Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Jene^Folterungen fanden nicht zur Erpressung eines Schuldgeständnisses, son¬
dern lediglich zur Augenweide des Kaisers statt, und derselbe hatte eine solche
kanibalische Lust am Blutvergießen, daß er einst sogar noch nach Einbruch
der Nacht, in einer Säulenhalle vor dem Garten seiner Mutter auf und ab¬
wandelnd, eine Anzahl von Leuten, die während des Tages bereits halbtodt
gegeißelt worden waren, sammt ihren Frauen und obendrein einige Senatoren
enthaupten ließ.

Im festen Glauben an seine Göttlichkeit, unternahm Caligula die unge¬
heuersten und kostspieligsten Bauten. Er vollendete den von Tiberius be¬
gonnenen Tempel des Augustus, stellte das von einer Feuersbrunst zerstörte
Theater des Pompejus wieder her und ging an den Bau eines Amphitheaters
auf dem Marsfelde. Auch der großartige Aquäduct, welcher die Gewässer der
Aqua Claudia und des Anio nach Rom führte, wurde unter seiner Regierung
entworfen. Er dachte ferner an eine Wiederherstellung der Königsburg des
Polykrates auf Samos, an die Vollendung des riesigen Apollotempels Jm
Milet, an die Durchstechung der Landenge von Korinth und an die Erbauung
einer Stadt auf dem Kamme der Alpen. Bei den Bauten von Villen und
Schlössern ging sein sehnliches Verlangen stets dahin, mit Hintansetzung alles
gesunden Menschenverstandes vor allen Dingen das möglich zu machen, was
alle Welt für unmöglich hielt. So wurden denn gerade, wo das Meer un¬
ruhig und tief war, Dämme gelegt, Felsen des härtesten Gesteins ausgehauen,
Ebnen zu Bergen umgeschaffen, Berge abgetragen und das Alles geschah mit
der größten Geschwindigkeit, da jede Verzögerung mit dem Verluste des
Kopfes bedroht war. Nicht selten hatten solche Arbeiten keinen andern Zweck,
als die Befriedigung einer Laune des Cäsars. Ein Beispiel hierzu ist die
ungeheure, halb feste, halb aus Schiffen bestehende Brücke, die Caligula über
den Golf von Bajä schlagen ließ, die Gnlle einer wahnwitzigen Eitelkeit,
das ungereimteste Spielzeug, das menschliche Thorheit je erdachte, um einen
Tag damit zu spielen und es am nächsten für immer bet Seite zu werfen.

Endlich fing der Kaiser auch an, nach Kriegsruhm zu dürsten. Im
Jahre 39 bemerkte er aus einer Reise in Umbrien, daß seine batavischen Garde¬
reiter sehr zusammengeschmolzen waren. Sofort faßte er den Plan, sie durch
Kriegsgefangene zu vermehren und zu dem Zwecke einen Feldzug nach Germanien
zu unternehmen. Man zog Legionen und Hülfsvölker von überallher zu¬
sammen, sammelte ungeheure Kriegsvorräthe und setzte sich, den Kaiser an
der Spitze, in Marsch, wobei dieser von einer Menge von Schauspielern, Tän¬
zern, Fechtern und Weibern begleitet wurde. Caligula hatte verkündigen
lassen, daß die Barbaren über die Reichsgrenze vordrängen und er sie auf¬
halten müsse, aber als nun sein Heer am Rhein anlangte, war kein Feind
zu erblicken. Da einer nothwendig war, erhielten die Germanen der Leib-


Jene^Folterungen fanden nicht zur Erpressung eines Schuldgeständnisses, son¬
dern lediglich zur Augenweide des Kaisers statt, und derselbe hatte eine solche
kanibalische Lust am Blutvergießen, daß er einst sogar noch nach Einbruch
der Nacht, in einer Säulenhalle vor dem Garten seiner Mutter auf und ab¬
wandelnd, eine Anzahl von Leuten, die während des Tages bereits halbtodt
gegeißelt worden waren, sammt ihren Frauen und obendrein einige Senatoren
enthaupten ließ.

Im festen Glauben an seine Göttlichkeit, unternahm Caligula die unge¬
heuersten und kostspieligsten Bauten. Er vollendete den von Tiberius be¬
gonnenen Tempel des Augustus, stellte das von einer Feuersbrunst zerstörte
Theater des Pompejus wieder her und ging an den Bau eines Amphitheaters
auf dem Marsfelde. Auch der großartige Aquäduct, welcher die Gewässer der
Aqua Claudia und des Anio nach Rom führte, wurde unter seiner Regierung
entworfen. Er dachte ferner an eine Wiederherstellung der Königsburg des
Polykrates auf Samos, an die Vollendung des riesigen Apollotempels Jm
Milet, an die Durchstechung der Landenge von Korinth und an die Erbauung
einer Stadt auf dem Kamme der Alpen. Bei den Bauten von Villen und
Schlössern ging sein sehnliches Verlangen stets dahin, mit Hintansetzung alles
gesunden Menschenverstandes vor allen Dingen das möglich zu machen, was
alle Welt für unmöglich hielt. So wurden denn gerade, wo das Meer un¬
ruhig und tief war, Dämme gelegt, Felsen des härtesten Gesteins ausgehauen,
Ebnen zu Bergen umgeschaffen, Berge abgetragen und das Alles geschah mit
der größten Geschwindigkeit, da jede Verzögerung mit dem Verluste des
Kopfes bedroht war. Nicht selten hatten solche Arbeiten keinen andern Zweck,
als die Befriedigung einer Laune des Cäsars. Ein Beispiel hierzu ist die
ungeheure, halb feste, halb aus Schiffen bestehende Brücke, die Caligula über
den Golf von Bajä schlagen ließ, die Gnlle einer wahnwitzigen Eitelkeit,
das ungereimteste Spielzeug, das menschliche Thorheit je erdachte, um einen
Tag damit zu spielen und es am nächsten für immer bet Seite zu werfen.

Endlich fing der Kaiser auch an, nach Kriegsruhm zu dürsten. Im
Jahre 39 bemerkte er aus einer Reise in Umbrien, daß seine batavischen Garde¬
reiter sehr zusammengeschmolzen waren. Sofort faßte er den Plan, sie durch
Kriegsgefangene zu vermehren und zu dem Zwecke einen Feldzug nach Germanien
zu unternehmen. Man zog Legionen und Hülfsvölker von überallher zu¬
sammen, sammelte ungeheure Kriegsvorräthe und setzte sich, den Kaiser an
der Spitze, in Marsch, wobei dieser von einer Menge von Schauspielern, Tän¬
zern, Fechtern und Weibern begleitet wurde. Caligula hatte verkündigen
lassen, daß die Barbaren über die Reichsgrenze vordrängen und er sie auf¬
halten müsse, aber als nun sein Heer am Rhein anlangte, war kein Feind
zu erblicken. Da einer nothwendig war, erhielten die Germanen der Leib-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0252" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/134598"/>
          <p xml:id="ID_754" prev="#ID_753"> Jene^Folterungen fanden nicht zur Erpressung eines Schuldgeständnisses, son¬<lb/>
dern lediglich zur Augenweide des Kaisers statt, und derselbe hatte eine solche<lb/>
kanibalische Lust am Blutvergießen, daß er einst sogar noch nach Einbruch<lb/>
der Nacht, in einer Säulenhalle vor dem Garten seiner Mutter auf und ab¬<lb/>
wandelnd, eine Anzahl von Leuten, die während des Tages bereits halbtodt<lb/>
gegeißelt worden waren, sammt ihren Frauen und obendrein einige Senatoren<lb/>
enthaupten ließ.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_755"> Im festen Glauben an seine Göttlichkeit, unternahm Caligula die unge¬<lb/>
heuersten und kostspieligsten Bauten. Er vollendete den von Tiberius be¬<lb/>
gonnenen Tempel des Augustus, stellte das von einer Feuersbrunst zerstörte<lb/>
Theater des Pompejus wieder her und ging an den Bau eines Amphitheaters<lb/>
auf dem Marsfelde. Auch der großartige Aquäduct, welcher die Gewässer der<lb/>
Aqua Claudia und des Anio nach Rom führte, wurde unter seiner Regierung<lb/>
entworfen. Er dachte ferner an eine Wiederherstellung der Königsburg des<lb/>
Polykrates auf Samos, an die Vollendung des riesigen Apollotempels Jm<lb/>
Milet, an die Durchstechung der Landenge von Korinth und an die Erbauung<lb/>
einer Stadt auf dem Kamme der Alpen. Bei den Bauten von Villen und<lb/>
Schlössern ging sein sehnliches Verlangen stets dahin, mit Hintansetzung alles<lb/>
gesunden Menschenverstandes vor allen Dingen das möglich zu machen, was<lb/>
alle Welt für unmöglich hielt. So wurden denn gerade, wo das Meer un¬<lb/>
ruhig und tief war, Dämme gelegt, Felsen des härtesten Gesteins ausgehauen,<lb/>
Ebnen zu Bergen umgeschaffen, Berge abgetragen und das Alles geschah mit<lb/>
der größten Geschwindigkeit, da jede Verzögerung mit dem Verluste des<lb/>
Kopfes bedroht war. Nicht selten hatten solche Arbeiten keinen andern Zweck,<lb/>
als die Befriedigung einer Laune des Cäsars. Ein Beispiel hierzu ist die<lb/>
ungeheure, halb feste, halb aus Schiffen bestehende Brücke, die Caligula über<lb/>
den Golf von Bajä schlagen ließ, die Gnlle einer wahnwitzigen Eitelkeit,<lb/>
das ungereimteste Spielzeug, das menschliche Thorheit je erdachte, um einen<lb/>
Tag damit zu spielen und es am nächsten für immer bet Seite zu werfen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_756" next="#ID_757"> Endlich fing der Kaiser auch an, nach Kriegsruhm zu dürsten. Im<lb/>
Jahre 39 bemerkte er aus einer Reise in Umbrien, daß seine batavischen Garde¬<lb/>
reiter sehr zusammengeschmolzen waren. Sofort faßte er den Plan, sie durch<lb/>
Kriegsgefangene zu vermehren und zu dem Zwecke einen Feldzug nach Germanien<lb/>
zu unternehmen. Man zog Legionen und Hülfsvölker von überallher zu¬<lb/>
sammen, sammelte ungeheure Kriegsvorräthe und setzte sich, den Kaiser an<lb/>
der Spitze, in Marsch, wobei dieser von einer Menge von Schauspielern, Tän¬<lb/>
zern, Fechtern und Weibern begleitet wurde. Caligula hatte verkündigen<lb/>
lassen, daß die Barbaren über die Reichsgrenze vordrängen und er sie auf¬<lb/>
halten müsse, aber als nun sein Heer am Rhein anlangte, war kein Feind<lb/>
zu erblicken. Da einer nothwendig war, erhielten die Germanen der Leib-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0252] Jene^Folterungen fanden nicht zur Erpressung eines Schuldgeständnisses, son¬ dern lediglich zur Augenweide des Kaisers statt, und derselbe hatte eine solche kanibalische Lust am Blutvergießen, daß er einst sogar noch nach Einbruch der Nacht, in einer Säulenhalle vor dem Garten seiner Mutter auf und ab¬ wandelnd, eine Anzahl von Leuten, die während des Tages bereits halbtodt gegeißelt worden waren, sammt ihren Frauen und obendrein einige Senatoren enthaupten ließ. Im festen Glauben an seine Göttlichkeit, unternahm Caligula die unge¬ heuersten und kostspieligsten Bauten. Er vollendete den von Tiberius be¬ gonnenen Tempel des Augustus, stellte das von einer Feuersbrunst zerstörte Theater des Pompejus wieder her und ging an den Bau eines Amphitheaters auf dem Marsfelde. Auch der großartige Aquäduct, welcher die Gewässer der Aqua Claudia und des Anio nach Rom führte, wurde unter seiner Regierung entworfen. Er dachte ferner an eine Wiederherstellung der Königsburg des Polykrates auf Samos, an die Vollendung des riesigen Apollotempels Jm Milet, an die Durchstechung der Landenge von Korinth und an die Erbauung einer Stadt auf dem Kamme der Alpen. Bei den Bauten von Villen und Schlössern ging sein sehnliches Verlangen stets dahin, mit Hintansetzung alles gesunden Menschenverstandes vor allen Dingen das möglich zu machen, was alle Welt für unmöglich hielt. So wurden denn gerade, wo das Meer un¬ ruhig und tief war, Dämme gelegt, Felsen des härtesten Gesteins ausgehauen, Ebnen zu Bergen umgeschaffen, Berge abgetragen und das Alles geschah mit der größten Geschwindigkeit, da jede Verzögerung mit dem Verluste des Kopfes bedroht war. Nicht selten hatten solche Arbeiten keinen andern Zweck, als die Befriedigung einer Laune des Cäsars. Ein Beispiel hierzu ist die ungeheure, halb feste, halb aus Schiffen bestehende Brücke, die Caligula über den Golf von Bajä schlagen ließ, die Gnlle einer wahnwitzigen Eitelkeit, das ungereimteste Spielzeug, das menschliche Thorheit je erdachte, um einen Tag damit zu spielen und es am nächsten für immer bet Seite zu werfen. Endlich fing der Kaiser auch an, nach Kriegsruhm zu dürsten. Im Jahre 39 bemerkte er aus einer Reise in Umbrien, daß seine batavischen Garde¬ reiter sehr zusammengeschmolzen waren. Sofort faßte er den Plan, sie durch Kriegsgefangene zu vermehren und zu dem Zwecke einen Feldzug nach Germanien zu unternehmen. Man zog Legionen und Hülfsvölker von überallher zu¬ sammen, sammelte ungeheure Kriegsvorräthe und setzte sich, den Kaiser an der Spitze, in Marsch, wobei dieser von einer Menge von Schauspielern, Tän¬ zern, Fechtern und Weibern begleitet wurde. Caligula hatte verkündigen lassen, daß die Barbaren über die Reichsgrenze vordrängen und er sie auf¬ halten müsse, aber als nun sein Heer am Rhein anlangte, war kein Feind zu erblicken. Da einer nothwendig war, erhielten die Germanen der Leib-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/252
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/252>, abgerufen am 22.07.2024.