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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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wache Befehl, über den Strom zu setzen und sich drüben zu verstecken. Darauf
begab man sich zum Frühstück. Gegen Ende desselben hörte man plötzlich
das Geschrei, der Feind sei da. Hastig erhob sich der Kaiser, sprengte, nur
von einigen Freunden und Leibwächtern begleitet, in den Wald, zerstreute die
angeblichen Gegner und hing an den Bäumen Trophäen auf. Abends
kehrte er zurück und schalt die Zurückgebliebenen als Feiglinge aus, wogegen
er die Gefährten, die mit ihm gesiegt, mit den Bildern von Sonne, Mond
und Sternen beschenkte. Ein mit Lorbeern umwundener Brief meldete die
Großthat dem Senate, dem dabei zugleich ein derber Verweis ertheilt wurde,
daß er sich allen möglichen Vergnügungen hingebe, während der Kaiser draußen
im Barbarenlande Schlachten schlage und sich den Geschossen der Wilden aus¬
setze. Zuletzt wandte sich Caligula, nachdem er den ganzen Winter gewaltig
gerüstet, gegen Britannien. Mit 230,000 Mann erschien er am Kanal. Die
Truppen bekamen Befehl, bei Gessoriacum (dem heutigen Boulogne) eine mili¬
tärische Stellung einzunehmen und sich zur Schlacht bereit zu halten, obwohl
auch hier kein Feind zu sehen und zu bekriegen war. Caligula hielt von
einer Trireme aus Heerschau über die Soldaten. Darauf ging er ans Land
und bestieg eine Tribüne, wie wenn er das Zeichen zum Angriff geben wollte.
Schon feuerte der Schall der Tuba die Krieger zur Tapferkeit an, da hörten
sie plötzlich den Befehl, die Waffen zusammenzustellen, Muscheln aufzulesen
und ihre Helme damit zu füllen; denn das seien die Spolien des Oceans, die
der Kaiser dem Capitol und Palatium schulde. Und wie geboten, so geschah
es. Zu einem ungeheuren Haufen vor den Füßen des verrückten Imperators
Zusammengetragen, wurde diese Kriegsbeute des Meeres dem Senate mit der
Weisung zugeschickt, sie mit gebührender Feierlichkeit den Schätzen des Staates
einzuverleiben. Als Siegeszeichen am gallischen Strande aber ließ der Kaiser
einen riesigen Leuchtthurm aufführen.

Selbstverständlich empfahlen solche Albernheiten den Cäsar dem Heere
nicht, und noch weniger war dies mit folgendem Plan desselben der Fall.
An den Niederrhein zurückgekehrt, erinnerte sich Caligula an eine Meuterei,
bei der mehrere Legionen sich nach dem Tode des Augustus gegen Germanicus,
seinen Vater, aufgelehnt, ihn selbst bedroht und seine Mutter zur Flucht ge¬
lungen hatten. In seiner Wuth beschloß er, alle jene Legionen jetzt, nach¬
dem seit der Empörung mehr als zwanzig Jahre verflossen waren, Mann für
Mann niederhauen zu lassen. Mit Mühe brachte man ihn davon ab und
bewog ihn, sich mit einer Deeimirung der Leute zufrieden zu geben. Er ließ
dieselben also auffordern, sich unbewaffnet zu versammeln, worauf sie von
Reiterei umzingelt wurden. Als er indeß bemerkte, daß viele von ihnen die
Falle merkten und nach ihren Waffen liefen, machte er sich eilig von dannen
und ging nach Rom, wo er seine Galle am Senate anstieß. Er drohte, die


Grenzüoten IV. 187S. 32

wache Befehl, über den Strom zu setzen und sich drüben zu verstecken. Darauf
begab man sich zum Frühstück. Gegen Ende desselben hörte man plötzlich
das Geschrei, der Feind sei da. Hastig erhob sich der Kaiser, sprengte, nur
von einigen Freunden und Leibwächtern begleitet, in den Wald, zerstreute die
angeblichen Gegner und hing an den Bäumen Trophäen auf. Abends
kehrte er zurück und schalt die Zurückgebliebenen als Feiglinge aus, wogegen
er die Gefährten, die mit ihm gesiegt, mit den Bildern von Sonne, Mond
und Sternen beschenkte. Ein mit Lorbeern umwundener Brief meldete die
Großthat dem Senate, dem dabei zugleich ein derber Verweis ertheilt wurde,
daß er sich allen möglichen Vergnügungen hingebe, während der Kaiser draußen
im Barbarenlande Schlachten schlage und sich den Geschossen der Wilden aus¬
setze. Zuletzt wandte sich Caligula, nachdem er den ganzen Winter gewaltig
gerüstet, gegen Britannien. Mit 230,000 Mann erschien er am Kanal. Die
Truppen bekamen Befehl, bei Gessoriacum (dem heutigen Boulogne) eine mili¬
tärische Stellung einzunehmen und sich zur Schlacht bereit zu halten, obwohl
auch hier kein Feind zu sehen und zu bekriegen war. Caligula hielt von
einer Trireme aus Heerschau über die Soldaten. Darauf ging er ans Land
und bestieg eine Tribüne, wie wenn er das Zeichen zum Angriff geben wollte.
Schon feuerte der Schall der Tuba die Krieger zur Tapferkeit an, da hörten
sie plötzlich den Befehl, die Waffen zusammenzustellen, Muscheln aufzulesen
und ihre Helme damit zu füllen; denn das seien die Spolien des Oceans, die
der Kaiser dem Capitol und Palatium schulde. Und wie geboten, so geschah
es. Zu einem ungeheuren Haufen vor den Füßen des verrückten Imperators
Zusammengetragen, wurde diese Kriegsbeute des Meeres dem Senate mit der
Weisung zugeschickt, sie mit gebührender Feierlichkeit den Schätzen des Staates
einzuverleiben. Als Siegeszeichen am gallischen Strande aber ließ der Kaiser
einen riesigen Leuchtthurm aufführen.

Selbstverständlich empfahlen solche Albernheiten den Cäsar dem Heere
nicht, und noch weniger war dies mit folgendem Plan desselben der Fall.
An den Niederrhein zurückgekehrt, erinnerte sich Caligula an eine Meuterei,
bei der mehrere Legionen sich nach dem Tode des Augustus gegen Germanicus,
seinen Vater, aufgelehnt, ihn selbst bedroht und seine Mutter zur Flucht ge¬
lungen hatten. In seiner Wuth beschloß er, alle jene Legionen jetzt, nach¬
dem seit der Empörung mehr als zwanzig Jahre verflossen waren, Mann für
Mann niederhauen zu lassen. Mit Mühe brachte man ihn davon ab und
bewog ihn, sich mit einer Deeimirung der Leute zufrieden zu geben. Er ließ
dieselben also auffordern, sich unbewaffnet zu versammeln, worauf sie von
Reiterei umzingelt wurden. Als er indeß bemerkte, daß viele von ihnen die
Falle merkten und nach ihren Waffen liefen, machte er sich eilig von dannen
und ging nach Rom, wo er seine Galle am Senate anstieß. Er drohte, die


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[0253] wache Befehl, über den Strom zu setzen und sich drüben zu verstecken. Darauf begab man sich zum Frühstück. Gegen Ende desselben hörte man plötzlich das Geschrei, der Feind sei da. Hastig erhob sich der Kaiser, sprengte, nur von einigen Freunden und Leibwächtern begleitet, in den Wald, zerstreute die angeblichen Gegner und hing an den Bäumen Trophäen auf. Abends kehrte er zurück und schalt die Zurückgebliebenen als Feiglinge aus, wogegen er die Gefährten, die mit ihm gesiegt, mit den Bildern von Sonne, Mond und Sternen beschenkte. Ein mit Lorbeern umwundener Brief meldete die Großthat dem Senate, dem dabei zugleich ein derber Verweis ertheilt wurde, daß er sich allen möglichen Vergnügungen hingebe, während der Kaiser draußen im Barbarenlande Schlachten schlage und sich den Geschossen der Wilden aus¬ setze. Zuletzt wandte sich Caligula, nachdem er den ganzen Winter gewaltig gerüstet, gegen Britannien. Mit 230,000 Mann erschien er am Kanal. Die Truppen bekamen Befehl, bei Gessoriacum (dem heutigen Boulogne) eine mili¬ tärische Stellung einzunehmen und sich zur Schlacht bereit zu halten, obwohl auch hier kein Feind zu sehen und zu bekriegen war. Caligula hielt von einer Trireme aus Heerschau über die Soldaten. Darauf ging er ans Land und bestieg eine Tribüne, wie wenn er das Zeichen zum Angriff geben wollte. Schon feuerte der Schall der Tuba die Krieger zur Tapferkeit an, da hörten sie plötzlich den Befehl, die Waffen zusammenzustellen, Muscheln aufzulesen und ihre Helme damit zu füllen; denn das seien die Spolien des Oceans, die der Kaiser dem Capitol und Palatium schulde. Und wie geboten, so geschah es. Zu einem ungeheuren Haufen vor den Füßen des verrückten Imperators Zusammengetragen, wurde diese Kriegsbeute des Meeres dem Senate mit der Weisung zugeschickt, sie mit gebührender Feierlichkeit den Schätzen des Staates einzuverleiben. Als Siegeszeichen am gallischen Strande aber ließ der Kaiser einen riesigen Leuchtthurm aufführen. Selbstverständlich empfahlen solche Albernheiten den Cäsar dem Heere nicht, und noch weniger war dies mit folgendem Plan desselben der Fall. An den Niederrhein zurückgekehrt, erinnerte sich Caligula an eine Meuterei, bei der mehrere Legionen sich nach dem Tode des Augustus gegen Germanicus, seinen Vater, aufgelehnt, ihn selbst bedroht und seine Mutter zur Flucht ge¬ lungen hatten. In seiner Wuth beschloß er, alle jene Legionen jetzt, nach¬ dem seit der Empörung mehr als zwanzig Jahre verflossen waren, Mann für Mann niederhauen zu lassen. Mit Mühe brachte man ihn davon ab und bewog ihn, sich mit einer Deeimirung der Leute zufrieden zu geben. Er ließ dieselben also auffordern, sich unbewaffnet zu versammeln, worauf sie von Reiterei umzingelt wurden. Als er indeß bemerkte, daß viele von ihnen die Falle merkten und nach ihren Waffen liefen, machte er sich eilig von dannen und ging nach Rom, wo er seine Galle am Senate anstieß. Er drohte, die Grenzüoten IV. 187S. 32

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/253>, abgerufen am 22.07.2024.