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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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aber werde ihr Heiland, sitzend auf dem Löwen Gottes, einen Zügel von
sieben Schlangen in der Hand, gefolgt von den zehn Stämmen, die inzwischen
in der Wüste hinter Mizrajim gewohnt, wieder erscheinen, um Alles zu
glücklichem Ende zu bringen. Vom Himmel werde sich in alter Pracht der
Tempel Melech Schelomos herniedersenken, und in diesem Tempel würden
die nun Erlösten dem Herrn, ihrem Gotte, Opfer darbringen bis ans Ende
der Welt.

Inzwischen that Sabbathaj Zevi in Jerusalem noch einige Wunder, von
denen das erste allerdings nicht recht mit dem prophezeiten Herniederkommen
des Tempels vom Himmel stimmte, aber, wie das in solchen aufgeregten Zeiten
zu gehen pflegt, geglaubt worden zu sein scheint. Auf seine Beschwörung stieg
nämlich der Tempel eines Tages aus der Erde des Moriah empor. Den
Pascha verdroß das, und er sandte Soldaten ab, um die Grundmauern des
Gebäudes zu zerstören, aber siehe da, kaum hatten sie sich an die Arbeit ge¬
macht, als sie todt zu Boden stürzten. Der Pascha schickte zornig neue Leute
zu demselben Zwecke ab, aber es erging ihnen nicht besser als jenen. Da
eilte der grimmige Türke selber herbei, um mit einem großen Hammer die
heiligen Mauern zu zertrümmern, doch als er dazu ausholte, fiel er betäubt
und gelähmt nieder, und nur die kräftigen Gebete eines Rabbiners brachten
ihn wieder ins Leben.

Bald nachher kehrte der Messias in seine Vaterstadt Smyrna zurück, wo
man ihm von Seiten seines Volkes als König huldigte, und wo sich von allen
Seiten, selbst aus Amsterdam, Juden um ihn sammelten, die ihre Habselig¬
keiten verkauft hatten und ihre Reichthümer ihm zu Füßen legten. Er lehnte
diese Geschenke ab; denn es scheint ihm mehr um die Ehre als um Geld
und Gut zu thun gewesen zu sein, und zudem konnte er sich ja als
Wundermann mit einem einzigen Worte so viel Schätze verschaffen als
er begehrte.

Auch in Smyrna war der Kadi anfangs geneigt, gegen das Hochver¬
rätherische Treiben des Messias und seiner Propheten einzuschreiten. Ader
der Himmel trat für sie ein. In der Nacht erschienen vor dem Lager des
Kadi drei Männer, die sich ihm als Abraham, Elias und der aus dem Buch
Esther bekannte Mardochaj vorstellten. Elias (der auch in christlichen Sage"
mit Feuer und Blitz in Verbindung gebracht wird und vermuthlich nur die
Verwandelung eines altsemitischen Gewittergottes in einen Propheten ist) saß
dabei auf einer Feuersäule. Der Kadi bot ihm seinen Divan an, und Elias
machte auch von der Einladung Gebrauch, aber die Säule stellte sich zwischen
ihn und den Kadi. Als diesem die Hitze zu stark wurde, bat er den Pro¬
pheten flehentlich, ihn nicht verbrennen zu lassen. Elias milderte darauf den
Brand, warnte aber dann den nunmehr von der Macht der Messiasbewegung


aber werde ihr Heiland, sitzend auf dem Löwen Gottes, einen Zügel von
sieben Schlangen in der Hand, gefolgt von den zehn Stämmen, die inzwischen
in der Wüste hinter Mizrajim gewohnt, wieder erscheinen, um Alles zu
glücklichem Ende zu bringen. Vom Himmel werde sich in alter Pracht der
Tempel Melech Schelomos herniedersenken, und in diesem Tempel würden
die nun Erlösten dem Herrn, ihrem Gotte, Opfer darbringen bis ans Ende
der Welt.

Inzwischen that Sabbathaj Zevi in Jerusalem noch einige Wunder, von
denen das erste allerdings nicht recht mit dem prophezeiten Herniederkommen
des Tempels vom Himmel stimmte, aber, wie das in solchen aufgeregten Zeiten
zu gehen pflegt, geglaubt worden zu sein scheint. Auf seine Beschwörung stieg
nämlich der Tempel eines Tages aus der Erde des Moriah empor. Den
Pascha verdroß das, und er sandte Soldaten ab, um die Grundmauern des
Gebäudes zu zerstören, aber siehe da, kaum hatten sie sich an die Arbeit ge¬
macht, als sie todt zu Boden stürzten. Der Pascha schickte zornig neue Leute
zu demselben Zwecke ab, aber es erging ihnen nicht besser als jenen. Da
eilte der grimmige Türke selber herbei, um mit einem großen Hammer die
heiligen Mauern zu zertrümmern, doch als er dazu ausholte, fiel er betäubt
und gelähmt nieder, und nur die kräftigen Gebete eines Rabbiners brachten
ihn wieder ins Leben.

Bald nachher kehrte der Messias in seine Vaterstadt Smyrna zurück, wo
man ihm von Seiten seines Volkes als König huldigte, und wo sich von allen
Seiten, selbst aus Amsterdam, Juden um ihn sammelten, die ihre Habselig¬
keiten verkauft hatten und ihre Reichthümer ihm zu Füßen legten. Er lehnte
diese Geschenke ab; denn es scheint ihm mehr um die Ehre als um Geld
und Gut zu thun gewesen zu sein, und zudem konnte er sich ja als
Wundermann mit einem einzigen Worte so viel Schätze verschaffen als
er begehrte.

Auch in Smyrna war der Kadi anfangs geneigt, gegen das Hochver¬
rätherische Treiben des Messias und seiner Propheten einzuschreiten. Ader
der Himmel trat für sie ein. In der Nacht erschienen vor dem Lager des
Kadi drei Männer, die sich ihm als Abraham, Elias und der aus dem Buch
Esther bekannte Mardochaj vorstellten. Elias (der auch in christlichen Sage»
mit Feuer und Blitz in Verbindung gebracht wird und vermuthlich nur die
Verwandelung eines altsemitischen Gewittergottes in einen Propheten ist) saß
dabei auf einer Feuersäule. Der Kadi bot ihm seinen Divan an, und Elias
machte auch von der Einladung Gebrauch, aber die Säule stellte sich zwischen
ihn und den Kadi. Als diesem die Hitze zu stark wurde, bat er den Pro¬
pheten flehentlich, ihn nicht verbrennen zu lassen. Elias milderte darauf den
Brand, warnte aber dann den nunmehr von der Macht der Messiasbewegung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/296>, abgerufen am 25.08.2024.