätte, ihn nackt den Pfeilen<lb/> seiner Schützen preiszugeben. Darnach hätte der Messias zitternd gebeten,<lb/> ihn mit dieser Probe zu verschonen, er sei nur ein armer Rabbiner. Wüthend<lb/> über ein so feiges Betragen nach so ungeheuerlicher Anmaßung, hätte der<lb/> Großtürke ihm hierauf die Wahl gestellt, entweder zum Islam überzutreten<lb/> oder gepfählt zu werden, und der erstgeborne Sohn Gottes, der Heiland und<lb/> Held der Juden, hätte das Erstere gewählt. Gewiß ist hiervon nur, daß<lb/> Sabbathaj Zevi wirklich aus Furcht vor dem Pfahle Muslim wurde und<lb/> darauf wieder in sein Gefängniß zurückkehren mußte, in welchem er nach einiger<lb/> Zeit starb.</p><lb/> <p xml:id="ID_912"> So war denn die bunte Seifenblase geplatzt, das Judenreich mit seinem<lb/> Leviathans- und Behemoth-Schmause und seinen andern guten Dingen in<lb/> den Born gefallen, und zwar auf recht häßliche Weise. Eine Anzahl der An¬<lb/> hänger Sabbathaj's blieb ihm auch nach seiner Conversion treu, indem sie die<lb/> Fiction tröstete, daß nicht er selbst, sondern nur ein Scheinbild von ihm jetzt<lb/> den Turban, die „Krone des Islam", statt der Krone des Meschiach trüge.<lb/> Einige hiervon nahmen ebenfalls scheinbar den Islam an und wurden so<lb/> der Anfang einer Secte, die noch jetzt in Salonik Anhänger zählt.</p><lb/> <p xml:id="ID_913" next="#ID_914"> Andere Gläubiggebliebene zogen nach Polen und dem südwestlichen Nu߬<lb/> land, wo sie noch heute in gewissen Rabbinern der Chassidim Nachfolger<lb/> Sabbathaj Zevi's als Könige verehren. Einer derselben, der für besonders<lb/> echt gilt, residirt zu Sadagura, einem Marktflecken der Bukowina, in einem<lb/> mit fürstlichem Luxus eingerichteten Hause. Hier empfängt er, namentlich an<lb/> hohen Festtagen, ein Heer von Verehrern, die ihm alle mehr oder minder<lb/> reiche Geschenke zu Füßen legen. Wie der Papst in Rom ertheilt er bei<lb/> solchen Gelegenheiten den Anwesenden seinen Segen, weiht er Kleider und<lb/> Gefäße und läßt er sich den Pantoffel küssen. Daß er wie Pius der Neunte<lb/> unfehlbar ist, versteht sich von selbst. Vor drei Jahren verheirathete er eine<lb/> Tochter an einen russischen Prinzen — nicht aus dem Hause Romanoff, son¬<lb/> dern Goldstängel, oder war's Kleinkerzel? — und da gab es in Sandagura</p><lb/> <note xml:id="FID_98" place="foot"> ") Dieß ist richtig, wenn man unter der „Schrift" nicht die heilige, sondern die jüdischen<lb/> Legendensammlungcn versteht, denen zufolge Ben Ephraim, auch Ben Joseph genannt, der in<lb/> Rom unter den Aussätzigen gewirkt haben und später in einer Schlacht gefallen sein soll, zu<lb/> Anfang des Messtasreichs auferweckt zu werden und die obige Rolle zu spielen bestimmt wäre.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0299]
und herrschende*), woran er die nicht unbescheidne Bitte knüpfte, Sabbathaj
möge Ben David sein und ihn den Ben Ephraim spielen lassen. Mit diesem
Antrag abgewiesen und aus der Synagoge gestoßen, ging Kober mit einigen
Gesinnungsgenossen nach Adrianopel zum Sultan und stellte diesem den
Messias als einen Betrüger dar, der ihn vom Throne zu stoßen vorhabe.
Der Sultan soll daraus Sabbathaj sich haben vorführen lassen, um ihn auf
seine Wunderkraft zu prüfen, indem er befohlen hätte, ihn nackt den Pfeilen
seiner Schützen preiszugeben. Darnach hätte der Messias zitternd gebeten,
ihn mit dieser Probe zu verschonen, er sei nur ein armer Rabbiner. Wüthend
über ein so feiges Betragen nach so ungeheuerlicher Anmaßung, hätte der
Großtürke ihm hierauf die Wahl gestellt, entweder zum Islam überzutreten
oder gepfählt zu werden, und der erstgeborne Sohn Gottes, der Heiland und
Held der Juden, hätte das Erstere gewählt. Gewiß ist hiervon nur, daß
Sabbathaj Zevi wirklich aus Furcht vor dem Pfahle Muslim wurde und
darauf wieder in sein Gefängniß zurückkehren mußte, in welchem er nach einiger
Zeit starb.
So war denn die bunte Seifenblase geplatzt, das Judenreich mit seinem
Leviathans- und Behemoth-Schmause und seinen andern guten Dingen in
den Born gefallen, und zwar auf recht häßliche Weise. Eine Anzahl der An¬
hänger Sabbathaj's blieb ihm auch nach seiner Conversion treu, indem sie die
Fiction tröstete, daß nicht er selbst, sondern nur ein Scheinbild von ihm jetzt
den Turban, die „Krone des Islam", statt der Krone des Meschiach trüge.
Einige hiervon nahmen ebenfalls scheinbar den Islam an und wurden so
der Anfang einer Secte, die noch jetzt in Salonik Anhänger zählt.
Andere Gläubiggebliebene zogen nach Polen und dem südwestlichen Nu߬
land, wo sie noch heute in gewissen Rabbinern der Chassidim Nachfolger
Sabbathaj Zevi's als Könige verehren. Einer derselben, der für besonders
echt gilt, residirt zu Sadagura, einem Marktflecken der Bukowina, in einem
mit fürstlichem Luxus eingerichteten Hause. Hier empfängt er, namentlich an
hohen Festtagen, ein Heer von Verehrern, die ihm alle mehr oder minder
reiche Geschenke zu Füßen legen. Wie der Papst in Rom ertheilt er bei
solchen Gelegenheiten den Anwesenden seinen Segen, weiht er Kleider und
Gefäße und läßt er sich den Pantoffel küssen. Daß er wie Pius der Neunte
unfehlbar ist, versteht sich von selbst. Vor drei Jahren verheirathete er eine
Tochter an einen russischen Prinzen — nicht aus dem Hause Romanoff, son¬
dern Goldstängel, oder war's Kleinkerzel? — und da gab es in Sandagura
") Dieß ist richtig, wenn man unter der „Schrift" nicht die heilige, sondern die jüdischen
Legendensammlungcn versteht, denen zufolge Ben Ephraim, auch Ben Joseph genannt, der in
Rom unter den Aussätzigen gewirkt haben und später in einer Schlacht gefallen sein soll, zu
Anfang des Messtasreichs auferweckt zu werden und die obige Rolle zu spielen bestimmt wäre.
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