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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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lische Priester, wie Molitor und Nußwurm in die Arena eintreten würden.
Und die Erwartungen sollten nicht getäuscht werden.

Die Kammer wurde constituirt. Daß die Majorität von zwei Stimmen
gegenüber einer so namhaften Minorität doch irgend welche Rücksichtnahme
auf das letztere Verhältniß nehmen würde, hätte man allerdings nach gewöhn¬
lichen parlamentarischen Regeln voraussetzen sollen, allein man war einmal
nominell Sieger auf der Wahlstatt geblieben, man mußte das nun auch bei
Bestallung des Direktoriums ausnützen. So nahm man die beiden Präsidenten,
wie die zwei ersten Schriftführer, und zwar die Herren von Ow und Dr. Kurz,
sowie die Herren Jörg und v. Soden, aus der zweistimmigen Majorität und
bot der Linken großmüthig nur die beiden letzten Schriftführer an, aus welche
Großmuth aber zu verzichten letztere durch Abgabe weißer Stimmzettel documentirte.
Bei der Wahl der ständigen Ausschüsse verfuhr man schon etwas entgegenkom¬
mender; zwar sicherte man sich auch hier die Majorität, aber man brauchte doch
hier, namentlich für den Finanzausschuß, dem die Bearbeitung des Budgets obliegt,
wirkliche Kräfte, Arbeiter, erprobte, erfahrene Leute. Und mit denen konnten
die "Ganzen" und "Entschiedener" der herrschenden Partei doch nicht so gar dick
thun. Deshalb hatte man gar nichts dagegen, daß die, welche im letzten
Landtag den Löwenantheil der wahren Arbeit hatten, ihn diesmal wieder,
trotz ihres Liberalismus vom reinsten Wasser, zugetheilt erhielten.

Die Sitzungen begannen. In der ersten derselben schon brachte, wie ihre
Organe voraus feierlich angekündigt hatten, die Rechte durch den Mund des
zweiten Präsidenten, Dr. Kurz, k. Oberapellrathes in München, den Antrag,
auf Erlassung einer Adresse an den König ein. Der erste Posten zum Angriff
war damit vorgeschoben. Der Landtag war ohne Thronrede eröffnet worden,
also eine formale Veranlassung zu einer Adresse gar nicht vorhanden -- und
die materielle Begründung: die Trauersälle, welche in der jüngsten Zeit das
königliche Haus betroffen -- die umgestaltenden Ereignisse der letzten Jahre --
jedermann wußte, daß das nur eine sehr durchsichtige Schale für einen ganz
anders gearteten Kern war. Man mußte eine Handhabe für den Hebel haben,
der gegen das verhaßte Ministerium angesetzt werden sollte -- und die war
die Adresse.

Die Liberalen erklärten sich gegen eine solche, indem, wie ihr Organ,
Freiherr von Stausfenberg ausführte, sie die eigentliche Absicht der Adresse
gar wohl durchschauten, aber gar keinen Anlaß fänden, an einem Sturmlauf
auf die gegenwärtige Regierung theilzunehmen, sondern für nöthig hielten,
sofort in die praktischen Geschäfte einzutreten, wobei genug Gelegenheit ge¬
geben sein würde, Wünsche und Beschwerden, die man man auf dem Herzen
habe, zur Sprache zu bringen.

Das war es aber eben nicht, was man wollte. Es sollte Staub aus-


lische Priester, wie Molitor und Nußwurm in die Arena eintreten würden.
Und die Erwartungen sollten nicht getäuscht werden.

Die Kammer wurde constituirt. Daß die Majorität von zwei Stimmen
gegenüber einer so namhaften Minorität doch irgend welche Rücksichtnahme
auf das letztere Verhältniß nehmen würde, hätte man allerdings nach gewöhn¬
lichen parlamentarischen Regeln voraussetzen sollen, allein man war einmal
nominell Sieger auf der Wahlstatt geblieben, man mußte das nun auch bei
Bestallung des Direktoriums ausnützen. So nahm man die beiden Präsidenten,
wie die zwei ersten Schriftführer, und zwar die Herren von Ow und Dr. Kurz,
sowie die Herren Jörg und v. Soden, aus der zweistimmigen Majorität und
bot der Linken großmüthig nur die beiden letzten Schriftführer an, aus welche
Großmuth aber zu verzichten letztere durch Abgabe weißer Stimmzettel documentirte.
Bei der Wahl der ständigen Ausschüsse verfuhr man schon etwas entgegenkom¬
mender; zwar sicherte man sich auch hier die Majorität, aber man brauchte doch
hier, namentlich für den Finanzausschuß, dem die Bearbeitung des Budgets obliegt,
wirkliche Kräfte, Arbeiter, erprobte, erfahrene Leute. Und mit denen konnten
die „Ganzen" und „Entschiedener" der herrschenden Partei doch nicht so gar dick
thun. Deshalb hatte man gar nichts dagegen, daß die, welche im letzten
Landtag den Löwenantheil der wahren Arbeit hatten, ihn diesmal wieder,
trotz ihres Liberalismus vom reinsten Wasser, zugetheilt erhielten.

Die Sitzungen begannen. In der ersten derselben schon brachte, wie ihre
Organe voraus feierlich angekündigt hatten, die Rechte durch den Mund des
zweiten Präsidenten, Dr. Kurz, k. Oberapellrathes in München, den Antrag,
auf Erlassung einer Adresse an den König ein. Der erste Posten zum Angriff
war damit vorgeschoben. Der Landtag war ohne Thronrede eröffnet worden,
also eine formale Veranlassung zu einer Adresse gar nicht vorhanden — und
die materielle Begründung: die Trauersälle, welche in der jüngsten Zeit das
königliche Haus betroffen — die umgestaltenden Ereignisse der letzten Jahre —
jedermann wußte, daß das nur eine sehr durchsichtige Schale für einen ganz
anders gearteten Kern war. Man mußte eine Handhabe für den Hebel haben,
der gegen das verhaßte Ministerium angesetzt werden sollte — und die war
die Adresse.

Die Liberalen erklärten sich gegen eine solche, indem, wie ihr Organ,
Freiherr von Stausfenberg ausführte, sie die eigentliche Absicht der Adresse
gar wohl durchschauten, aber gar keinen Anlaß fänden, an einem Sturmlauf
auf die gegenwärtige Regierung theilzunehmen, sondern für nöthig hielten,
sofort in die praktischen Geschäfte einzutreten, wobei genug Gelegenheit ge¬
geben sein würde, Wünsche und Beschwerden, die man man auf dem Herzen
habe, zur Sprache zu bringen.

Das war es aber eben nicht, was man wollte. Es sollte Staub aus-


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[0235] lische Priester, wie Molitor und Nußwurm in die Arena eintreten würden. Und die Erwartungen sollten nicht getäuscht werden. Die Kammer wurde constituirt. Daß die Majorität von zwei Stimmen gegenüber einer so namhaften Minorität doch irgend welche Rücksichtnahme auf das letztere Verhältniß nehmen würde, hätte man allerdings nach gewöhn¬ lichen parlamentarischen Regeln voraussetzen sollen, allein man war einmal nominell Sieger auf der Wahlstatt geblieben, man mußte das nun auch bei Bestallung des Direktoriums ausnützen. So nahm man die beiden Präsidenten, wie die zwei ersten Schriftführer, und zwar die Herren von Ow und Dr. Kurz, sowie die Herren Jörg und v. Soden, aus der zweistimmigen Majorität und bot der Linken großmüthig nur die beiden letzten Schriftführer an, aus welche Großmuth aber zu verzichten letztere durch Abgabe weißer Stimmzettel documentirte. Bei der Wahl der ständigen Ausschüsse verfuhr man schon etwas entgegenkom¬ mender; zwar sicherte man sich auch hier die Majorität, aber man brauchte doch hier, namentlich für den Finanzausschuß, dem die Bearbeitung des Budgets obliegt, wirkliche Kräfte, Arbeiter, erprobte, erfahrene Leute. Und mit denen konnten die „Ganzen" und „Entschiedener" der herrschenden Partei doch nicht so gar dick thun. Deshalb hatte man gar nichts dagegen, daß die, welche im letzten Landtag den Löwenantheil der wahren Arbeit hatten, ihn diesmal wieder, trotz ihres Liberalismus vom reinsten Wasser, zugetheilt erhielten. Die Sitzungen begannen. In der ersten derselben schon brachte, wie ihre Organe voraus feierlich angekündigt hatten, die Rechte durch den Mund des zweiten Präsidenten, Dr. Kurz, k. Oberapellrathes in München, den Antrag, auf Erlassung einer Adresse an den König ein. Der erste Posten zum Angriff war damit vorgeschoben. Der Landtag war ohne Thronrede eröffnet worden, also eine formale Veranlassung zu einer Adresse gar nicht vorhanden — und die materielle Begründung: die Trauersälle, welche in der jüngsten Zeit das königliche Haus betroffen — die umgestaltenden Ereignisse der letzten Jahre — jedermann wußte, daß das nur eine sehr durchsichtige Schale für einen ganz anders gearteten Kern war. Man mußte eine Handhabe für den Hebel haben, der gegen das verhaßte Ministerium angesetzt werden sollte — und die war die Adresse. Die Liberalen erklärten sich gegen eine solche, indem, wie ihr Organ, Freiherr von Stausfenberg ausführte, sie die eigentliche Absicht der Adresse gar wohl durchschauten, aber gar keinen Anlaß fänden, an einem Sturmlauf auf die gegenwärtige Regierung theilzunehmen, sondern für nöthig hielten, sofort in die praktischen Geschäfte einzutreten, wobei genug Gelegenheit ge¬ geben sein würde, Wünsche und Beschwerden, die man man auf dem Herzen habe, zur Sprache zu bringen. Das war es aber eben nicht, was man wollte. Es sollte Staub aus-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/235>, abgerufen am 22.07.2024.