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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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sängen verherrlichen. Als Neptun spielte er seine Rolle mit einem goldenen
Dreizack und einem langen vergoldeten Barte. Am nächsten Tage hatte er
ein glattrasirtes Gesicht und ein Weiberkleid, um Diana oder Bellona dar¬
zustellen. AIs Jupiter schleuderte er aus einer Donnermaschine goldne Blitze,
wenn aber der echte Olympier donnerte, verkroch er sich in den Keller; doch
geschah es auch, daß er dann jeden herniederfahrenden Blitz mit einem in die
Höhe geschleuderten Steine beantwortete, und zuletzt erhob ihn seine Einbil¬
dung sogar hoch über den obersten der Götter. In den Nächten, wo Luna
in vollem Lichte glänzte, lud er sie regelmäßig ein, mit ihm das Lager zu
theilen. Bei einer solchen Gelegenheit fragte er den zufällig anwesenden
Vitellius, ob er wohl die Göttin in seinen Armen sehe, worauf dieser wie
betäubt und mit zitternder Stimme die schlaue Antwort gab: "Herr und hoch¬
gebietender Kaiser, ein sterblich Auge vermag das nicht, nur Euch Göttern ist
es vergönnt, Euch unter einander zu sehen."

Zuletzt ließ er allen berühmten Götterbildern den Kopf abschlagen und
den seinen als den des höchsten Gottes daraus setzen. Das Volk aber wurde an¬
gewiesen , ihm zu opfern und zwar nicht wie den alten Göttern die gewöhn¬
lichen Thiere, sondern das kostbarste Geflügel: Flamingos, Pfauen, Fasanen
und Perlhühner. Der Name, den er jetzt in alten Edicten als Gott führte,
und den er als officielle Anrede verlangte, war Dialios, eine Verschmel¬
zung der Namen des Himmels- und des Meeresbeherrschers. Als solcher nahm
er besondere Priester an, die aus den reichsten Personen, aus seiner Gemahlin
und seinem Oheim Claudius bestanden. In allen Theilen des Reiches befahl
er seine Bilder zur Anbetung aufzustellen, und alle Völker gehorchten, aus¬
genommen die Juden.

Mit keinem Gotte stand er auf schlechterem Fuße als .mit Morpheus.
Nie schlief er des Nachts länger als drei Stunden, und dann ängstigten ihn
schreckliche Träume. Erwachte er dann noch bei tiefer Finsterniß, so warf er
sich ruhelos auf seinem Lager herum oder durchwanderte eiligen Schrittes die
Gänge des Palastes und rief nach der Morgendämmerung. Sein Tagewerk
begann früh. Mit Tagesanbruch schon mußte der Hof auf den Beinen sein,
um den Kaiser zu begrüßen und sich nach seinem Befinden zu erkundigen.
Die Senatoren erschienen, um ihre Aufwartung zu machen, die Ritter, die
Supplicanten. Um acht Uhr ging es in den Senat oder zu den öffentlichen
Spielen, wo Caligula später sich selbst als Acteur, heute als Wagenlenker,
morgen als Gladiator, übermorgen als Tänzer oder Tragöde bethetligte. Um
zwölf Uhr begab er sich zum Frühstück, dann versuchte er es mit einer Siesta,
aber gewöhnlich vergebens. Rom schlief, sein Kaiser nicht. "Wer wagt es,
zu schlafen, wenn der Cäsar wacht?" sagte er da meist. "Selbst die Verbrecher
schlafen. Man gebe mir die Liste der Angeklagten." Es waren vierundvierzig


sängen verherrlichen. Als Neptun spielte er seine Rolle mit einem goldenen
Dreizack und einem langen vergoldeten Barte. Am nächsten Tage hatte er
ein glattrasirtes Gesicht und ein Weiberkleid, um Diana oder Bellona dar¬
zustellen. AIs Jupiter schleuderte er aus einer Donnermaschine goldne Blitze,
wenn aber der echte Olympier donnerte, verkroch er sich in den Keller; doch
geschah es auch, daß er dann jeden herniederfahrenden Blitz mit einem in die
Höhe geschleuderten Steine beantwortete, und zuletzt erhob ihn seine Einbil¬
dung sogar hoch über den obersten der Götter. In den Nächten, wo Luna
in vollem Lichte glänzte, lud er sie regelmäßig ein, mit ihm das Lager zu
theilen. Bei einer solchen Gelegenheit fragte er den zufällig anwesenden
Vitellius, ob er wohl die Göttin in seinen Armen sehe, worauf dieser wie
betäubt und mit zitternder Stimme die schlaue Antwort gab: „Herr und hoch¬
gebietender Kaiser, ein sterblich Auge vermag das nicht, nur Euch Göttern ist
es vergönnt, Euch unter einander zu sehen."

Zuletzt ließ er allen berühmten Götterbildern den Kopf abschlagen und
den seinen als den des höchsten Gottes daraus setzen. Das Volk aber wurde an¬
gewiesen , ihm zu opfern und zwar nicht wie den alten Göttern die gewöhn¬
lichen Thiere, sondern das kostbarste Geflügel: Flamingos, Pfauen, Fasanen
und Perlhühner. Der Name, den er jetzt in alten Edicten als Gott führte,
und den er als officielle Anrede verlangte, war Dialios, eine Verschmel¬
zung der Namen des Himmels- und des Meeresbeherrschers. Als solcher nahm
er besondere Priester an, die aus den reichsten Personen, aus seiner Gemahlin
und seinem Oheim Claudius bestanden. In allen Theilen des Reiches befahl
er seine Bilder zur Anbetung aufzustellen, und alle Völker gehorchten, aus¬
genommen die Juden.

Mit keinem Gotte stand er auf schlechterem Fuße als .mit Morpheus.
Nie schlief er des Nachts länger als drei Stunden, und dann ängstigten ihn
schreckliche Träume. Erwachte er dann noch bei tiefer Finsterniß, so warf er
sich ruhelos auf seinem Lager herum oder durchwanderte eiligen Schrittes die
Gänge des Palastes und rief nach der Morgendämmerung. Sein Tagewerk
begann früh. Mit Tagesanbruch schon mußte der Hof auf den Beinen sein,
um den Kaiser zu begrüßen und sich nach seinem Befinden zu erkundigen.
Die Senatoren erschienen, um ihre Aufwartung zu machen, die Ritter, die
Supplicanten. Um acht Uhr ging es in den Senat oder zu den öffentlichen
Spielen, wo Caligula später sich selbst als Acteur, heute als Wagenlenker,
morgen als Gladiator, übermorgen als Tänzer oder Tragöde bethetligte. Um
zwölf Uhr begab er sich zum Frühstück, dann versuchte er es mit einer Siesta,
aber gewöhnlich vergebens. Rom schlief, sein Kaiser nicht. „Wer wagt es,
zu schlafen, wenn der Cäsar wacht?" sagte er da meist. „Selbst die Verbrecher
schlafen. Man gebe mir die Liste der Angeklagten." Es waren vierundvierzig


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[0248] sängen verherrlichen. Als Neptun spielte er seine Rolle mit einem goldenen Dreizack und einem langen vergoldeten Barte. Am nächsten Tage hatte er ein glattrasirtes Gesicht und ein Weiberkleid, um Diana oder Bellona dar¬ zustellen. AIs Jupiter schleuderte er aus einer Donnermaschine goldne Blitze, wenn aber der echte Olympier donnerte, verkroch er sich in den Keller; doch geschah es auch, daß er dann jeden herniederfahrenden Blitz mit einem in die Höhe geschleuderten Steine beantwortete, und zuletzt erhob ihn seine Einbil¬ dung sogar hoch über den obersten der Götter. In den Nächten, wo Luna in vollem Lichte glänzte, lud er sie regelmäßig ein, mit ihm das Lager zu theilen. Bei einer solchen Gelegenheit fragte er den zufällig anwesenden Vitellius, ob er wohl die Göttin in seinen Armen sehe, worauf dieser wie betäubt und mit zitternder Stimme die schlaue Antwort gab: „Herr und hoch¬ gebietender Kaiser, ein sterblich Auge vermag das nicht, nur Euch Göttern ist es vergönnt, Euch unter einander zu sehen." Zuletzt ließ er allen berühmten Götterbildern den Kopf abschlagen und den seinen als den des höchsten Gottes daraus setzen. Das Volk aber wurde an¬ gewiesen , ihm zu opfern und zwar nicht wie den alten Göttern die gewöhn¬ lichen Thiere, sondern das kostbarste Geflügel: Flamingos, Pfauen, Fasanen und Perlhühner. Der Name, den er jetzt in alten Edicten als Gott führte, und den er als officielle Anrede verlangte, war Dialios, eine Verschmel¬ zung der Namen des Himmels- und des Meeresbeherrschers. Als solcher nahm er besondere Priester an, die aus den reichsten Personen, aus seiner Gemahlin und seinem Oheim Claudius bestanden. In allen Theilen des Reiches befahl er seine Bilder zur Anbetung aufzustellen, und alle Völker gehorchten, aus¬ genommen die Juden. Mit keinem Gotte stand er auf schlechterem Fuße als .mit Morpheus. Nie schlief er des Nachts länger als drei Stunden, und dann ängstigten ihn schreckliche Träume. Erwachte er dann noch bei tiefer Finsterniß, so warf er sich ruhelos auf seinem Lager herum oder durchwanderte eiligen Schrittes die Gänge des Palastes und rief nach der Morgendämmerung. Sein Tagewerk begann früh. Mit Tagesanbruch schon mußte der Hof auf den Beinen sein, um den Kaiser zu begrüßen und sich nach seinem Befinden zu erkundigen. Die Senatoren erschienen, um ihre Aufwartung zu machen, die Ritter, die Supplicanten. Um acht Uhr ging es in den Senat oder zu den öffentlichen Spielen, wo Caligula später sich selbst als Acteur, heute als Wagenlenker, morgen als Gladiator, übermorgen als Tänzer oder Tragöde bethetligte. Um zwölf Uhr begab er sich zum Frühstück, dann versuchte er es mit einer Siesta, aber gewöhnlich vergebens. Rom schlief, sein Kaiser nicht. „Wer wagt es, zu schlafen, wenn der Cäsar wacht?" sagte er da meist. „Selbst die Verbrecher schlafen. Man gebe mir die Liste der Angeklagten." Es waren vierundvierzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/248>, abgerufen am 22.07.2024.