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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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allerhöchst, wo hier unten nur Spott damit getrieben wird. Die Zwerg¬
lein allerhöchst!!!!!! --"

Der Erzherzog war obenein persönlich eine gar unscheinbare Erscheinung.
"Das^Quartett anbelangend so ist nur an dem letzten Satze noch etwas zu
schreiben" heißt es in dem vorigen Briefe gegen Schott.. Der Thyrsosstab
jener Ouvertüre Op. 124, die soeben (26. Dec. 1824) aufs neue öffentlich
aufgeführt worden war, kehrt wieder, er ist aber in diesem Finale zur Pritsche
des Arlecchins geworden, der in gutmüthig neckendem Zorn alle übergreifende
Beschränktheit der Welt geißelt. Wir meinen die rhythmischen Schläge
im Finale.

Und so schließen wir diesen äußerlichen Vorbericht über das erste Werk,
das in oder vielmehr hinter der hier aufs neue vorübergerauschten bunten Bil¬
derreihe seine Entstehung zugleich fand und versteckte, mit den Zeilen an den
Ritter I. von Seyfried, der eben damals die Ouvertüre "zur Weihe des
Hauses" zum Besten der armen Bürger Wiens im großen Redoutensaale auf¬
geführt hatte. Wir werden ihren Sinn wie ihre Ausdrucksweise jetzt
doppelt gut verstehen: "Mein lieber werther Bruder in Apollo! -- Meinen
herzlichen Dank für die Mühe, welche Sie sich um mein menschliches Werk
gegeben, und ich freue mich, daß auch das Gelingen allgemein anerkannt wor¬
den. Ich hoffe, daß Sie mich nie vorbeigehen, wo ich im Stande bin Ihnen
mit meinen geringen Kräften zu dienen. Die löbl. Bürgerschaftseommission
ist ohnehin von meinem guten Willen genugsam überzeugt. Um ihr diesen
neuerdings zu bethätigen, werden wir uns einmal freundschaftlich besprechen,
auf welche Art ihr am besten gedient sei. -- Wenn Meister wie Sie an uns
Theil nehmen, so dürfen die Schwingen wohl nie lahm werden. Mit herz¬
licher Hochachtung Ihr Freund Beethoven."

Allerdings erzählt Seyfried selbst bei Besprechung der Rissa, solennis,
der Neunten Symphonie und des Lus moII-Quartetts kurz nach Beethoven's Tode,
ihre beiderseitige 30 jährige Bekanntschaft, die die Hälfte dieser Zeit hindurch
in der That ein freundschaftliches Verhältniß gewesen, sei nie irgend gelockert,
oder durch einen noch so geringfügigen Zwist gestört worden, und fügt hinzu:
"Nicht als ob wir beide stets und immerdar eines und desselben Sinnes ge¬
wesen wären oder hätten sein können; vielmehr sprach sich jeder frei und un-
verholen aus, wie er's eben aus geprüfter Ueberzeugung fühlte und als wahr
erfand, fern von allem sträflichen egoistischen Eigendünkel, diese seine differi-
renden Ansichten dem Gegenpart als infallibel aufdringen zu wollen." Allein
immer war doch hier nicht entfernt an ein Verhältniß der Ebenbürtigkeit zu
denken. Und wenn allerdings in Rechnung zu ziehen ist, daß mit jener Pro-
duction die erstmalige würdige Aufführung eines Werkes geschehen war, wei-


allerhöchst, wo hier unten nur Spott damit getrieben wird. Die Zwerg¬
lein allerhöchst!!!!!! —"

Der Erzherzog war obenein persönlich eine gar unscheinbare Erscheinung.
„Das^Quartett anbelangend so ist nur an dem letzten Satze noch etwas zu
schreiben" heißt es in dem vorigen Briefe gegen Schott.. Der Thyrsosstab
jener Ouvertüre Op. 124, die soeben (26. Dec. 1824) aufs neue öffentlich
aufgeführt worden war, kehrt wieder, er ist aber in diesem Finale zur Pritsche
des Arlecchins geworden, der in gutmüthig neckendem Zorn alle übergreifende
Beschränktheit der Welt geißelt. Wir meinen die rhythmischen Schläge
im Finale.

Und so schließen wir diesen äußerlichen Vorbericht über das erste Werk,
das in oder vielmehr hinter der hier aufs neue vorübergerauschten bunten Bil¬
derreihe seine Entstehung zugleich fand und versteckte, mit den Zeilen an den
Ritter I. von Seyfried, der eben damals die Ouvertüre „zur Weihe des
Hauses" zum Besten der armen Bürger Wiens im großen Redoutensaale auf¬
geführt hatte. Wir werden ihren Sinn wie ihre Ausdrucksweise jetzt
doppelt gut verstehen: „Mein lieber werther Bruder in Apollo! — Meinen
herzlichen Dank für die Mühe, welche Sie sich um mein menschliches Werk
gegeben, und ich freue mich, daß auch das Gelingen allgemein anerkannt wor¬
den. Ich hoffe, daß Sie mich nie vorbeigehen, wo ich im Stande bin Ihnen
mit meinen geringen Kräften zu dienen. Die löbl. Bürgerschaftseommission
ist ohnehin von meinem guten Willen genugsam überzeugt. Um ihr diesen
neuerdings zu bethätigen, werden wir uns einmal freundschaftlich besprechen,
auf welche Art ihr am besten gedient sei. — Wenn Meister wie Sie an uns
Theil nehmen, so dürfen die Schwingen wohl nie lahm werden. Mit herz¬
licher Hochachtung Ihr Freund Beethoven."

Allerdings erzählt Seyfried selbst bei Besprechung der Rissa, solennis,
der Neunten Symphonie und des Lus moII-Quartetts kurz nach Beethoven's Tode,
ihre beiderseitige 30 jährige Bekanntschaft, die die Hälfte dieser Zeit hindurch
in der That ein freundschaftliches Verhältniß gewesen, sei nie irgend gelockert,
oder durch einen noch so geringfügigen Zwist gestört worden, und fügt hinzu:
„Nicht als ob wir beide stets und immerdar eines und desselben Sinnes ge¬
wesen wären oder hätten sein können; vielmehr sprach sich jeder frei und un-
verholen aus, wie er's eben aus geprüfter Ueberzeugung fühlte und als wahr
erfand, fern von allem sträflichen egoistischen Eigendünkel, diese seine differi-
renden Ansichten dem Gegenpart als infallibel aufdringen zu wollen." Allein
immer war doch hier nicht entfernt an ein Verhältniß der Ebenbürtigkeit zu
denken. Und wenn allerdings in Rechnung zu ziehen ist, daß mit jener Pro-
duction die erstmalige würdige Aufführung eines Werkes geschehen war, wei-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/258>, abgerufen am 22.07.2024.