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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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Namen. "Man führe sie zum Tode!" Und triumphirend weckte er die neben
ihm entschlummerte Cäsonia auf und rief ihr zu: "Sieh, während Ihr schlaft,
bringe ich meine Rechnung in Ordnung." Um zwei Uhr begannen die gym¬
nastischen Uebungen, denen sich der Kaiser in allen Zweigen mit unwürdigem
Eifer widmete. Dann verfügte er sich zur Tafel, um sich den Magen mit
ausgesuchten Speisen zu überladen, sich sinnlos zu betrinken und in den Pau¬
sen während der einzelnen Gänge mit der einen und der andern der von ihm
geladenen vornehmen Damen der Wollust zu fröhnen.

War Caligula ein Gott, so mußte er auch von Göttern abstammen.
Agripp" durfte daher nie als sein Großvater genannt werden, und seine
Mutter gab er für eine Frucht des Umgangs des Augustus mit dessen Tochter
Julia aus, um so sein Geschlecht von dem göttlichen Aeneas und der Venus
herleiten zu können. War er Jupiter, so mußte er auch wie dieser seine
Schwester zur Gattin nehmen, und das geschah, indem er wirklich seine
Schwester Drusilla heirathete. Da er indeß mehr als Jupiter war, so lebte
er mit allen seinen Schwestern in blutschänderischem Verkehr. Jene Drusilla
aber besaß sein Herz, wenn man bei ihm etwas der Art annehmen darf, und
als sie starb, war er untröstlich. Er ehrte sie durch Anordnung allgemeiner
Landestrauer, während welcher das Lachen mit dem Tode bedroht war, er
erhob sie unter dem Namen Panthea zur Göttin, erbaute ihr eine Kapelle
und befahl allen Orten des Reiches, ihr göttliche Ehre zu erweisen. Jedoch
war es sicher nicht die Neigung zu der Todten, was Caligula zu solchen
Thorheiten veranlaßte, sondern der Umstand, daß sie seine, des Kaisers und
Gottes, Schwester war. Was zu ihm irgendwie in Beziehung stand, von
ihm berührt worden, war dadurch erhaben und heilig. Hielt er doch sein
Leibpserd Irenaeus für so edel, daß er ihm nicht nur einen marmornen Stall
und eine elfenbeinerne Krippe gab, es mit Purpurdecken und Juwelenhals¬
bändern beschenkte, ihm vergoldeten Hafer reichte, vornehme Römer ihm die
Aufwartung zu machen zwang und es im Range den kaiserlichen Prinzen
gleichstellte, sondern es sogar zu seinem Priester machte und es zum Consul
ernannt haben würde, wenn ihn nicht der Tod daran verhindert hätte.

Seine ungeheure Geldgier, welche namentlich die Reichen aussog, aber
auch die Unbemittelten schwer besteuerte, erwähnen wir nur kurz. Seine un¬
natürlichen Ausschweifungen mögen mit dem bisher Gesagten charakterisirt sein,
obwohl sich von diesem Charakterzüge des tollen Imperators noch viel
Schmutzigeres und Ekelhafteres berichten ließe. Dagegen wollen wir seine
Grausamkeir, die fortwährend zunahm, in ihrem Wachsen ausführlich
schildern.

Mord und Blut war in den letzten Jahren seines Lebens seine höchste
Lust, das Gestöhn Gemarterter und Verwundeter, das Röcheln Sterbender


Namen. „Man führe sie zum Tode!" Und triumphirend weckte er die neben
ihm entschlummerte Cäsonia auf und rief ihr zu: „Sieh, während Ihr schlaft,
bringe ich meine Rechnung in Ordnung." Um zwei Uhr begannen die gym¬
nastischen Uebungen, denen sich der Kaiser in allen Zweigen mit unwürdigem
Eifer widmete. Dann verfügte er sich zur Tafel, um sich den Magen mit
ausgesuchten Speisen zu überladen, sich sinnlos zu betrinken und in den Pau¬
sen während der einzelnen Gänge mit der einen und der andern der von ihm
geladenen vornehmen Damen der Wollust zu fröhnen.

War Caligula ein Gott, so mußte er auch von Göttern abstammen.
Agripp« durfte daher nie als sein Großvater genannt werden, und seine
Mutter gab er für eine Frucht des Umgangs des Augustus mit dessen Tochter
Julia aus, um so sein Geschlecht von dem göttlichen Aeneas und der Venus
herleiten zu können. War er Jupiter, so mußte er auch wie dieser seine
Schwester zur Gattin nehmen, und das geschah, indem er wirklich seine
Schwester Drusilla heirathete. Da er indeß mehr als Jupiter war, so lebte
er mit allen seinen Schwestern in blutschänderischem Verkehr. Jene Drusilla
aber besaß sein Herz, wenn man bei ihm etwas der Art annehmen darf, und
als sie starb, war er untröstlich. Er ehrte sie durch Anordnung allgemeiner
Landestrauer, während welcher das Lachen mit dem Tode bedroht war, er
erhob sie unter dem Namen Panthea zur Göttin, erbaute ihr eine Kapelle
und befahl allen Orten des Reiches, ihr göttliche Ehre zu erweisen. Jedoch
war es sicher nicht die Neigung zu der Todten, was Caligula zu solchen
Thorheiten veranlaßte, sondern der Umstand, daß sie seine, des Kaisers und
Gottes, Schwester war. Was zu ihm irgendwie in Beziehung stand, von
ihm berührt worden, war dadurch erhaben und heilig. Hielt er doch sein
Leibpserd Irenaeus für so edel, daß er ihm nicht nur einen marmornen Stall
und eine elfenbeinerne Krippe gab, es mit Purpurdecken und Juwelenhals¬
bändern beschenkte, ihm vergoldeten Hafer reichte, vornehme Römer ihm die
Aufwartung zu machen zwang und es im Range den kaiserlichen Prinzen
gleichstellte, sondern es sogar zu seinem Priester machte und es zum Consul
ernannt haben würde, wenn ihn nicht der Tod daran verhindert hätte.

Seine ungeheure Geldgier, welche namentlich die Reichen aussog, aber
auch die Unbemittelten schwer besteuerte, erwähnen wir nur kurz. Seine un¬
natürlichen Ausschweifungen mögen mit dem bisher Gesagten charakterisirt sein,
obwohl sich von diesem Charakterzüge des tollen Imperators noch viel
Schmutzigeres und Ekelhafteres berichten ließe. Dagegen wollen wir seine
Grausamkeir, die fortwährend zunahm, in ihrem Wachsen ausführlich
schildern.

Mord und Blut war in den letzten Jahren seines Lebens seine höchste
Lust, das Gestöhn Gemarterter und Verwundeter, das Röcheln Sterbender


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[0249] Namen. „Man führe sie zum Tode!" Und triumphirend weckte er die neben ihm entschlummerte Cäsonia auf und rief ihr zu: „Sieh, während Ihr schlaft, bringe ich meine Rechnung in Ordnung." Um zwei Uhr begannen die gym¬ nastischen Uebungen, denen sich der Kaiser in allen Zweigen mit unwürdigem Eifer widmete. Dann verfügte er sich zur Tafel, um sich den Magen mit ausgesuchten Speisen zu überladen, sich sinnlos zu betrinken und in den Pau¬ sen während der einzelnen Gänge mit der einen und der andern der von ihm geladenen vornehmen Damen der Wollust zu fröhnen. War Caligula ein Gott, so mußte er auch von Göttern abstammen. Agripp« durfte daher nie als sein Großvater genannt werden, und seine Mutter gab er für eine Frucht des Umgangs des Augustus mit dessen Tochter Julia aus, um so sein Geschlecht von dem göttlichen Aeneas und der Venus herleiten zu können. War er Jupiter, so mußte er auch wie dieser seine Schwester zur Gattin nehmen, und das geschah, indem er wirklich seine Schwester Drusilla heirathete. Da er indeß mehr als Jupiter war, so lebte er mit allen seinen Schwestern in blutschänderischem Verkehr. Jene Drusilla aber besaß sein Herz, wenn man bei ihm etwas der Art annehmen darf, und als sie starb, war er untröstlich. Er ehrte sie durch Anordnung allgemeiner Landestrauer, während welcher das Lachen mit dem Tode bedroht war, er erhob sie unter dem Namen Panthea zur Göttin, erbaute ihr eine Kapelle und befahl allen Orten des Reiches, ihr göttliche Ehre zu erweisen. Jedoch war es sicher nicht die Neigung zu der Todten, was Caligula zu solchen Thorheiten veranlaßte, sondern der Umstand, daß sie seine, des Kaisers und Gottes, Schwester war. Was zu ihm irgendwie in Beziehung stand, von ihm berührt worden, war dadurch erhaben und heilig. Hielt er doch sein Leibpserd Irenaeus für so edel, daß er ihm nicht nur einen marmornen Stall und eine elfenbeinerne Krippe gab, es mit Purpurdecken und Juwelenhals¬ bändern beschenkte, ihm vergoldeten Hafer reichte, vornehme Römer ihm die Aufwartung zu machen zwang und es im Range den kaiserlichen Prinzen gleichstellte, sondern es sogar zu seinem Priester machte und es zum Consul ernannt haben würde, wenn ihn nicht der Tod daran verhindert hätte. Seine ungeheure Geldgier, welche namentlich die Reichen aussog, aber auch die Unbemittelten schwer besteuerte, erwähnen wir nur kurz. Seine un¬ natürlichen Ausschweifungen mögen mit dem bisher Gesagten charakterisirt sein, obwohl sich von diesem Charakterzüge des tollen Imperators noch viel Schmutzigeres und Ekelhafteres berichten ließe. Dagegen wollen wir seine Grausamkeir, die fortwährend zunahm, in ihrem Wachsen ausführlich schildern. Mord und Blut war in den letzten Jahren seines Lebens seine höchste Lust, das Gestöhn Gemarterter und Verwundeter, das Röcheln Sterbender

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/249>, abgerufen am 22.07.2024.