Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.heuchlerischen Loyalitätsversicherungen der Majorität zu sprechen sei und nicht heuchlerischen Loyalitätsversicherungen der Majorität zu sprechen sei und nicht <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0239" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/134585"/> <p xml:id="ID_721" prev="#ID_720" next="#ID_722"> heuchlerischen Loyalitätsversicherungen der Majorität zu sprechen sei und nicht<lb/> daran denke, die Minister fortzuschicken, sondern dies eher mit der hohen<lb/> Kammer zu thun vorhatte. Daß des Königs Stimmung in der That keine<lb/> Herrn Jörg und den hinter diesem Stehenden besonders günstige sein konnte,<lb/> dafür hatten — ein glücklicher Zwischenfall — die Herren Bischöfe Haneberg<lb/> von Speier und Emmanuel Ketteler von Mainz vorgearbeitet. Die famose<lb/> Oggersheimer Affaire konnte den Patrioten nicht ungelegener kommen. Weg¬<lb/> zuleugnen, wie sie sonst bei dergleichen Dingen stets bei der Hand sind, war<lb/> hier nichts. Es war Thatsache, daß Bischof Ketteler es gewagt hätte, eine<lb/> Nichtantwort des Königs, bet dem die telegraphische Anfrage, ob Hochwürden<lb/> von Mainz um 7 Uhr Abends in Oggersheim predigen dürfe, um 8 Uhr<lb/> eingelaufen war, für eine Antwort zu nehmen und so sammt seinem Speierer<lb/> Collegen dem bayrischen Cultusministerium ein Schnippchen zu schlagen. Und<lb/> so war man auf dem besten Wege, den aufs Aeußerste aufgebrachten König,<lb/> der in zwei rasch aufeinander folgenden, sehr decidirten Handschreiben Herrn<lb/> v. Lutz zu energischem Einschreiten gegen Haneberg aufforderte, für den<lb/> Empfang der Aoreßdeputation geneigt zu machen. König Ludwig entschied,<lb/> wie man von ihm, der schon mehr als einmal in schweren Krisen das allein<lb/> richtige, den auf allen Gemüthern lastenden Bann lösende Wort gesprochen,<lb/> keine andere Entscheidung erwarten konnte. In der letzten Sitzung der<lb/> Kammern am 21. October mußte Präsident v. Ow die bittere Pille des aller¬<lb/> höchsten Signals verschlucken, nach welchem der König sich nicht bewogen<lb/> fand, die Adresse entgegenzunehmen, und dem Kammerpräsidenten zugleich<lb/> sein ernstliches Befremden über den Ton, in den einzelne Kammerredner ver¬<lb/> fallen waren, aussprach. War damit schon der so siegesgewisser klerikalen<lb/> Partei eine empfindliche Zurechtweisung ertheilt, so traf sie aber noch mehr<lb/> und schwerer das gleichzeitig vom Cabinetssecretair von Eisenbart an das Ge-<lb/> sammtministerium überbrachte königliche Handschreiben, in welchem dieses des<lb/> vollsten, ungeschmälerten Vertrauens des Monarchen versichert und aufgefor¬<lb/> dert wurde, sich auf die maßvoll Denkenden im Lande zu stützen. Damit war<lb/> der zu Anfang von uns angedeutete Wendepunkt der jüngsten bayrischen<lb/> internen Geschichte eingetreten. Der König hat ganz entschieden, ohne da¬<lb/> durch irgendwie constitutionelle Formen zu verletzen, Stellung genommen,<lb/> die ultramontanen Anmaßungen, die ihm geradezu die alte Welfensahne in<lb/> die Hand, die Führerschaft im Kampfe gegen das Reich aufzwingen wollten,<lb/> ein für allemal ab- und zurückgewiesen und die Möglichkeit fürs erste<lb/> wenigstens gezeigt, wie der Kampf der Parteien im Lande zum Frieden sich<lb/> wenden kann. Es wird sich nun freilich zeigen müssen, ob der „maßvoll<lb/> Denkenden" auch auf der patriotischen Schlachtfelde mehr sein werden, als der<lb/> Verführten und Verhetzten, die nur auf die Schlagwörter gehen, die ihnen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0239]
heuchlerischen Loyalitätsversicherungen der Majorität zu sprechen sei und nicht
daran denke, die Minister fortzuschicken, sondern dies eher mit der hohen
Kammer zu thun vorhatte. Daß des Königs Stimmung in der That keine
Herrn Jörg und den hinter diesem Stehenden besonders günstige sein konnte,
dafür hatten — ein glücklicher Zwischenfall — die Herren Bischöfe Haneberg
von Speier und Emmanuel Ketteler von Mainz vorgearbeitet. Die famose
Oggersheimer Affaire konnte den Patrioten nicht ungelegener kommen. Weg¬
zuleugnen, wie sie sonst bei dergleichen Dingen stets bei der Hand sind, war
hier nichts. Es war Thatsache, daß Bischof Ketteler es gewagt hätte, eine
Nichtantwort des Königs, bet dem die telegraphische Anfrage, ob Hochwürden
von Mainz um 7 Uhr Abends in Oggersheim predigen dürfe, um 8 Uhr
eingelaufen war, für eine Antwort zu nehmen und so sammt seinem Speierer
Collegen dem bayrischen Cultusministerium ein Schnippchen zu schlagen. Und
so war man auf dem besten Wege, den aufs Aeußerste aufgebrachten König,
der in zwei rasch aufeinander folgenden, sehr decidirten Handschreiben Herrn
v. Lutz zu energischem Einschreiten gegen Haneberg aufforderte, für den
Empfang der Aoreßdeputation geneigt zu machen. König Ludwig entschied,
wie man von ihm, der schon mehr als einmal in schweren Krisen das allein
richtige, den auf allen Gemüthern lastenden Bann lösende Wort gesprochen,
keine andere Entscheidung erwarten konnte. In der letzten Sitzung der
Kammern am 21. October mußte Präsident v. Ow die bittere Pille des aller¬
höchsten Signals verschlucken, nach welchem der König sich nicht bewogen
fand, die Adresse entgegenzunehmen, und dem Kammerpräsidenten zugleich
sein ernstliches Befremden über den Ton, in den einzelne Kammerredner ver¬
fallen waren, aussprach. War damit schon der so siegesgewisser klerikalen
Partei eine empfindliche Zurechtweisung ertheilt, so traf sie aber noch mehr
und schwerer das gleichzeitig vom Cabinetssecretair von Eisenbart an das Ge-
sammtministerium überbrachte königliche Handschreiben, in welchem dieses des
vollsten, ungeschmälerten Vertrauens des Monarchen versichert und aufgefor¬
dert wurde, sich auf die maßvoll Denkenden im Lande zu stützen. Damit war
der zu Anfang von uns angedeutete Wendepunkt der jüngsten bayrischen
internen Geschichte eingetreten. Der König hat ganz entschieden, ohne da¬
durch irgendwie constitutionelle Formen zu verletzen, Stellung genommen,
die ultramontanen Anmaßungen, die ihm geradezu die alte Welfensahne in
die Hand, die Führerschaft im Kampfe gegen das Reich aufzwingen wollten,
ein für allemal ab- und zurückgewiesen und die Möglichkeit fürs erste
wenigstens gezeigt, wie der Kampf der Parteien im Lande zum Frieden sich
wenden kann. Es wird sich nun freilich zeigen müssen, ob der „maßvoll
Denkenden" auch auf der patriotischen Schlachtfelde mehr sein werden, als der
Verführten und Verhetzten, die nur auf die Schlagwörter gehen, die ihnen
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